Wenige weltweit agierende Konzert-Multis dominieren die Branche

Seite 3: Großkonzerne, Hedge- und Pensions-Fonds und das neue Spiel

An den Großkonzernen, die als Aktiengesellschaften organisiert sind, sind vor allem Hedge- und Pensions-Fonds beteiligt – bei Live Nation sind es neun der zehn größten Anteilseigner mit über 35 Prozent, darunter der Staatsfonds des Scharia-Staats Saudia-Arabien mit 5,76 Prozent; der größte Anteilseigner ist die Formula One Group des libertären Multimilliardärs und Trump-Unterstützers John C. Malone.

Auch bei der deutschen CTS Eventim sind neun der zehn größten Anteilseigner Fonds, darunter Blackrock (während der größte Anteilseigner mit 38,8 Prozent nach wie vor Firmengründer Klaus-Peter Schulenberg ist).

Unterhalb der weltweit operierenden Großkonzerne haben sich im letzten Jahrzehnt außerdem Privat Equity-Firmen an etlichen Festivals und mittelgroßen Tournee- und Veranstaltungs-Agenturen beteiligt: Die zu Providence Equity Partners gehörende Superstruct Entertainment beispielsweise ist auf Beutezug durch die europäische Festivallandschaft gegangen und hat Mehrheitsbeteiligungen an renommierten, einstmals unabhängigen Festivals wie Sziget, Sónar, Øya, Parookaville oder Wacken erworben.

Auch die deutsche Goodlife AG, zu der Festivals wie das Berliner Lollapalooza, Melt, Splash und Full Force, aber auch die Tourneefirma Melt! Booking gehören, wurde von Private Equity betrieben – bis diese im September dieses Jahres gewinnbringend eine Mehrheitsbeteiligung an den Live Nation-Konzern verkaufte.

Das ist das neue Spiel der vom Finanzkapital befeuerten Konzertindustrie: Die Großkonzerne kaufen nun auch die mittelgroßen Tourneeveranstalter auf, um sich deren Künstlerstamm zu sichern. Und diese Konzerne liefern sich Diadochenkämpfe um die Konzerte und Tourneen der Superstars, aber auch um Festivals in "interessanten", also zahlungskräftigen Märkten. Die Zeche, nämlich die heillos überteuerten Tickets, zahlen die Fans. "Sex & Drugs & Rock’n’Roll"? "Industry & Private Equity & Brands’n’Sponsoring"!

Der größte Teil der Probleme, mit denen Clubs und Venues, unabhängige Konzert- und Tourneeveranstalter derzeit konfrontiert werden, wurde nicht von der Pandemie verursacht, sondern vom Struktur- und Wertewandel des internationalen Konzertgeschäfts.

Diese verhängnisvolle Situation wurde allerdings durch Corona noch einmal drastisch verschärft: Die soziale Kluft zwischen den wenigen Superstars da oben und dem Gros der unter prekären Bedingungen arbeitenden Musiker:innen und Kulturarbeiter:innen hier unten, aber auch die Spaltung der Konzertszene in wenige weltweit agierende Konzert-Multis, die auf dem Superstar-Markt Superprofite erzielen und eine Art Erfolgs-Oligopol bilden, während andrerseits die vielen unabhängigen Clubs und Veranstalter:innen mit dem Rücken zur Wand stehen.

Die Pandemie hat die Spaltung der Konzertbranche wie in einem Brennglas deutlich gemacht (wie oft wurde dieses Bild in der Coronära bereits benutzt? Lang lebe die Brennglas-Industrie!).

Berthold Seliger ist Publizist ("Das Geschäft mit der Musik", "Klassikkampf", "Vom Imperiengeschäft") und seit über 34 Jahren Konzertagent und Tourneeveranstalter. Er vertritt unter anderem Patti Smith, Tortoise, The Residents, Bonnie 'Prince' Billy und Rufus Wainwright.