Weniger Freihandel wagen
Seite 2: Handel zwischen Industriestaaten: Nicht per se wohlstandssteigernd
- Weniger Freihandel wagen
- Handel zwischen Industriestaaten: Nicht per se wohlstandssteigernd
- Eine weitere Zunahme des Welthandels steigert unsere Lebenszufriedenheit nicht
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Die alten Außenhandelstheorien sind zur Erklärung des Handels zwischen hoch entwickelten Staaten wenig hilfreich, da zwischen den Handelspartner ähnliche Kostenstrukturen bestehen und ähnliche Produkte gehandelt werden (z.B. Autos gegen Autos).
Dem zweiten hier erwähnten Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman gelang es, viele Mängel der alten Theorie zu überwinden, indem er z.B. steigende Skalenerträge (je größer die Produktionsanlagen, desto kleiner die Stückkosten eines Produkts), Transportkosten, mobiles Kapital und eine Präferenz der Menschen für Vielfalt in seinen Rechnungen berücksichtigte. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Seine Modelle zeigten, dass Freihandel Menschen auch dauerhaft zu Verlierer machen konnte, etwa wenn sich boomende Zentren entwickeln, während andere Regionen oder kleinere Länder ausbluten.
Auch können strategische Staatseingriffe (im Gegensatz zur schlichten Marktöffnungen) den Wohlstand eines Staates erhöhen. Es war eine strategisch gesteuerte, mit Milliarden subventioniert Entwicklung, um die zersplitterte Flugzeugindustrie Europas in Airbus zusammenzuführen und auch hier Großraumflugzeuge bauen zu können - was eine auf Freihandel verpflichtete Welthandelsorganisation natürlich nicht akzeptieren kann.
Natürlich ermöglicht Welthandel, unterschiedliche Erntezeiträume in verschiedenen Weltgegenden oder "technologische Lücken" (manche Produkte können nur an wenigen High-Tec-Standorten produziert werden) auszugleichen. Dass der Abbau von Handelsschranken prinzipiell positiv ist, lässt sich aber auch empirisch nicht belegen. Untersucht man etwa das Wachstum von Ländern in Zeiträumen mit unterschiedlich hohen Zöllen, ergibt sich kein eindeutiges Bild. Vergleicht man die Wachstumsraten unterschiedlich wohlhabender Ländergruppen von 1980-2000 mit ihren Wachstumsraten in dem 20-Jahreszeitraum davor (einem Zeitraum mit im Durchschnitt höheren Zöllen), zeigt sich sogar ein Rückgang der Entwicklungsdynamik quer durch alle Ländergruppen, von den ärmsten bis zu den reichsten.
Dass Welthandel die Vielfalt erhöhen und auch Herstellungskosten senken kann, ohne Löhne zu drücken, wird hier nicht bestritten. Genauso kann er aber die Vielfalt reduzieren, etwa durch den immensen Preisdruck in der industriellen Landwirtschaft, wo immer weniger Hochleistungssorten Verwendung finden. Und natürlich kann der Welthandel auch das Lohnniveau unter Druck setzen und zum Abbau von Jobs führen - Strukturwandel hat schon immer auch Verlierer erzeugt. Wenn Staaten im ständig steigenden Standortwettbewerb allerdings alles daran setzen, die Angebotsbedingungen ihrer Unternehmen zu verbessern (und z.B. deren Steuerbelastung reduzieren), werden sie auch daran sparen, den Verlierern des Strukturwandels eine neue Ausbildung und eine würdige Arbeitslosenunterstützung zugutekommen zu lassen.
Mehr Freihandel meint größere Märkte, das bedeutet mehr Konkurrenz. In diesem Umfeld zu bestehen heißt: Mehr Neues wagen. Doch eine auf pausenlose Innovation, steigende Arbeitsdichte und flexible Arbeitszeiten getrimmte Gesellschaft kommt irgendwann an die Grenzen menschlicher Anpassungsfähigkeit - mit Folgen, wie sie Richard Sennett in seinem noch immer lesenswerten Buch "Der flexible Mensch" (Engl.: "The Corrosion of Caracter") schon vor 18 Jahren beschrieben hat.
Ein immer stärker kurzfristig orientierter, außengeleiteter Mensch driftet mit seinen Ängsten hilflos und verunsichert umher, bereit nur noch für schwache Bindungen. So wächst seine Sehnsucht nach Gemeinschaft und einer wie auch immer gearteten stabilen Identität. Petry, Le Pen, Trump und Orban können sich freuen angesichts der Ignoranz der herrschenden Eliten, die die negativen (ökonomischen und sozialen) Wirkungen des immer weiter getriebenen Freihandels nur allzu häufig als ideologisch motivierte Kritik abtun und die Verlierer der Globalisierung sich selbst überlassen, indem sie sie für ihr Scheitern auch noch selbst verantwortlich machen.
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