Wenn der Staatsfunk die Völker verwechselt
In Mali gibt es Auseinandersetzungen zwischen Dogon-Bauern und Fulbe-Hirten, die dem islamistischen Prediger Amadou Koufa folgen
Am Sonntag meldete der Österreichische Rundfunk (ORF), dass "Nouhoum Sarr von der Volksgruppe der Dogon" der Armee des Landes Mali vorgeworfen habe, 14 andere Dogon illegal hingerichtet und diese Exekution als Reaktion auf einen Ausbruchsversuch der am 5. April im zentralmalischen Dioura als Dschihadisten Festgenommenen getarnt zu haben. Diese Meldung, die sich auch in arabischen Medien findet, ist falsch - aber nicht deshalb, weil es die (durchaus mögliche) Massenexekution nicht gab.
Wer mit den ethnischen Verhältnissen in Mali auch nur oberflächlich vertraut ist, den musste zumindest die ORF-Behauptung, dass "die Volksgruppe der Dogon […] regelmäßig verdächtigt [werde], mit der bewaffneten Gruppe eines extremistischen Geistlichen zusammenzuarbeiten, der in Mali einen radikalislamischen Staat errichten will" seltsam vorkommen. Das Volk aus den Homboribergen in Zentralmali praktiziert nämlich mehrheitlich immer noch einer traditionellen Volksreligion, deren Masken und Riten vor 2012 so viele Touristen anzogen, dass die Ortschaft Bandiagara ein kleines Zentrum wurde.
Ackerbauern gegen Viehzüchter
Dort, in der Gegend von Bandiagara, kam es im März zu Auseinandersetzungen zwischen Dogon-Hirsebauern und Fulbe-Hirten, bei denen mindestens 25 Menschen starben. Die nahezu ausschließlich moslemischen Fulbe leben fast in jedem Land der Sahel-Zone - vom Senegal bis in den Sudan. Im Zuge des sogenannten Fulbe-Dschihad im 18. und 19. Jahrhundert gründeten sie mehrere Reiche - darunter das Sokoto-Kalifat im Norden Nigerias, Massina, das sich vom heutigen Mali bis nach Burkina Faso erstreckte, Futa Dschalon in Guinea und Futa Toro im Senegal und in Mauretanien. Das Bewusstsein, einst die Herren in all diesen Gebieten gewesen zu sein, wirkt bei vielen Fulbe auch heute noch nach, weshalb es auch in anderen Ländern immer wieder zu ähnlichen Auseinandersetzungen kommt (vgl. Fulbe verübten Genozid an Berom).
In Mali kommt hinzu, dass es dort einen dschihadistischen Fulbe-Prediger namens Amadou Diallo alias "Amadou Koufa" gibt, der 2012 mit der (von Arabern und Tuareg dominierten) Terrorgruppe Ansar Dine den Norden des Landes eroberte, wo ein salafistischer Gottesstaat errichtet wurde. Als der nach dem Einmarsch der ehemaligen französischen Kolonialmacht 2013 wieder verschwand, wandte sich Koufa wieder zunehmend der eigenen Volksgruppe zu, unter der er zahlreiche neue Anhänger fand.
Terrorangriff nach Vermittlungsversuch des Präsidenten
Einige davon griffen am 29. März, zwei Tage nach einem Besuch des malischen Ministerpräsidenten Soumeylou Boubèye Maïga, das Hotel Falaise in Bandiagara an, wobei sie einen Soldaten und einen Zivilisten verwundeten, aber selbst zwei Männer verloren. Die anderen konnten entkommen. Maiga hatte die Stadt besucht, um zwischen Führern der Fulbe und der Dogon zu vermitteln.
Verteidigungsminister forderte die Streitkräfte auf, "ihre Mission fortzusetzen und Menschen und Eigentum mit Professionalität und unter voller Achtung der Menschenrechte zu sichern"
Am 5. April wurden in diesem Zusammenhang die 14 Männer festgenommen, die am 6. April erschossen wurden. Es waren aber keine Dogon, wie der ORF und die arabischen Medien behaupten, sondern Fulbe, wie man unter anderem in Le Monde korrekt nachlesen kann. Dort wird dann auch klar, dass Nouhoum Sarr kein Dogon-Fürst, sondern ein Vertreter des malischen Fulbe-Verbandes Tabital Pulaaku ist.
Der malische Verteidigungsminister Tiéna Coulibaly äußerte inzwischen seine "tiefe Besorgnis" über den Vorfall, merkte aber auch an, dass sich die 14 Männer im Besitz von Kriegswaffen befunden hätten. Die malischen Streitkräfte forderte er auf, "ihre Mission fortzusetzen und Menschen und Eigentum mit Professionalität und unter voller Achtung der Menschenrechte zu sichern".
Fulbe machen knapp zehn Prozent der Bevölkerung Malis aus, Dogon gut sieben. Das Quasi-Staatsvolk ist mit einem Anteil von gut 46 Prozent das der Bambara. Die Bambara sind - anders als die Fulbe und ebenso wie die Dogon - vorwiegend Ackerbauern, bekennen sich aber inzwischen überwiegend zum Islam, dem sie lange widerstanden, aber schon vorher Teile seiner Mythologie in ihre eigene Volksreligion mit aufnahmen. Anders als der der Fulbe ist ihr Islam auch heute noch synkretistisch geprägt, weshalb salafistische Strömungen bei ihnen bislang weniger Erfolg hatten.