Wenn schwerreiche Populisten in die Politik streben
Der ARD-Beitrag "Ungleichland" über den Bauunternehmer Christoph Gröner zeigt auch, warum Trump, Berlusconi und Macron von nicht wenigen Subalternen gewählt und bewundert werden
Es gibt wohl kaum was, für das man den Kurzzeit-Gesundheitsminister Jens Spahn loben könnte. Nur seine Weigerung, der Aufforderung einer Hartz IV-Gegnerin zu folgen und eine Woche nach den finanziellen Sätzen zu leben, die der Gesetzgeber für sie vorgesehen hat, sollte nicht Gegenstand der Kritik sein.
Schließlich hätte die "sinnlose Armutsshow" keinem Hartz-IV-Empfänger ein besseres Leben beschert, sie hätte nicht einmal aufklärerische Impulse gesetzt. Sie hätte sich vielmehr eingereiht, in die Banalisierung und Eventisierung der staatlichen Verarmungspolitik.
Promis auf Hartz IV
Schon längst gibt es im Unterhaltungsfernsehen die Sendung Promis auf Hartz IV. Dort können Reiche einen Monat Hartz-IV als spannendes Erlebnis zelebrieren. Die Ankündigung spricht Bände über das Selbstverständnis der Sendemacher.
Heinz und Andrea sind ein Leben im Luxus gewohnt. Angefangen bei der 1.000 Quadratmeter großen Villa Colani über eine Haushälterin bis hin zu den nicht vorhandenen Geldsorgen. Genau diesen Luxus lässt das Fürstenehepaar in den nächsten vier Wochen zurück, um das Leben aus Sicht von Hartz-IV-Empfängern zu erleben. Heinz und Andrea leben während des Experimentes von 736 Euro im Monat. Schon bei der Ankunft sitzt der erste Schock tief - die neue Bleibe ist bis auf einen Herd und zwei Feldbetten komplett unmöbliert. Ihre erste Aufgabe ist somit das Möblieren ihrer kleinen Wohnung. Werden sie das Experiment durchstehen?"
TV-Sendung Promis auf Hartz IV
Die Verachtung der Armen spricht aus jeder Zeile dieses Sozialexperiments für Vermögende. Christoph Gröner würde nur lachen, wenn man ihm vorschlagen würde, einen Monat unter Hartz IV zu leben. Der Gründer und Namensgeber der CG-Gruppe ist schließlich der Prototyp eines Neureichen, der gar kein Hehl daraus macht, dass er mit seinen Vermögen Macht hat und die auch einsetzt.
Gröner hat erst kürzlich eine Debatte über die Macht des Kapitals ausgelöst. Schließlich war er in der letzten Woche Hauptfigur des Films Ungleichland. Der Untertitel "Wie aus Reichtum Macht wird" ist der rote Faden und der anschließenden Diskussion "Hart aber fair", in der der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert Gröner als "Oligarch" bezeichnete.
Die Reaktionen waren voraussehbar und haben eher Gröner in die Hände gespielt. Denn der ARD-Beitrag war ja keine Undercover-Recherche. Gröner ließ sich bei seiner Arbeit begleiten und konnte so Einfluss nehmen auf das Bild, das von ihm in der Öffentlichkeit gezeigt wird. Und das ist das eines Neureichen, der Kapital hat und es nutzt, um ganze Stadtteile umzustrukturieren und auch politisch Einfluss zu nehmen.
Politische Ambitionen
Wie sehr bei der anschließenden Diskussion der stellenweise durchaus kritisch fragende Moderator Teil von Gröners Konzept war, zeigte sich dann, wenn es um dessen politische Ambitionen ging. Da reichte die vage Ankündigung, dass er mal eine Partei gründen wollte, um das Thema immer wieder anzusprechen.
Selbstverständlich widersprach Gröner nicht, wenn er mit dem Moderator mit Macron und seiner Bewegung verglichen wurde. Dabei ist einerseits erstaunlich, wie realistisch hier der französische Präsident eingeschätzt wird, der schließlich in Teilen des grünennahen linksliberalen Milieus zum Hoffnungsträger verklärt wurde.
Nun mutiert in einer solchen Talkshow Macron zum Interessenvertreter des Kapitals und zum Rechtspopulisten. Gleichzeitig wird mit einen solchen Vergleich Gröner erst zu einem potentiellen Politiker aufgebaut, obwohl er noch wenige Minuten vorher erklärte, das käme für ihn erst in einigen Jahren infrage. Vorher wollte er noch kräftig in der Immobilienbranche mitmischen.
Eine solche Talk-Show ist für Gröner und Co. auch ein Stimmungstest dafür, wie eine solche Inszenierung bei der Zielgruppe ankommt. Und der fiel für Gröner nicht so schlecht aus. Schließlich wurden während der Sendung eingehende Mails verlesen, in denen einkommensarme Menschen schrieben, dass sie wissen, dass sie allerhöchstens als Wachmann in einen von Gröners Objekten eine Chance haben, aber trotzdem zufrieden sind, dass sie sehen, wie jemand reich werden kann.
"Wir, die Leute, die Gas geben, (...) wir sind der Staat"
Es ist der "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Mythos, der auch immer wieder Millionen Menschen Lotto spielen lässt. Dabei ist es weniger der Glaube, bald ebenso reich zu sein, der Menschen wie Gröner auch bei Armen populär macht. Es ist vielmehr deren Attitüde, sein Kapital in Macht und Einfluss umzuwandeln und das auch offen zu propagieren.
"Wir, die Leute, die Gas geben, die Geld haben, müssen uns einbringen, wir sind der Staat", ist eines der in der Internetgemeinde heftig diskutierten Zitate. Das ist genau die Geisteshaltung eines Macron, eines Berlusconi oder eines Trump - oder wie die populistischen Millionäre mit Regierungsambitionen auch immer heißen.
Wenn dann der Moderator Gröner mit Macron vergleicht und nicht mit den beiden anderen, hat das den einfachen Grund, dass die eben weniger populär in Deutschland sind.
Subtile Vorteilsnahme für Gröner
Eine weitere Vorteilsnahme für Gröner leistete sich der Moderator, als er darüber redete, warum Gröner unbedingt eine eigene Partei gründen will und nicht in eine bestehende eintreten und dort Einfluss nehmen will. Da kamen die Grünen, die FDP, die SPD und sogar die Linke zur Sprache. Nur die AfD wurde ausgeblendet.
Dabei ist die einmal von wirtschaftsfreundlichen Ökonomen gegründet worden, denen die FDP damals an der Regierung nicht wirtschaftsliberal genug war. Und auch wenn mittlerweile viele von diesen neoliberalen Führungsleuten mit Bernd Lucke die Partei verlassen haben, ist der wirtschafts- und sozialpolitische Teil des AfD-Programms noch stark von ihnen geprägt.
Auch viele Wirtschaftsliberale aus der zweiten Reihe sind noch fest in die AfD integriert. Dass Gröner auch ideologische Schnittmengen mit der AfD hat, zeigte sich bei einem seiner kaum skandalisierten Sätze in der Talk-Show. Zumindest Kevin Kühnert fragte da noch mal nach.
Gröner echauffierte sich darüber, dass das Finanzamt Reichen wie ihm das Leben schwer mache und die Steuerhinterziehung im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg nicht mit ebensolcher Verve verfolge. Nun ist der Görlitzer Park der Ort, wo Menschen Drogen verkaufen, die von Staatsseite als illegal erklärt wurden. Dadurch wird überhaupt erst ein Markt geschaffen.
Mittlerweile gibt es immer mehr Juristen und auch Fachleute bei der Polizei, die sich für eine Legalisierung dieses Drogenhandels aus sehr pragmatischen Gründen aussprechen. In den letzten Monaten sind die repressiven Elemente bei der Handhabung des Drogenhandels rund um den Görlitzer Park, wie sie unter der Ägide des Berliner Innensenators Henkel gang und gebe waren, etwas zurückgefahren worden.
Man setzt mehr auf die Regulierung auch mit Nachbarschaftsinitiativen. Dafür bekommt der aktuelle Berliner Senat Lob von Fachleuten unterschiedlicher politischer Couleur. Doch für Gröner wird der Drogenhandel am Görlitzer Park zur Chiffre für einen Machtverlust des Staates, der von Rechten dann noch rassistisch aufgeladen wird.
Es ist kein Zufall, dass zivilgesellschaftliche Organisationen in der Vergangenheit immer wieder gegen Racical Profilierung im Görlitzer Park protestiert haben.
Gröner setzt hier nur den eigenen populistischen Akzent, dass er millionenschwere Steuerverweigerer gegen Menschen ausspielt, die sich mit Drogenhandel über Wasser halten.
"Fragen Sie mal meinen Wachmann"
Was einkommensschwache Menschen von einer Gröner-Partei zu erwarten hätten, erfahren sie auch en passant, wenn er berichtet, dass er immer im Dienst ist.
Ich bin seit 30 Jahren drei Tage nicht zur Arbeit erschienen wegen Krankheit, fragen Sie mal meinen Wachmann, wie oft der wegen Krankheit nicht da war. Wenn meine Frau mit mir Krach macht und mich die Nacht nicht schlafen lässt, bin ich bei der Arbeit. Fragen Sie mal meinen Wachmann.
Christoph Gröner, Hart aber fair
Hier steckt eine doppelte Drohung für alle Menschen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Es ist die Botschaft, dass man sich notfalls auch krank zur Arbeit schleppen und möglich Tag und Nacht Leistung zeigen sollte. Der bei Gröner mehrmals zitierte Wachmann wäre im Falle der Lohnabhängigen das Wachpersonal, der Aufseher oder auch die Überwachungs-App, die auf die Sekunde genau die Leistung misst.
Amazon-Beschäftigte sprechen davon, dass sie schon angesprochen werden, wenn sie mal zwei Minuten nicht arbeiten. So ist Gröner hier durchaus nicht der besonders egozentrische Neureiche, der nicht nur seine Macht und seinen Einfluss ausübt, sondern das auch propagiert.
Er ist gleichzeitig der prototypische Vertreter eines Kapitalismus, der möglichst rund um die Uhr die Menschen auspressen will, der es zur Tugend erklärt, in dreißig Jahren nur 3 Tage krank geschrieben gewesen zu sein und auch nachts am Arbeitsplatz zu erscheinen.
Die Gefahr, die von Mächtigen wie Gröner ausgeht, liegt vor allem darin, dass solche Bekenntnisse auch bei Menschen auf Zustimmung stoßen, die von ihrer sozialen Lage eigentlich vehement dagegen protestieren müssten. Denn sie haben die Hoffnung, dass die Knute nicht sie, sondern die Menschen trifft, denen es vielleicht noch schlechter als ihnen geht und die das angeblich verdient haben.
Wie eine solche sozialchauvinistische Ideologie funktioniert, haben Julia Frank und Sebastian Dörfler in ihren hörenswerten Radio Feature "Warum unsere Gesellschaft die Armen verachtet" thematisiert.
Hier liegt auch ein Grund dafür, weshalb rechter Millionärspopulismus von Trump, Berlusconi und Macron Erfolg hat. Ob man Gröner in diese Reihe stellen kann, ist noch nicht ausgemacht. Denn einstweilen kann der seine Investorenwünsche auch noch ganz gut mit dem aktuellen politischen Personal durchsetzen.
Roter Teppich für Investor Gröner
Das zeigte sich bei dem Projekt der CG-Gruppe im Friedrichshainer Nordkiez. Da wurde schnell mal der Denkmalschutz Makulatur, damit der millionenschwere Investor nicht ungnädig wird.
Eine der Linkspartei angehörende Senatorin hatte dann angeblich auch keine Möglichkeit, Gröner die Baugenehmigung zu verweigern. Da hatte es Gröner nicht schwer, gegen das CG-Projekt protestierenden Nachbarn zuzurufen: "Glaubt Ihr, ich baue nicht, wenn Ihr hier schreit?" "Seid ihr wirklich so blöd?"
Schon vor 2 Jahren erklärte Gröner im Tagesspiegel-Interview: "Wir Unternehmer wissen uns selbst zu helfen." Daher wäre es wirklich eine Bedrohung für große Teile der Bevölkerung, wenn er nicht nur die Politik für sich arbeiten lässt, sondern selber in die Politik geht.
So könnte der ARD-Beitrag auch der Anlass für eine Diskussion über den Klassenkampf von oben sein. Und es könnte darüber diskutiert werden, warum Teile der Subalternen ideologisch so zugerichtet werden, dass sie mächtigen Männern, die die Knute zeigen, applaudieren.
Mit einer Diskussion allein über Ungleichheit kommt man dem Phänomen der Millionen schweren Populisten nicht bei. Das zeigte sich bei Berlusconi und Trump und das wird sich auch bei Gröner zeigen.