Wenn sie schreiben Seit' an Seit'
Spiegel und Springer proklamieren die Gegenreformation der Rechtschreibung
Seit ihrer Reform 1998 ist sie Garant für Schlagzeilen im Sommerloch: Die Orthografie - in diesem Fall mit f. Das wäre reichlich uninteressant, würde nun nicht eine ganz neue Allianz der Bewahrer das Thema anheizen. Denn neben den alten outen sich nun auch neue Konservative: Spiegel Verlag und Axel Springer Verlag gehen Hand in Hand und verbannen im Handstreich die Rechtschreibreform aus ihren Blättern.
"Wir befürworten sehr dringend notwendige und sinnvolle Reformen in unserer Gesellschaft." Wer da so spricht, der könnte Politiker sein. Doch in diesem Fall handelt es sich um Stefan Aust, Chefredakteur des Spiegel und Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlages. Lange vorbei die Zeiten, in denen der Spiegel als das Gute und Axel Springer als das personifizierte Böse galt. Jetzt kämpfen die Hamburger gemeinsam für die vermeintlich gute Sache: Das Ende der Rechtschreibreform.
"Eltern benutzen eine andere Orthographie als ihre Kinder", mokieren Döpfner und Aust unisono. Kaum verwunderlich, ist außer Schülern, der schreibenden Zunft und Staatsbediensteten doch kaum jemand zur Nutzung der neuen Rechtschreibung verpflichtet. Finanzminister und Eltern werden ächzen, sollten sich die Kultusminister der Länder nun von der Hamburg-Connection beeindrucken lassen. Etwa 80 Millionen Euro würde eine erneute Umstellung allein den Klett-Verlag kosten.
Online und in den Printmedien wird wieder die alte Rechtschreibung nach den Regeln von 1901 eingeführt. Ab sofort wird in Hamburg wieder wie ein Schloßhund geheult und die Seelefanten nur noch mit zwei "e" geschrieben. Verwunderlich wichtig, mag man meinen. Tadelte doch der Spiegel noch 2000 scharf die FAZ für ihren Verbleib bei den althergebrachten Regeln. Und bei der Bild schien man es auch nicht sehr zu missen, das nur noch selten notwendige "ß". Passte es doch stilistisch eh nicht zu den Riesenlettern der Meinungsbildner.
Etwas schal mutet nicht nur die Verbindung der beiden Verlagshäuser an. Beide bemängeln einerseits regelmäßig den gebremsten Reformwillen der Politik. Geißeln dafür jeden Reformfehler lautstark. Andererseits scheinen sie ebenfalls der Grundeinstellung der Reformwilligen zu teilen: Reformen ja, aber bitte nicht bei uns. Aber vielleicht verschwindet dieses Gespenst auch wieder da, wo es hergekommen ist: In den Tiefen des Sommerloches an Elbe und Alster.