Wer die Bekämpfung von "Fake-News" finanziert
Vor Falschmeldungen warnen zurzeit fast täglich Faktenprüfer. Doch sie sind mit den Machteliten verflochten und wenig glaubwürdig
Tag für Tag entdecken sogenannte Faktenprüfer neue Falschmeldungen. In Zeiten von Corona haben sie geradezu Hochkonjunktur. Viele Medien, darunter die NZZ und die Republik, berufen sich gerne auf die Hüter der Wahrheit bei der Brandmarkung falscher Nachrichten aus dem Kreise sogenannt alternativer Medien. Auffällig dabei ist: Die Machtposition der Faktenprüfer wird nie in Frage gestellt. Diese werden gerne als neutrale und seriöse Quellen behandelt, obwohl viele es in Wirklichkeit nicht sind.
Ein internationales Netzwerk
Falschinformationen und Propaganda sind nichts Neues. Im Rahmen des US-Präsidentschaftswahlkampfs 2015/2016 rückte das Thema Fake-News ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Hintergrund waren wahre Enthüllungen über Hillary Clinton, die Wikileaks ausgerechnet während des Wahlkampfs veröffentlicht hatte. Es wurden aber auch Falschinformationen über die Präsidentschaftskandidaten in die Welt gesetzt. All dies geschah in einer Zeit, in der große Medien ohnehin mit Glaubwürdigkeitsverlusten zu kämpfen hatten.
In einem möglichen Wahlsieg von Trump sahen traditionell mächtige Lobbys ihre eigene Position in Gefahr. Der sogenannte Kampf gegen Fake-News war hauptsächlich gegen Trump gerichtet. Entsprechend nahmen die Faktenprüfer Trumps Aussagen unter die Lupe. Ein "Fact-Checker der "Washington Post" wies Trump über vier falsche Behauptungen pro Tag nach. Schnell zeigte sich jedoch, dass Faktenprüfer in erster Linie abweichende Meinungen im Visier hatten, welche die US-Vorherrschaft in Frage stellten.
Der Artikel von Rafael Lutz wurde mit freundlicher Genehmigung vom empfehlenswerten schweizerischen Online-Magazin INFOsperber übernommen.
Es begann ein Ringen um die Deutungshoheit unter den Faktencheckern. Um dieses zu gewinnen, spannten einige ihre Kräfte zusammen und gründeten das sogenannte International Fact-Checking Network. Dieses Netzwerk fokussiert auf russische Stellen, die nach Ansicht der US-Regierung die Hauptverantwortlichen für Manipulationen und Falschmeldungen sind.
Dem Netzwerk gehören inzwischen zahlreiche Faktenprüfer-Organisationen an, die über die Informationen wachen. Im deutschsprachigen Raum zum Beispiel "Correctiv" - dafür musste sich die Plattform als geprüfte Partnerin vom Poynter Institute zertifizieren lassen (siehe unten). Die Europäische Union gründete 2015 eigens die "East StratCom Task Force", die mit dem Monitoring russischer Presseorgane beauftragt wurde (Infosperber berichtete darüber). Diesem Ziel schlossen sich auch die Tech-Giganten Facebook und Google an.
Institut als Zertifizierer mit politischer Schlagseite
Ein Blick auf die großen Akteure auf dem Markt der Wahrheitsfindung zeigt, dass viele eine politische Agenda verfolgen. Koordiniert und zertifiziert werden die Anstrengungen der Faktenprüfer durch das Poynter Institute. Die Journalistenschule aus Florida leitet seit Ende 2015 das bereits erwähnte International Fact-Checking Network. Mit im Boot sind Branchenriesen wie die Nachrichtenagentur AP und der Sender ABC. Gesponsert wird das Netzwerk laut eigenen Angaben unter anderem von folgenden Institutionen:
Das von der US-Regierung finanzierte National Endowment for Democracy (NED);
Omidyar Network;
Bill und Melinda Gates-Stiftung;
Google News Initiative;
George Soros' Open Society Foundation. Der deutsche Journalist Paul Schreyer kommentierte: "Man ist beim Kampf gegen 'Fake-News' also gut beschirmt von einflussreichen Eliten, sowie der US-Regierung."
Auffallend am Poynter Institute sowie auch an allen ihren finanziellen Unterstützern ist ihr stets kritischer Blick in Richtung Russland. Das Institut propagierte beispielsweise in der Vergangenheit das Tool Hamilton 68 - neuerdings bekannt als Hamilton 2.0 Dashboard. Dieses setzte sich zum Ziel, russische Propaganda zu entlarven. Das Projekt wurde vom German Marshall Fund lanciert und läuft unter dem Namen "Allianz zur Sicherung der Demokratie". Dem Fachbeirat der Allianz gehören Personen wie Michael Chertoff und Bill Kristol an. Chertoff war von 2005 bis 2009 Minister für Innere Sicherheit in den USA. Er sitzt ebenfalls im Verwaltungsrat des multinationalen Rüstungs- und Luftfahrtkonzerns BAE Systems. Kristol ist ein neokonservativer Hardliner, der die Irakinvasion der USA unterstützte.
Im Dienste der US-Außenpolitik
Ein Blick auf die größten Sponsoren der Faktenprüfer lohnt sich. Stiftungen wie das NED (National Endowment for Democracy) oder Soros' Open Society sind bekannt dafür, außenpolitische Ziele der US-Administration zu stützen. Sie spielten in der Vergangenheit eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung oppositioneller Bewegungen in Ländern, wo US-feindliche Regierungen an der Macht waren und die entsprechend von Seiten der US-Machthaber auf der Abschussliste standen. Das deckten Wikileaks-Enthüllungen auf.
Das NED wurde unter US-Präsident Reagan nach Ideen des damaligen CIA-Chefs Bill Casey gegründet, um verdeckte Operationen in fremden Ländern durchzuführen. Mitgründer Allen Weinstein sagte 1991 über das NED: "Vieles, was wir tun, wurde vor 25 Jahren verdeckt durch die CIA gemacht." Im Vorstand der NED sitzen mehrere US-Neokonservative. Das NED wird vom US-Kongress mit riesigen Summen Jahr für Jahr finanziert. Es war auch beteiligt an der Vorbereitung und Unterstützung mehrerer Farbenrevolutionen in Osteuropa.
Omidyar und die US-Eliten
Einer breiteren Öffentlichkeit weit weniger bekannt ist Ebay-Gründer und Milliardär Pierre Omidyar. Omidyar gehört ein kolossales Netzwerk an Organisationen. Er unterstützt unzählige Medien ebenso wie ein globales Kartell von selbsternannten Faktenprüfungsgruppen. Seine Gruppe ist auch der größte Sponsor von Correctiv. (Auf die Faktenchecks von Correktiv.org werden wir zurückkommen). Zu den bekannteren Medienportalen im Besitz Omidyars zählt die Nachrichten-Website The Intercept. Aus der Omidyar-Gruppe hervorgegangen sind unter anderem die Ulupono Initiative, Humanity United, Hopelab Luminate, Omidyar Network, First Look Media sowie auch der Democracy Fund. Yasha Levine, US-kritischer Journalist und Autor des Buches "Surveillance Valley: The Secret History of the Internet", schrieb über Omidyar:
In der heutigen Auseinandersetzung um die Verträge des Silicon Valley mit dem US-Militär und den Geheimdiensten konzentriert man sich auf Facebook, Google und Amazon - während Pierre Omidyars eBay völlig ignoriert wurde. Aber Omidyar war an vorderster Front dabei, den globalen privat-öffentlichen Überwachungsapparat des Silicon Valley aufzubauen. In den letzten zehn Jahren hat Omidyar still und leise daran gearbeitet, das privatisierte Überwachungsstaatsmodell von eBay über den Online-Verkauf hinaus auf Wahlen, Medien, Transport, Bildung, Finanzen und die Regierungsverwaltung auszudehnen. Sein Vehikel dafür: die Omidyar-Gruppe, ein Investitionsvehikel, das Hunderte von Start-ups, Unternehmen und gemeinnützige Organisationen auf der ganzen Welt finanziert.
Yasha Levine
Auffallend an Omidyars Netzwerk ist eine konstante Nähe zur US-Regierung. In einer ausführlichen Recherche über den Ebay-Gründer beschrieben die Investigativjournalisten Max Blumenthal, Gründer und Chefredaktor der Online-Plattform "The Grayzone", und Alexander Rubinstein, der ebenfalls für "The Grayzone" sowie gelegentlich für den russischen Staatssender RT und für Sputnik arbeitet, diese Verbindungen wie folgt: "Pierre Omidyar arbeitete eng mit vielen von den USA finanzierten Organisationen zusammen, welche die Rolle der CIA aus dem Kalten Krieg übernahmen. Sie unterstützen oppositionelle Medien und die Zivilgesellschaft in Ländern, in denen ein Regimewechsel beabsichtigt ist."
Hierzu nur wenige Beispiele: Omidyars Democracy Fund finanzierte mitunter die bereits erwähnte Allianz zur Sicherung der Demokratie des German Marshall Funds und das antirussische Projekt Tool Hamilton 68. Omidyars Geld führte des Weiteren zur Gründung des Onlinemagazins The Bulwark. Gegründet wurde das Portal durch den Neokonservativen Bill Kristol. Auch arbeitet Omidyar eng mit Organisationen wie der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) sowie auch mit dem NED zusammen.
In den Worten Max Blumenthals und Alexander Rubinsteins fungiert Omidyar als Vermittler für Projekte, die Informationskampagnen in Ländern auf der ganzen Welt führen. So hat Omidyar mitgeholfen, ein Netzwerk von oppositionellen Jugendaktivisten und Bloggern in Simbabwe aufzubauen; und auf den Philippinen hat er in eine oppositionelle Nachrichtenseite investiert. Beides Länder, in denen die Demokratie mit Füßen getreten wird.
Google und Co. sind nicht über jeden Verdacht erhaben
Eine wichtige Rolle im Kampf um die Deutungshoheit spielen auch die Tech-Giganten Google und Facebook. Beide fallen ebenso durch ihre Nähe zur US-Regierung auf. Der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt wurde 2016 vom US-Verteidigungsminister zum Vorsitzenden eines Pentagon-Beraterkreises ernannt. Die Position hat er bis heute inne. Sein langjähriger enger Vertrauter Jared Cohen, Chef von Googles Ideenschmiede "Jigsaw", arbeitete von 2006 bis 2010 im Planungsstab des US-Außenministeriums. Erst unter Condoleezza Rice, dann unter Hillary Clinton.
2015 gründete Google in Zusammenarbeit mit Facebook, Twitter, Soros’ Open Society Foundation, der Knight Foundation und weiteren die Faktenprüfer Plattform First Draft sowie auch Google News Lab. Dabei spielte der Tech-Gigant selbst im Rahmen des Wahlkampfes zwischen Donald Trump und Hillary Clinton eine Rolle. Analysen über Suchresultate auf Google zeigen, dass die generierten Ergebnisse zwischen Mai und November 2016 deutlich Hillary Clinton favorisierten.
Facebook wiederum arbeitet seit 2017 mit den Faktenprüfern zusammen. Dies, nachdem Mark Zuckerbergs Firma im Zuge des US-Wahlkampfes 2016 zunehmend unter Druck geraten war. Der Vorwurf lautete: Über das soziale Netzwerk würden Lügen und Desinformationen verbreitet. Im Kampf gegen Fake-News kooperiert Facebook eng mit westlichen Regierungen sowie auch mit der Denkfabrik Atlantic Council. Diese ist Teil des US-Machtapparats. Die Denkfabrik hat eigens zur Bekämpfung von Falschinformationen und russischer Propaganda ein "Digital Forensic Research Lab" (DFRL) entwickelt.
Besonderen Fokus richtet das Labor auf Dissidenten im Internet, die Kritik an den USA äußern. Im Schussfeld stehen besonders solche aus Staaten, deren Regierungen auf der Abschussliste der US-Regierung stehen - beispielsweise aus Iran oder Venezuela. In Zusammenarbeit mit dem Lab hat Facebook - genauso wie Twitter - regelmäßig Konten von Kritikern gelöscht. Facebook gehört auch zu den Sponsoren der "Integrity Initiative". Eine Kampagne, an der westliche Geheimdienste involviert sind und die mittels psychologischer Kriegsführung Stimmung gegen Russland machen. Offiziell wird russische Desinformation bekämpft.
Vom Poynter Institute bis zu den Tech-Giganten Google und Facebook - haben die Wächter über die "richtigen" Informationen etwas Gemeinsames: Sie zeichnen sich allesamt durch eine selektive Wahrnehmung sowie eine Nähe zur US-Regierung aus. Bei der Bekämpfung von Falschinformationen, die zweifellos omnipräsent sind, ist das nicht hilfreich. Schließlich sind diese nicht allein ein "russisches" Phänomen. Propaganda kennt keine nationalen Grenzen. Alle mächtigen Staaten nutzen Techniken der Manipulation. Auch die USA verbreiteten in der Vergangenheit viele gezielte Halbwahrheiten und auch Fake News und sie tun es noch heute - häufig professioneller und raffinierter als Russland oder China.
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