Wer in der Demokratie schläft…
Die USA brauchen jetzt einen politischen Marshallplan. Kommentar
Trump bekam bei der Wahl am 3. November 2020 74 Millionen Stimmen, nochmal acht Millionen mehr als vier Jahre zuvor. Er hatte schon vorher gehetzt und gehasst. Doch jetzt der Putschversuch, ein Angriff auf die Demokratie. Das ist die Saat, die der Faschist im Weißen Haus gesät hat. Seit dem 6. Januar 2021 kann man Trump einen Faschisten nennen: fremdenfeindlich, frauenverachtend, gewaltbereit und Demokratie verhöhnend. Alle Andersdenkenden sind Feinde, die mit allen Mitteln bekämpft werden müssen.
Dieser 6. Januar wird in die Geschichte eingehen. Vor dem Kapitol in Washington geschah ein "Kapitolverbrechen" (Süddeutsche Zeitung). Tausende Trump-Anhänger - meist weiße Männer - wiederholten alle Lügen "ihres" Präsidenten: "gestohlener Wahlsieg", "der radikale Linke Joe Biden", "Demokraten sind Verräter".
Schließlich stürmten viele von ihnen das Kongressgebäude und unterbrachen die Sitzung der Abgeordneten, auf welcher der Wahlsieg von Joe Biden bestätigt werden sollte. Dieser Anschlag auf die Demokratie wurde sofort nach der Novemberwahl vorbereitet.
Der "Rettet Amerika Marsch" wurde finanziert mit den 200 Millionen Dollar an Spendengeldern, "um Trump mit allen erdenklichen und unerdenklichen Mitteln doch noch zur Fortsetzung seiner Präsidentschaft zu verhelfen" (TAZ).
Zwei Tage zuvor hatte Trump angekündigt, vor seinen Anhängern zu sprechen. Sie haben dann gerufen "Kämpft für Trump", "Kämpft für Trump", "Kämpft für Trump". Umso unverständlicher, dass die Polizei auf diesen Sturm offenbar nicht genügend vorbereitet war.
Nun muss derselbe Trump mit einem Amtsenthebungsverfahren rechnen. Nur vorsichtig distanzierte er sich von den Gewalttätern und rief ihnen noch nach: "Wir lieben euch. Ihr seid etwas ganz Besonderes". Seine Demonstration kostete fünf Menschen das Leben. Doch das scheint diesem Egomanen so schnuppe zu sein wie der Tod von über 200.000 Menschen, die bislang in den USA im Zusammenhang mit Corona gestorben sind. Es sind schon Politiker aus geringerem Anlass zurückgetreten.
Und nun? Amerika wohin?
Viele rechte Ideologen reagieren mit Stolz und Begeisterung auf die Ereignisse in Washington. Im Netz kursieren bereits Vorschläge wie man es beim nächsten Sturm nicht nur in Washington, sondern auch in Berlin besser machen sollte. Beide Ereignisse, in Berlin im Herbst 2020 und in Washington am 6. Januar 2021, zeigen wie zerbrechlich die Demokratie ist, wenn viele Bürger nicht mehr an sie glauben. Die Führer in Moskau, Peking, Nordkorea, Istanbul oder Budapest werden sich freuen.
Am selben 6. Januar 2021 unterstützten ein Drittel aller republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus Trumps Putschversuch und widersprachen noch immer Bidens Sieg. Des Präsidenten Anschlag auf die Demokratie konnte noch mal abgewehrt werden, doch seine eigene Partei hat er für lange Zeit zerstört. Die Lehre für alle Demokraten: Wer in der Demokratie schläft, kann in einer Diktatur aufwachen. Die USA brauchen jetzt einen politischen Marshallplan.
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