Wer legte die Moskauer Autobombe – und warum?

Seite 2: Die zweite Theorie: Trittbrettfahrer

Dabei soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass es zum Attentat noch ein Bekennervideo einer "Nationalen Republikanischen Armee" gibt, einer sich so bezeichnenden militanten russischen Widerstandsgruppe.

Diese besitzt nach dessen Auskunft Kontakt zum bekannten exilrussischen Oppositionellen und früheren Duma-Abgeordneten Ilja Ponomarjow. Nachdem die Behörden eindeutig eine ukrainische Spur favorisieren, gab dieser sogar der lettischen Onlinezeitung Meduza ein Interview, um die Täterschaft der Oppositionellen zu bekräftigen.

Ponomarjow gab dabei an, die Tatverdächtige Natalia Wowk sei nicht in die Tat involviert. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass hier eine kleine und bisher nicht bedeutend in Erscheinung getretene Gruppe gewaltbereiter Putin-Gegner als Trittbrettfahrer einer Tat Dritter, noch Unbekannter sind.

Vor einer Verhaftung oder Äußerung von Natalja Wowk, die angesichts ihres nun estnischen Aufenthalts in naher Zeit unwahrscheinlich ist, wird die Angelegenheit kaum geklärt werden können.

Zum Mord an Dugina, die vor dem Anschlag nicht annähernd so prominent war wie ihr Vater, gibt es in Russland bis zur Staatsspitze bereits zahlreiche Kommentare. Putin selbst verlieh der 29-Jährigen posthum einen Tapferkeitsorden und bezeichnete sie in einer offiziellen Stellungnahme als "kluge talentierte Person mit echtem russischem Herzen".

Zahlreiche prominente Kommentare bis hin zu Putin

Außenamtssprecherin Marija Sacharowa sprach im gewohnten scharfen Ton von "ukrainischem Staatsterrorismus", sollte sich die Spur ins gegnerische Nachbarland bestätigen. Interessant waren auch Stimmen abseits von der russischen Regierungsmeinung. Der oppositionelle Theologe Andej Kurajew sah die getötete Daria Dugina als potentielle Marine Le Pen, die anders als ihr Vater auch beim normalen russischen Volk Sympathien für dessen Ideologien habe sammeln können.

Der frühere oppositionelle Duma-Abgeordnete Dmitri Gudkow sprach davon, dass "faschistische Intellektuelle" in Russland die Büchse der Pandora geöffnet hätten und der Krieg, den sie begannen, nun zu ihnen zurückgekommen sei. Er zweifelt an der Version der Behörden, die Spur zum Anschlag führe in die Ukraine.

Das Motiv, der von Russland in der Ukraine entfesselte Krieg sei mit dem Anschlag nach Moskau zurückgekehrt, taucht in zahlreichen oppositionsnahen Stellungnahmen aus Russland auf, wobei sehr viele der bekannten Akteure aus diesem Milieu seit dem Kriegsbeginn in benachbarte Staaten flüchten mussten.

Dagegen geben sich regierungsnahe Strategen angesichts des Anschlags aufgebracht, entsetzt und voll des Lobes der Verstorbenen, die ihre radikalen Thesen und die ihres Vaters übrigens in den letzten Jahren einige Male im russischen Staats-TV und der monarchistischen russischen Zeitung Zargrad zum Besten gegeben hat.


Redaktionelle Anmerkung: Mark Galeotti wurde in einer früheren Version dieses Textes als US-amerikanischer Russland-Experte bezeichnet, er ist jedoch britischer Staatsbürger. In der Übersetzung des Zitats von Ponomarjow hieß es fälschlicherweise, er habe angegeben, Wowk persönlich gekannt zu haben. Das ist durch den Originaltext nicht gedeckt und wurde ebenfalls verbessert.