Wer lügt? Warren oder Sanders?
Bei der letzten Präsidentschaftsdebatte der Demokraten vor Beginn der Vorwahlen stritten die Zweit- und Drittplatzieren
Gestern veranstaltete der Sender CNN die letzte Fernsehdebatte der demokratischen Präsidentschaftsbewerber, bevor am Montag den 3. Februar in Iowa die Vorwahlen beginnen. Dabei gab es keinen klaren Sieger, aber eine Auseinandersetzung zwischen den beiden in landesweiten Umfragen meist zweit- und drittplatzierten Bewerbern Bernie Sanders und Elizabeth Warren.
Warren hatte kurz vor der Debatte behauptet, Sanders habe ihr 2018 offenbart, dass er glaube, eine Frau könne die anstehende Präsidentschaftswahl nicht gewinnen. Sanders bestritt diese angeblich unter vier Augen gefallene Äußerung sowohl vor als während der Debatte entschieden. "Jeder", so Sanders, der ihn kenne, wisse, "dass es unvorstellbar ist, dass ich denken würde, eine Frau könne nicht Präsidentin der Vereinigten Staaten sein". Dazu solle man sich einfach YouTube-Videos ansehen, auf denen er bereits vor 30 Jahren von dieser Option spreche.
Hashtag "#LyingLiz"
Dem widersprach Warren indirekt, indem sie meinte, "Bernie" sei ihr "Freund", und sie sei "nicht hier, um mich mit ihm zu streiten". Aber da die Frage "nun einmal aufgeworfen worden" sei, solle man auch darüber sprechen und dabei berücksichtigen, dass die vier männlichen Bewerber in der Diskussionsrunde - Joseph Biden, Bernie Sanders, Peter Buttigieg und Tom Steyer - zusammengerechnet "zehn Wahlen verloren" hätten, aber die beiden Frauen - also sie selbst und die Ferner-liefen-Bewerberin Amy Klobuchar - noch keine einzige. Wie sie zu dieser Zahl kam, und welche Wahlen sie dazu heranzog, ließ sie offen, weshalb der Eindruck entstand, dass sie mit dieser Vermengung die Misserfolge des 1988 erstmals in ein Präsidentschaftsrennen eingestiegenen Biden ein wenig auf Sanders abfärben lassen möchte, der als Unabhängiger ohne Parteiunterstützung Bürgermeister-, Repräsentantenhaus und Senatswahlsiege errang, die ihm vorher niemand zugetraut hatte.
Danach wurde die Frage, ob nun Warren oder Sanders die Unwahrheit sagten, zwar nicht mehr von den Bewerbern im Studio, aber dafür um so mehr auf Twitter und in anderen Sozialen Medien diskutiert. Die weitaus meisten Teilnehmer an diesen Debatten scheinen Sanders mehr Glauben zu schenken als Warren, für die sich der Hashtag "#LyingLiz" etablierte. Ein Grund dafür ist Warrens Vergangenheit, in der sie unter anderem eine indianische Herkunft behauptet und mit ihr Karriere machte, bis ein Gentest offenbarte, dass ihr indianischer Herkunftsanteil kleiner ist als der eines durchschnittlichen Weißen in den USA (vgl. 1/64 bis 1/1.024 Indianerin).
Kein Handschlag
Nach der Debatte unterhielten sich Sanders und Warren noch kurz ohne Mikrofone, aber nicht ganz außerhalb des Sichtfeldes der Kameras. Die fingen Bilder ein, auf denen Sanders Warren eine Hand zu reichen scheint, die sie jedoch ausschlägt. Auch diese Bilder wirkten in Sozialen Medien eher gegen als für Warren. "Seid nicht zu streng mit ihr", meinte beispielsweise ein James Pretorius, der sich spöttisch fragte, ob es vielleicht an kulturellen Tabus gelegen haben könnte, die es "Cherokee-Frauen" verbieten, "weißen Männern" die Hand zu schütteln.
Der Streit zwischen Warren und Sanders könnte zufällig entstanden sein. Möglich ist aber auch, dass Warren in Sanders derzeit das lohnendste Angriffsziel sieht, weil er in den landesweiten Umfragen direkt vor ihr auf Platz 2 liegt und weil die Nummer 1, Joseph Biden, noch den Weg durch das Ukraineaffäre-Minenfeld vor sich hat. Die Auseinandersetzung zwischen seinen beiden engsten Verfolgern nutzte der 77-Jährige gestern dazu, sich als Kandidat zu präsentieren, der "alle Gruppen der [demokratischen] Partei repräsentieren" und sie "wieder vereinen" könne. Er, so Biden, habe nämlich "unter allen hier im Rennen die breiteste Wählerkoalition hinter [sich] vereint".
Iowa vs. Super Tuesday
Der Rest der Teilnehmer - Klobuchar, Buttigieg und Steyer - blieb gestern ähnlich farblos wie bereits in den Debatten davor. Aber während Steyer und Klobuchar in der aktuellen Umfrageaggregation für die Caucus-Vorwahl in Iowa mit Werten zwischen einem und 6,3 Prozent als Außenseiter gelten, liegt Buttigieg mit 20 Prozent Stimmenanteil im Hawkeye State ganze 0,5 Punkte hinter dem dort führenden Sanders und 0,7 Punkte vor dem landesweiten Umfrageführer Joseph Biden.
Das hat auch damit zu tun, dass sich der homosexuelle Bürgermeister in seinem Wahlkampf sehr auf Iowa konzentrierte. Gewinnt ein Bewerber diese erste Vorwahl, kann ihm das nämlich so viel Medienaufmerksamkeit bescheren, dass ihm der daraus gewonnene Schwung auch für Wahlen in Bundesstaaten reicht, in denen er nicht so viel Wahlkampf gemacht hat.
Eine ganz andere Strategie fährt der Milliardär Michael Bloomberg, der gestern nicht an der Fernsehdebatte teilnahm. Er konzentriert sich anscheinend auf den "Super Tuesday" am 3. März, an dem in Alabama, Arkansas, Kalifornien, Colorado, Maine, Massachusetts, Minnesota, North Carolina, Oklahoma, Tennessee, Texas, Utah, Vermont und Virginia gewählt wird (vgl. Sanders "angewidert" von Bloomberg).
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