Werden die Drusen die letzten Opfer des IS in Syrien sein?
Seite 2: Die Drusen und die "syrische Revolte"
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Zu Beginn der syrischen Aufstände im Frühjahr 2011 blieb es in diesem Gebiet im Vergleich zu anderen Regionen sehr ruhig. Kam es dennoch zu Demonstrationen, dann waren diese meist sehr klein und blieben durchgehend friedlich. Sie wurden nicht von der breiten Masse der Drusen getragen, sondern nur von wenigen, meist Intellektuellen.
Das heißt aber nicht, dass keine Drusen in der Opposition organisiert sind. Im Syrischen Nationalrat und im Nationalen Koordinierungskomitee, den zwei großen Vereinigungen von Regimegegnern, sind durchaus Drusen in wichtigen Funktionen vertreten.
Die Gründe, warum Drusen nicht aktiver gegen das Regime von Assad aufbegehren, sind vielfältig. Die Drusen sind seit der Entstehung ihrer Glaubensgemeinschaft um 1010 immer wieder Opfer von Verfolgungen gewesen. Ihre Religion hat sich zwar aus dem Islam entwickelt, sie werden jedoch vor allem von Sunniten nicht als Muslime angesehen.
Die Seelenwanderung - also der Glaube, dass die Seele eines Menschen nach dem Tod sofort in ein Neugeborenes wandert - ist ein Beispiel für Vorstellungen in der drusischen Religion, die nicht mit dem Islam vereinbar sind.
Trotz gemeinsamer Wurzeln gelten Drusen unter den radikalen Muslimen deshalb als Abtrünnige. Das Drusentum entwickelte sich zu einer "Geheimreligion", deren religiöse Riten nur Mitgliedern bekannt sind. Die Drusen selbst bezeichnen sich als "al-Muwaḥḥidun", also Monotheisten, die an die Einzigartigkeit von Gott glauben.
Es ist ein arabischer Begriff, der verschiedenen muslimischen Gruppierungen zugeschrieben wird. Eine andere Bezeichnung, die sich die Drusen selbst zuschreiben, ist "Bani Maaroof": Es bedeutet, dass sie Nachfahren der "Menschen von göttlichen Taten" sind. Im heutigen Gebrauch wird es als "Menschen der guten Taten" verwendet. Aufgrund von Verfolgungen zogen sie sich in schwer zugängliche Bergregionen wie das Drusengebirge oder das Chouf-Gebirge im Libanon zurück, wo sie recht abgeschottet waren.
Unter der Herrschaft der Baath-Partei in Syrien konnten die Drusen relativ frei leben, da sie wie die Alawiten eine Minderheit sind. Das ließ sie zwar nicht zu glühenden Anhängern Assads werden, aber auch nicht zu ausgesprochenen Gegnern seiner Herrschaft. Heute sind jedoch wegen Armut und Korruption in der Region viele Drusen unzufrieden mit dem Regime.
Es gab und gibt nicht nur politische Gründe für die Zurückhaltung der Drusen bei den oppositionellen Protestwellen, sondern auch praktische. In anderen Städten waren die Ausgangspunkte für Demonstrationen meist Moscheen, beispielsweise nach dem Freitagsgebet. Denn gemeinsames Beten kann aus religiösen Gründen im Gegensatz zu öffentlichen Versammlungen keiner verbieten.
In den Siedlungsgebieten der Drusen gibt es normalerweise keine Moscheen und damit auch kaum Orte, an denen sich große Protestmärsche bilden könnten. Sicherheitskräfte konnten die kleineren Proteste leicht auflösen. Der Protest im Land wurde und wird zudem vor allem von jungen Menschen getragen. Aufgrund hoher Arbeitslosigkeit zogen jedoch viele junge Drusen aus ihren angestammten Gebieten weg, nur wenige blieben.
Zu Anfang des Jahres 2012 hat sich die Sichtweise vieler Drusen verändert: Sie sprachen offener, kritisierten das Regime oder unterstützten die Opposition finanziell. Einer der führenden Drusen, der Libanese Walid Jumblatt, rief seine Religionsgemeinschaft in Syrien dazu auf, sich gegen das Regime zu erheben.
Außerdem kritisierte er Russland für sein Veto gegen die Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat. Auf einer Kundgebung im Februar 2012 in Beirut sagte Jumblatt: "Der syrische Volksaufstand wird siegen."
As-Suwaida - Das Zentrum der Drusen in Syrien
As-Suwaida (oder Suweida) hat etwa 170.000 Einwohner und ist die Hauptstadt der Provinz as-Suwaida im Südwesten von Syrien und liegt etwa 100 Kilometer von Damaskus entfernt. Sie ist das Siedlungszentrum der syrischen Drusen. As-Suwaida liegt auf etwa 1080 Meter Höhe in der Hauran-Region am Westrand des Dschebel ad-Duruz (Drusengebirge).
Die Bezeichnung "Drusengebirge" wurde 1937 arabisiert und in "Arabergebirge" umgewandelt. Die wichtigen Kleinstädte der Provinz sind Schahba (15 Kilometer von As-Suwaida das antike Philippopolis) und die römische Gründung Schaqqa (25 Kilometer von As-Suwaida). As-Suwaida grenzt an die syrischen Provinzen Daraa und Damaskus sowie an Jordanien.
Die Drusen sind in verschiedenen Ländern ansässig: in Syrien soll es 300.000 - 700.000 Drusen geben, ca. 280.000 im Libanon, 133.000 in Israel sowie eine sehr geringe Zahl in Jordanien. Ob die internationale Gemeinschaft, insbesondere das Regime in Damaskus, Russland, der Iran, Israel, die USA und Jordanien die Drusen besser schützen werden, bleibt offen.
Die Drusen weltweit werden aber nicht locker lassen, bis die drusischen Frauen und Männer aus der IS-Geiselhaft befreit werden. Nach den Angriffen von 25. Juli 2018 sind die Drusen wach geschüttelt worden.
Sie werden einen besseren Schutz der Bevölkerung in der Provinz as-Suwaida fordern. Möglicherwiese werden auch andere Forderungen wie die Anerkennung der drusischen Glaubensgemeinschaft in Syrien und mehr autonome Zuständigkeiten für die Provinz as-Suwaida stärker auf die Tagesordnung kommen. In Jedem Fall werden sich die Drusen von radikalen Islamisten nicht abschlachten lassen.
Dr. Kamal Sido ist Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)