Wettlauf zum Mars

Seite 3: Sind wir allein?

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Das Vordringen in den Weltraum ist aber auch stets von einer Ungewissheit begleitet: Sind wir die Einzigen da draußen? Die Suche nach Leben hat dabei seit jeher einen der wichtigsten Aspekte menschlicher Hinwendung zu den Sternen ausgemacht und die Frage, ob Lebensformen, noch dazu intelligente, auch jenseits der Erde entstanden sein könnten, wird bereits seit der Antike verhandelt20.

Auch die gegenwärtigen Forschungsprogramme mit Blick Richtung Kosmos widmen sich vor allem den Themen der Habitabilität anderer Himmelskörper und der Suche nach extraterrestrischen Lebenszeichen. Auch wenn die Chancen dafür äußerst unterschiedlich eingeschätzt werden (siehe Fermi- Paradoxon und Drake-Formel) ist die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz (SETI) doch ein institutionalisiertes, weitgehend anerkanntes und gefördertes Unterfangen.

Erst Mitte des letzten Jahres wurde die extensive Ausweitung der radiospektroskopischen Suche nach außerirdischen Signalen durch Yuri Milner und sein Projekt 'Breakthrough Listen' bekannt gegeben. Durch eine 100 Mio. Dollar Investition werden mit neuer Methode in den nächsten zehn Jahren die eine Millionen erdnächsten Sterne um ein 50faches genauer 'abgehört' sowie eine Ausweitung der Suche auf das optische Spektrum erfolgen. Auch bei der von NASA durchgeführten Kepler-Mission wird nach potentiellem Leben auf anderen Himmelskörpern geforscht. So können mittels Helligkeitsdifferenzen beim Transit von Exoplaneten um ihr Zentralgestirn auf die jeweilige Größe, Struktur und den Abstand zu ihrer Sonne geschlossen werden.

Künstlerische Darstellung eines hypothetitischen bewohnbaren Planeten mit zwei Monden im Orbit eines Roten Zwergs. Bild: D. Aguilar/Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics / NASA

Die gefundenen Planeten, welche in der habitablen Zone angesiedelt sind, also in einem Bereich in welchem flüssiges Wasser existieren könnte und somit erdähnliches Leben möglich wäre, nimmt dabei ständig zu. Und auch der Mars steht seit dem Beginn seiner Erforschung unter dem Verdacht, Leben zu beherbergen oder einst beherbergt zu haben. So untersuchen die unbemannten Marssonden die atmosphärischen, geologischen und biologischen Bedingungen auf dem roten Planeten und prüfen die Bedingungen für marsianisches Leben, wobei aber gleichzeitig auch die Existenzbedingungen für potentiell menschliches Leben aufgezeigt werden.

Der astronautischen Abnabelung vom Heimatplaneten geht eine geistige voraus

Doch was dem Aufbruch ins All unmittelbar vorausgeht, ist immer die Vorstellung davon. So hat sich der Mensch schon seit seiner Bewusstwerdung mit dem Himmel über sich beschäftigt und die Gestirne mit Leben erfüllt. Je nachdem welche Bilder dabei erschaffen wurden, war der (erst ideelle dann praktische) Zugang zu den Sternen unterschiedlich wahrscheinlich.21

Der astronautischen Abnabelung von seinem Heimatplaneten geht eine geistige Abnabelung voraus. Dabei entspringt die Weltraumfahrt des 20. Jhd. auch den diskursiven Ausbrüchen aus dem irdischen Schwerefeld, welche sich in fiktionaler Weise in Literatur und Film zum Ende des 19. Jhd. manifestierten. Frühe Autoren des phantastischen Genres wie Jules Verne, Kurd Laßwitz, H.G. Wells und Georges Méliès schufen gedankliche Blaupausen für tatsächliche Raumfahrtingenieure wie Konstantin E. Ciolkovskij, Robert Goddard, Hermann Oberth und Wernher von Braun. Folglich war "die große soziale Bewegung, welche Weltraumraketen hervorbrachte, durch Science-Fiktion-Klassiker inspiriert" (Bainbridge 2015: 155).

Auch in der Gegenwart prägen die medialen Erzeugnisse des Sci-Fi-Genres Traumbilder einer interplanetaren Zukunft der Menschheit, welche nur auf die Realisierung durch tatsächliche Raumfahrtprogramme warten. Bücher, wie die Mars- Trilogie von Kim Stanley Robinson (1993-1996), Filme, wie Gravity (2013), Interstellar (2014) und The Martian (2015) sowie Spiele, wie Space Invaders (1978), Eve Online (2003) und Mass Effect (2007) experimentieren mit Zukunftsszenarien, in denen die Menschheit die Erde verlassen hat oder geben einen Vorgeschmack auf extraterrestrische Welten, deren Bewohner und ihr Konfliktpotential beim Zusammentreffen mit der menschlichen Spezies.

Ridley Scotts "The Martian". Bild: Twentieth Century Fox

Die phantastischen Produkte geben dabei Einblicke in die Hoffnungen, Wünsche, Ängste und Vorurteile gegenüber einem menschlichen Aufbruch ins All und den Erfahrungen, die ihn dort erwarten. Und nicht selten erweisen sich diese Ideen menschlichen Kontakts mit dem "maximal Fremden"22 als tragische self-fulfilling-prophecy, wie die interkulturellen Kontakte in der irdischen Vergangenheit aufgezeigt haben (z.B. das Zusammentreffen zwischen europäischen Siedlern und der ursprünglichen amerikanischen Bevölkerung23).

Der Aufbruch ins All kann aber auch aus der menschlichen Fähigkeit der Verneinung seiner natürlichen Grundlagen resultieren. So strebt der Mensch strukturell nach Selbstüberwindung, Ablehnung des Status quo und Negierung der ihn beschränkender Faktoren. In der Absage an die rein irdische Existenz zeigt sich auch die Neigung, die Sicherheit gewohnter Daseinsstrukturen aufzugeben und der Drang, die eigenen (planetaren) Grenzen stets neu zu ziehen.

Das Riskieren der eigenen Existenz, das Leben selbst aufs Spiel zu setzen, ist eine der grundlegendsten Differenzen zu den anderen Lebensformen des Planeten. Und so kann nur der homo sapiens, in dem er sein irdisches Sein in die Waagschale wirft, sich zu einem kosmischen Wesen selbst-überwinden. In der Raumfahrt manifestiert sich die Veranlagung, selbst grundlegendste Gewissheiten zu hinterfragen, Mensch und Erde zur Disposition zu stellen und sich selbst im a-topischen Weltraum neu zu definieren.24

Die Besiedlung des Mars wäre so Ausdruck des menschlichen Wesens, welches sich stets neu erfindet, nie mit dem Erreichten zufrieden gibt und dessen Rastlosigkeit sich nur in den unendlichen Weiten des Alls verwirklichen lässt. Doch wenn dies zum Preis eines zerstörten Heimatplaneten geschähe, welcher ausgebeutet, verseucht und im ökologischen Chaos zurückgelassen würde; als auch dem weniger privilegierten Teil der Menschheit aufgrund von militärischen Konflikten, existenzbedrohender Armut und Hunger sowie systematischer Ausgrenzung der Zugang zu den Sternen strukturell verwehrt bliebe, dann wäre dieser kosmische Schritt keiner zu einem höheren Dasein, sondern würde nur eine tragische Selbsterniedrigung der menschlichen Spezies bedeuten.

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