Wie Kriege Volkswirtschaften zerstören und wer profitiert
Bewaffnete Konflikte schmälern global den gesellschaftlichen Wohlstand. Staaten, die Kriege in weit entfernten Ländern anzetteln, können aber durchaus profitieren
Sanktionen, und immer weitere Sanktionen. Russland wird wegen seines Einmarschs in der Ukraine mit wirtschaftlichen Strafmaßnahmen überzogen. Erst am Montagabend teilte die französische Regierung mit, sie sei zu weiteren Sanktionen bereit. Zuvor hatten die Regierungschefs von Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien, Polen, Rumänien, den USA, Kanada und Japan per Videoschaltung miteinander konferiert.
In den kommenden Tagen könnten die neuen Sanktionen verhängt werden. Aus dem Elysée-Palast hieß es, es bestehe die "Dringlichkeit, die Kosten des Krieges" für Russlands Staatschef Wladimir Putin zu erhöhen und sein "Kalkül zu verändern". Der Vizepräsident der EU-Kommission Josep Borrell ging in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Schritt weiter. Er sagte, mit den Sanktionen solle der Schlange das Genick gebrochen werden.
In dem Konflikt, der in der Ukraine ausgetragen wird, zeigt sich anschaulich: Krieg zerstört Wohlstand. Aber das lässt sich nicht verallgemeinern. Denn es gibt auch Staaten, die von gewalttätigen Auseinandersetzungen profitieren. Das schrieben kürzlich Wissenschaftler des International Security and Development Center (ISDC) in einer Studie, die im renommierten Journal for Peace Research veröffentlicht wurde.
Das zentrale Ergebnis der Studie lautet: Hätte es seit 1970 keine gewaltsamen Konflikte mehr gegeben, dann wäre die Welt im Jahr 2014 um zwölf Prozent wohlhabender gewesen. Dem Papier zufolge sind die globalen Kosten von Kriegen und anderen Gewaltkonflikten in etwa vergleichbar mit den wirtschaftlichen Folgen von Klimawandel, Landdegradation, Alkoholkonsum oder Malaria.
Und die Kosten der Konflikte sind ungleich verteilt. Entwicklungsländer waren demnach am stärksten betroffen, während reiche Länder von den Kriegen profitierten. Explizit als Gewinner genannt werden die entwickelten Volkswirtschaften in Nordamerika, Europa und Ozeanien.
Denn Länder, die in weit entfernten Regionen Krieg führen oder unterstützen, "profitieren von dem keynesianischen Multiplikator ihrer inländischen Militärausgaben". Im Gegenzug bürden sie den entfernten Ländern die Kosten der Zerstörungen auf.
Aufgeschlüsselt nach Regionen hätte Asien am meisten davon profitiert, wenn es zwischen 1970 und 2014 keine gewaltsamen Konflikte gegeben hätte, während Nordamerika in diesem Zeitraum 0,9 Billionen US-Dollar Wirtschaftsleistung verloren hätte. In sieben Ländern (darunter Irak, Afghanistan, Sudan, Demokratische Republik Kongo und Myanmar) hätte sich das Gesamt-BIP ohne gewaltsame Konflikte mehr als verdoppelt.
Aber nicht nur der Krieg selbst, hindert die Wirtschaft am Wachsen, sondern auch die zivilen Konflikte in den ersten Jahren des Friedens. Die Autoren stellten fest, dass ein gewaltsamer Konflikt noch bis zu vier Jahre über sein Ende hinaus nachwirkt und das wirtschaftliche Wachstum bremst. Mit dem Frieden gehe es zwar auch wieder wirtschaftlich bergauf, doch die "akkumulierte BIP-Lücke" bleibe für die meisten Länder negativ. Besonders, wenn sie einen Bürgerkrieg durchlitten haben.
Zwar könnte der wirtschaftliche Wiederaufbau nach einem Krieg helfen, den verlorenen Wohlstand wiederzuerlangen. Aber das ist bloße Theorie. In der Praxis, so schreiben die ISDC-Forscher seien viele vom Krieg betroffene Länder sich selbst überlassen und lebten "unter einem wachstumsmindernden Schatten vergangener Kriege". Deshalb sollte das erste Ziel der Politik sein, Kriege zu verhindern.
Sanktionen dürften zum Teil auf die Urheber zurückfallen
Im aktuellen Konflikt treffen die wirtschaftlichen Schäden aber nicht nur die Ukraine und Russland. Durch die wirtschaftliche Verflechtung mit Russland und einer deutlichen Abhängigkeit der Europäischen Union von Rohstoffen aus Russland, dürften die Sanktionen auf die Urheber zurückfallen.
Die Gaspreise steigen, an der Tankstelle macht sich der Konflikt im Portemonnaie bemerkbar. Auch die Preise für Weizen und Düngemittel gingen durch die Decke.
Nach dem Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetz Swift könnte der Handel mit Russland sogar ganz zum Erliegen kommen. Und das dürfte ungeahnte Folgen für die europäische Wirtschaft haben – und für die Bürger, denn für sie wird das Leben durch die steigende Inflation nicht nur teurer, sie werden auch um ihre Ersparnisse gebracht.
Es könnte auch so weit kommen, dass viele Deutsche ihren Urlaub nicht gewohnter Weise planen können. Noch ist nicht ganz klar, ob die Sanktionen den Reisekonzern TUI treffen. Mit 34 Prozent ist der Russe Alexej Mordaschow der größte Anteilseigner von TUI – und Mordaschow zählt zu den Personen aus Putins Umfeld, die von Sanktionen betroffen sind. Konzernchef Fritz Joussen erklärte zwar, dass man davon ausgehe, dass sich die Sanktionen gegen den Großaktionär nicht nachhaltig auf das Unternehmen auswirken. Sicher sein, kann er sich dabei aber nicht.
Negative wirtschaftliche Folgen dürften aber auch damit einher gehen, dass die Bundesregierung nun offiziell den Weg des Militarismus eingeschlagen hat. 100 Milliarden Euro soll die Bundeswehr aus einem Sonderfonds erhalten und darüber hinaus soll der Rüstungshaushalt deutlich angehoben werden. Dass "Militärausgaben Vorrang vor anderen, produktiveren öffentlichen Ausgaben wie Gesundheit und Bildung haben", wirkt sich nach Meinung der ISDC-Forscher negativ auf die Wirtschaftsleitung aus – und damit auf den gesellschaftlichen Wohlstand..
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