Wie der Afghanistan-Irrglaube die USA beim Ukraine-Krieg verblendet

Soldaten der US-Armee durchsuchen 2012 Reisende an einem Kontrollpunkt in Afghanistan. Bild: Ken Scar, U.S. Army / CC BY 2.0

Wenn Washington zwei Jahre nach dem Abzug aus Kabul die Lehren aus dem Krieg verdrängt, wird man die Fehler wiederholen. Sie wurzeln in Pathologien der US-Außenpolitik. Worum geht es?

Am zweiten Jahrestag des finalen Debakels des US-Engagements in Afghanistan sollten wir die Lehren aus diesem Desaster für die US-Strategie in anderen Ländern bedenken.

Anatol Lieven ist Senior Research Fellow für Russland und Europa am Quincy Institute.

Auch wenn der Fall Afghanistan an sich einzigartig ist, spiegeln Washingtons Fehler und Versäumnisse umfassendere und tiefere Muster – und Pathologien – in der US-amerikanischen Politik und politischen Kultur wider. Wenn diese nicht angegangen werden, werden sie in Zukunft zu weiteren Katastrophen führen.

Dennoch behandeln die meisten Mainstream-Medien und Denkfabriken die Erinnerung an den US-Krieg in Afghanistan nicht als Quelle der Reflexion, sondern als eine Peinlichkeit, die so schnell und vollständig wie möglich vergessen werden soll.

Dieser Umgang des US-Mainstreams erinnert an die Art, wie man die Vietnam-Vergangenheit behandelte, was wiederum zum Desaster im Irak führte. Eines der erstaunlichsten Phänomene an der US-Debatte vor der Invasion des Irak war das allgemeine Versäumnis, zu erwägen oder auch nur zu erwähnen, was man aus den Erfahrungen in Vietnam hätte lernen können. Heute gilt diese Weigerung, Lehren zu ziehen, vor allem für das Engagement der USA in der Ukraine.

Das Versäumnis, vor der US-Invasion in Afghanistan mit den Taliban diplomatisch zu verhandeln, lässt sich durch die Wut der US-Amerikaner über die Terroranschläge vom 11. September, die Weigerung der Taliban, sofort auszuliefern und die Al-Qaida-Führung, die eindeutig dafür verantwortlich war, erklären und entschuldigen.

In Anbetracht der entsetzlichen Kosten, die die US-Invasion verursacht hat, lohnt es sich jedoch zu fragen, ob ein Ansatz, der es den Taliban ermöglicht hätte, ihr Gesicht zu wahren und ihren eigenen Überzeugungen treu zu bleiben, nicht zu besseren Ergebnissen sowohl für die USA als auch für die Afghanen geführt hätte: zum Beispiel die Prüfung der Möglichkeit, dass die Taliban davon überzeugt werden könnten, die Qaida-Führung an ein anderes muslimisches Land auszuliefern.

Im Falle des Irak gab es keinerlei ernsthafte diplomatische Bemühungen, da die Bush-Regierung bereits die Entscheidung zum Einmarsch getroffen hatte.

Die zweite Lehre aus Afghanistan ist so alt wie der Krieg selbst und wurde vom Militärtheoretiker Carl von Clausewitz hervorgehoben: dass es in einem Krieg niemals die Gewissheit eines langfristigen Sieges geben kann, und sei es nur deshalb, weil ein Krieg mehr als jede andere menschliche Aktivität unbeabsichtigte Verzweigungen und Folgen nach sich ziehen kann.

Im Falle Afghanistans verwandelte sich die Mission, Al-Qaida auszuschalten und die Taliban zu entmachten, in eine weitaus größere – und wahrscheinlich von vornherein zum Scheitern verurteilte – Anstrengung, durch ausländische Intervention, Unterstützung und Anleitung einen modernen demokratischen afghanischen Staat zu schaffen.

Dies wiederum hing mit dem Versuch zusammen, die alte und außergewöhnlich starke Verbindung zwischen islamischem Glauben und paschtunischem Nationalismus zu zerstören, aus der die Taliban, ein Großteil des Widerstands gegen das kommunistische Regime und die sowjetische Intervention in den 1980er-Jahren sowie zahlreiche Aufstände gegen das britische Empire hervorgegangen waren.

Da die meisten Paschtunen in Pakistan leben, führte es unweigerlich zu einer Ausweitung des Konflikts auf dieses Land und damit zu einem pakistanischen Bürgerkrieg, in dem Zehntausende starben. Pakistans Weigerung oder Unfähigkeit, die afghanischen Taliban zu vertreiben, führte zu einer drohenden direkten US-Intervention in Pakistan – was, wenn es dazu gekommen wäre, zu einer Katastrophe geführt hätte, die weitaus schlimmer gewesen wäre als Afghanistan und Irak zusammengenommen.

Das Versäumnis, Konsequenzen zu antizipieren, wird durch Konformismus und Karrierismus noch verschlimmert. Nicht, dass diese Tendenzen im US-Establishment schlimmer wären als anderswo. Aber Amerikas Macht und seine Fähigkeit, in der ganzen Welt zu intervenieren, verstärken ihre negativen Folgen.

Einerseits führen sie dazu, dass selbst Experten und Journalisten, die es eigentlich besser wissen müssten, den Regierungsvertretern in unreflektiertem Gehorsam gegenüber der aktuellen Linie des Establishments folgen, die mit den Realitäten in dem betreffenden Land vielleicht nur am Rande zu tun hat.

Als ich nach dem Sturz der Taliban nach Afghanistan zurückkehrte, begegnete ich Journalisten, die ich schon kannte, als ich in den 1980er-Jahren über den Krieg der Mudschaheddin gegen die Sowjets und Kommunisten berichtete. Ich fand es amüsant, dass sie eine neue Version der von Moskau und Kabul in den 1980er-Jahren verbreiteten Doktrin wiederholten: dass der afghanische Widerstand keine wirkliche lokale Unterstützung habe und nicht afghanisch sei, sondern dass er ausschließlich das Werk ausländischer Mächte (einschließlich Pakistans) und Resultat von finanzieller Unterstützung sei.

Und das, obwohl die Taliban genau dieselben Leute aus genau denselben Gebieten rekrutierten wie die Mudschaheddin, die aus genau denselben Gründen kämpften.