Wie die Nato ihren Einfluss in Afrika ausdehnt
Seite 2: Wachsendes Misstrauen: Libyen und der Nato-Plan für Afrika
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Der Krieg der Nato gegen Libyen veränderte die Dynamik der Beziehungen zwischen den afrikanischen Staaten und dem Westen. Die Afrikanische Union misstraute der westlichen Militärintervention in der Region.
Am 10. März 2011 setzte der Friedens- und Sicherheitsrat der AU einen hochrangigen Ad-hoc-Ausschuss zu Libyen ein.
Zu den Mitgliedern dieses Ausschusses gehörten der damalige AU-Vorsitzende Dr. Jean Ping und die Staatsoberhäupter von fünf afrikanischen Staaten – der ehemalige Präsident von Mauretanien, Mohamed Ould Abdel Aziz, der Präsident der Republik Kongo, Denis Sassou Nguesso, der ehemalige Präsident von Mali, Amadou Toumani Touré, der ehemalige Präsident von Südafrika, Jacob Zuma, und der Präsident von Uganda, Yoweri Museveni –, die kurz nach der Einsetzung des Ausschusses nach Tripolis, Libyen, fliegen und zwischen den beiden Seiten des libyschen Bürgerkriegs verhandeln sollten.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhinderte jedoch, dass die afrikanischen Abgesandten in das Land einreisen konnten.
Bei einem Treffen des hochrangigen Ad-hoc-Ausschusses zu Libyen und den Vereinten Nationen im Juni 2011 sagte der damalige Ständige Vertreter Ugandas bei den Vereinten Nationen, Ruhakana Rugunda:
Es ist unklug, wenn sich einige Akteure an ihrer technologischen Überlegenheit berauschen und glauben, sie allein könnten den Lauf der Menschheitsgeschichte in Richtung Freiheit für die gesamte Menschheit verändern. Sicherlich sollte kein Staatenbündnis meinen, dass es die Hegemonie über Afrika wiederherstellen kann.
Aber genau das ist es, was die Nato-Staaten mehr und mehr vor Augen hatten.
Das Chaos in Libyen setzte eine Reihe von katastrophalen Konflikten in Mali, Südalgerien und Teilen Nigers in Gang. Auf die französische Militärintervention in Mali im Jahr 2013 folgte die Gründung der G5-Sahel, einer politischen Plattform der fünf Sahel-Staaten Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger sowie eines Militärbündnisses zwischen diesen Staaten.
Im Mai 2014 eröffnete die Nato ein Verbindungsbüro am Sitz der AU in Addis Abeba. Auf dem Nato-Gipfel in Wales im September 2014 befassten sich die Bündnispartner mit den Problemen in der Sahelzone, die in den Aktionsplan für die Einsatzbereitschaft des Bündnisses einflossen, der als "Motor für die militärische Anpassung der Nato an das veränderte und sich weiterentwickelnde Sicherheitsumfeld" diente.
Im Dezember 2014 überprüften die Nato-Außenminister die Umsetzung des Plans und konzentrierten sich dabei auf die "Bedrohungen, die von unserer südlichen Nachbarschaft, dem Nahen Osten und Nordafrika ausgehen", und legten einen Rahmen fest, um den Bedrohungen und Herausforderungen zu begegnen, mit denen der Süden konfrontiert ist, so ein Bericht des ehemaligen Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung der Nato, Michael R. Turner.
Zwei Jahre später, auf dem Nato-Gipfel in Warschau 2016, beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Nato, ihre Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union auszubauen. Sie "begrüßten das starke militärische Engagement der Bündnispartner in der Sahel-Sahara-Region".
Um dieses Engagement zu vertiefen, richtete die Nato eine afrikanische Bereitschaftstruppe ein und begann mit der Ausbildung von Offizieren in afrikanischen Streitkräften.
Die jüngste Entscheidung, die französischen Streitkräfte abzuziehen, hat ihren Ursprung in einer auf dem Kontinent wachsenden allgemeinen Ablehnung westlicher militärischer Aggression.
Kein Wunder also, dass viele der größeren afrikanischen Länder sich weigerten, der Position Washingtons zum Krieg gegen die Ukraine zu folgen, wobei sich die Hälfte der Länder entweder der Stimme enthielt oder gegen die UN-Resolution zur Verurteilung Russlands stimmte (dazu gehören Länder wie Algerien, Südafrika, Angola und Äthiopien).
Es ist bezeichnend, dass Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa erklärte, sein Land sei "verpflichtet, die Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht nur für unser eigenes Volk, sondern auch für die Völker Palästinas, der Westsahara, Afghanistans, Syriens und ganz Afrikas und der Welt zu fördern."
Die niederträchtigen Machenschaften des Westens und der Nato, darunter Waffengeschäfte mit Marokko, um damit die besetzte Westsahara dem Königreich auszuliefern, und die diplomatische Unterstützung Israels bei der Fortsetzung seiner Apartheidpolitik gegenüber den Palästinensern, stehen in scharfem Kontrast zur westlichen Empörung über die Ereignisse in der Ukraine.
Die Heuchelei sollte als Warnung dienen bezüglich der hochtrabenden Rhetorik und wohlmeinender Absichten, wenn es um die Expansion der Nordatlantikpakt Richtung Afrika geht.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Globetrotter. Übersetzung: David Goeßmann.
Das jüngste Buch von Vijay Prashad (mit Noam Chomsky) ist: The Withdrawal: Irak, Libya, Afghanistan and the Fragility of US Power (New Press, August 2022).
Vijay Prashad ist ein indischer Historiker, Redakteur und Journalist. Er ist Stipendiat und Chefkorrespondent bei Globetrotter. Er ist Herausgeber von LeftWord Books und Direktor von Tricontinental: Institute for Social Research. Er ist Senior Non-Resident Fellow am Chongyang Institute for Financial Studies der Renmin University of China. Er hat mehr als 20 Bücher geschrieben, darunter The Darker Nations und The Poorer Nations. Sein neuestes Buch ist Washington Bullets, mit einer Einführung von Evo Morales Ayma.