Wie effizient ist der Markt bei der Forschung nach einem Impfstoff?

Bild: DoD

Ist die Konkurrenzsituation des Marktes die beste Rahmenbedingung für die möglichst schnelle Entdeckung eines Impfstoffs gegen den Coronavirus Sars-CoV-2?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Derzeit arbeiten zahlreiche pharmazeutische Unternehmen und Forschungsinstitute auf Hochtouren, um einen Impfstoff gegen den grassierenden Coronavirus Sars-CoV-2 zu entwickeln. Es steht zu hoffen, dass diese Arbeit möglichst schnell von Erfolg gekrönt sein wird, denn angesichts einer Pandemie steht zweifellos außer Frage, dass das oberste Ziel der Forschung nur sein kann, möglichst schnell ans Ziel zu gelangen.

Die Marktlogik

Das nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten völlig verständliche Ziel von Pharma-Unternehmen ist ein möglichst hoher Gewinn. Entsprechend dürfte aktuell ein nervenaufreibendes Wettrennen stattfinden, welches Unternehmen oder Institut als erstes das Rennen macht, den Impfstoff entdeckt und dank des Patentes einen sehr ansehnlichen Gewinn für die Anstrengungen einfahren darf.

Nach der Logik des Marktes sollte dieses Wettrennen die effizienteste Methode sein, um die Entdeckung des Impfstoffes zu bewerkstelligen, denn der Anreiz auf Erfolg dürfte ein stattliches Milliardengeschäft sein. Ausreichend Motivation also, um möglichst viele Kapazitäten hierfür bereit zu stellen.

Die Logik der Kooperation

Ein Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewährte eine ausreichend hohe Fördersumme, um eine möglichst große Zahl der führenden Forscher weltweit in ein internationales Forschungsprojekt einzubinden, in dem alle gemeinsam an der Entwicklung des Impfstoffs arbeiten. Anstatt also den jeweils eigenen Forschungsstand als eine Art Betriebsgeheimnis für sich zu wahren, um in dem Wettrennen um das große Los nicht den möglicherweise entscheidenden Vorsprung einzubüßen, würden alle Forscher Entdeckungen rund um diese Arbeit miteinander teilen und koordiniert forschen.

Neben dieser Transparenz und der Tatsache, dass die besten Forscher gemeinsam arbeiten, böte dieser Ansatz auch die Chance, dass sich diese Forschungsgruppe weniger oft für einen Forschungsansatz entscheiden müsste, wenn sie vor einen entsprechenden Wahl steht. Vielmehr könnten sie angesichts der ausreichenden Anzahl fähiger Forscher eine Reihe unterschiedlicher Ansätze verfolgen. Möglicherweise entdecken hierbei sogar Forscher auf dem einen Weg Dinge, die für die Forscher, die einen anderen Weg gewählt haben, von entscheidender Bedeutung sein könnten.

Die Idee dieser weltweiten Kooperation könnte sogar so weit gehen, dass der Impfstoff, einmal entdeckt, von keinem pharmazeutischen Unternehmen vermarktet würde, sondern von der WHO weltweit zur Verfügung gestellt werden könnte, wobei der Preis entsprechend niedriger ausfallen würde, da dann kein Aufpreis aufgeschlagen wird, der den eigentlichen Jackpot des "siegreichen" Unternehmens widerspiegelt.

Ein Widerspruch?

Sicherlich, die Logik der Kooperation widerspricht massiv der Logik des Marktes und die Frage ist berechtigt, welches pharmazeutische Unternehmen nicht versuchen würde, ihre Forscher von einer Teilnahme an einem solchen kooperativen Ansatz abzuhalten. Betrachtet man dies als einen Widerspruch und die Kooperation insgesamt als eine nicht statthafte Beschneidung des freien Marktes, die vielleicht sogar den Beigeschmack von Planwirtschaft für einige haben könnte, so vergisst man schlicht die ganz zentrale Tatsache: Bei der Suche nach einem Impfstoff für eine Pandemie ist nur ein einziger Faktor entscheidend: Welches System gewährt die schnellstmögliche erfolgreiche Entdeckung des Impfstoffs.

Es liegt auf der Hand, dass der kooperative Ansatz, der mit einem offenem Austausch von Forschungsergebnissen und einem koordinierten Miteinander eines großen Teams der besten Köpfe arbeitet, schneller von Erfolg gekrönt sein würde, als kleine Teams, die verstohlen auf die Wahrung ihrer jeweiligen Entdeckungen achten, um ihren möglichen Sieg nicht zu gefährden.

Wenn wir uns alle also darin einig sind, dass der Impfstoff möglichst schnell gefunden werden soll (und nicht, dass er beispielsweise von einem Unternehmen unseres Landes entdeckt und vermarktet wird), dann stellt sich nur eine einzige Frage: Warum kooperieren wir nicht und schließen die Marktlogik bei solch existentiellen Fragen aus?

Ethik der Medizin

Die ersten vorsichtigen Kooperationsansätze zwischen einigen wenigen Unternehmen existieren, wie die vfa, der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland, berichtet. Ebenso erwähnt werden sollte auch, dass Staaten und der Staatenverbund der EU Fördergelder zur Verfügung gestellt haben, um Forschungsprojekte zu unterstützen. Das sind sicherlich begrüßenswerte erste Schritte. Die zentrale Frage bleibt aber bestehen: Wenn es um die möglichst schnelle Entdeckung des Impfstoffs geht, warum setzt man dann nicht auf wirkliche und uneingeschränkte Kooperation? Jenseits der Marktlogik.

Die Haltung der Mediziner und ihr Wunsch, Menschenleben zu retten, sollten jedenfalls nicht leichthin als finanziell motiviert abqualifiziert werden. Als Robert Salk in den 1950er-Jahren den ersten Impfstoff gegen Kinderlähmung entdeckte und auf Einnahmen in Millionenhöhe verzichtete, lautete seine ebenso schlichte wie menschliche Erklärung: "Es gibt kein Patent. Könnte man die Sonne patentieren?"

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.