Wie eine Kopfpauschale Köpfe kostete

Simon Sudbury, Robert de Hales, und die Rebellion von Wat Tyler

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Nicht nach Zahlungsfähigkeit unterscheidende Abgaben wurden - wie das Brockhaus Konversationslexikon von 1908 weiß - vor allem "unterworfenen Völkerschaften auferlegt" - beispielsweise Einwohnern von Kolonien. Auch die Dschizya, die islamische Eroberer Angehörigen von "Buchreligionen" auferlegten, kassierten sie häufig als Kopfpauschale.1 Außerhalb von Unterwerfungssituationen tauchen solche Abgaben seltener auf. Als die damalige englische Premierministerin Margaret Thatcher 1990 eine poll tax einführen wollte, wurde dies zur wichtigsten Ursache für ihren Sturz. Allerdings gab es auf der britischen Insel bereits mehrere Versuche, der eigenen Bevölkerung Kopfpauschalen aufzubürden.

1380 versammelte Simon Sudbury, Lordkanzler und Erzbischof von Canterbury, das Parlament in Northhampton. Es sollte neue Mittel zur Finanzierung des Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich bewilligen, für den man bereits die Kronjuwelen verpfändet hatte. Zur Debatte standen eine Umsatzsteuer, eine höhere Einkommenssteuer und eine Kopfpauschale. Die Abgeordneten entschieden sich für das letztere Modell - möglicherweise nicht zuletzt deshalb, weil es sie und Ihresgleichen deutlich weniger belasten würde als die beiden anderen. Kurz nach dem Beschluss gab Bischof Brantingham aus Exeter das Amt des High Treasurer an Sir Robert de Hales ab - möglicherweise auch deshalb, weil er die Folgen der Kopfpauschale ahnte und fürchtete. In jedem Fall aber rettete er damit sein Leben.

Bereits 1377 hatte der Lord High Steward Johann von Gent, damals faktisch Prinzregent des sterbenden Königs Edward III, im Parlament eine Kriegsabgaben-Kopfpauschale durchgesetzt. Jeder über 14 Jahre musste 4 Pence an die Krone zahlen, ausgenommen waren lediglich Bettler und der Klerus. Als die Steuer 1379 zum zweiten Mal eingetrieben wurde, setzte man die Altersgrenze etwas höher und berücksichtigte Klassenunterschiede. Beim dritten Mal, 1381, sollte sie zwar einen Ausgleich für besonders Arme enthalten, wurde aber immer noch als extrem ungerecht empfunden. Was auch daran lag, dass die Engländer nun schon einen Shilling (12 Pence) pro Kopf zu zahlen hatten - eine unter Berücksichtigung der damaligen Lebenshaltungskosten beträchtliche Summe.

Weil der soziale Ausgleich auf regionaler Ebene erfolgen sollte ergaben sich zusätzliche Ungerechtigkeiten: Während in Ortschaften mit einem hohen Anteil reicher Händler und Landbesitzer die geplanten Entlastungen zumindest zum Teil verwirklicht werden konnten, blieben sie in ärmeren Gegenden häufig vollständig aus, so dass dort auch Armen die vollen 12 Pence und nicht nur der Mindestbetrag von 4 aufgebürdet wurde.

Zur Eintreibung der Steuer spannte man unter anderem die Bürgermeister der Ortschaften ein, was zur Folge hatte, dass die Zahl der zu besteuernden Personen anfangs weit unter der von 1379 lag, ohne dass sich andere Gründe als steuerliche dafür hätten finden lassen. Das fiel auch dem Kronrat auf, der am 16. März 1381 verlautbarte, es gebe reichlich Beweise, dass sich bisher mit der Steuereintreibung betraute Personen in schamloser Weise der Korruption und der Pflichtverletzung schuldig gemacht hätten, weshalb man nun neue beauftragen würde, die Grafschaften zu bereisen und zu überprüfen, wie viele Steuerpflichtige tatsächlich dort leben. In Norfolk fand man auf diese Weise innerhalb von ein paar Wochen etwa 8.000 zusätzliche Einwohner, in Suffolk sogar 13.000. Charles William Chadwick Oman kam in seiner Studie über den Tyler-Aufstand2 zu dem Ergebnis, dass es in vielen Bezirken kaum eine Familie gegeben haben dürfte, die beim ersten Eintreibungsversuch nicht falsche Angaben gemacht hatte, was potentiell nicht nur Nachzahlungen, sondern auch Strafen zur Folge hatte.

Als die Kopfpauschalen-Kontrolleure am 30. Mai in Fobbing eintrafen, einem Dorf in Essex, verweigerten ihnen die Einwohner die Zahlung und schickten sie mit leeren Händen fort. Den darauf hin entsandten Richter Robert Belknap der den Vorgang untersuchen und die Schuldigen bestrafen sollte, jagte man bereits in Brentwood mit Steinen davon. Ähnliches geschah auch in Corringham, St. Albans, Bridgewater, Hertford sowie in weiteren Ortschaften in Essex, Middlesex, Sussex, Norfolk, Suffolk, Beverly und Somerset. In Bury St. Edmund enthauptete das Volk einen Prior, der zu sehr auf die Feudalrechtsansprüche der Abtei auf den Ort gepocht hatte. Und in Cambridge und Waltham verbrannte man Urkunden, die solche Ansprüche festhielten.

Die in den vergangenen Jahrzehnten erlassenen Gesetze, die Löhne künstlich niedrig hielten und abhängig Beschäftigte ebenso wie Pächter durch den Ausbau von Feudalrechten stärker an ihre Herren und Landbesitzer banden, waren ebenfalls Ursachen für den Aufstand. Vorher hatten der Glaube an kirchliche und weltliche Autoritäten, Körperstrafen und Garnisonen die von solchen Regeländerungen Benachteiligten von einer Rebellion abhalten können - nach Einführung der Kopfpauschale reichte dies offenbar nicht mehr aus.

In London fanden währenddessen Versammlungen statt, auf denen man beschloss, die Aufständischen zu ermutigen und sie einzuladen, in die Hauptstadt zu kommen, wo sie den König unter Druck setzen sollten. Tatsächlich hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits Bewaffnete aus Essex auf den Weg dorthin gemacht. In Kent kristallisierte sich ein Wat Tyler als Rebellenführer heraus und zog mit seinen Anhängern ebenfalls Richtung Themse. Am 13. Juni marschierten er und seine Männer über die Brücke in Southwark in London ein, wo sich ihnen zahlreiche Menschen anschlossen. Die Aufständischen aus Essex hatten sich unter Führung eines Jack Straw in Great Baddow gesammelt und betraten die Stadt über Stepney. Zwar hatte der Lord Mayor William Walworth die Tore der Stadt schließen lassen, doch waren diese von unzufriedenen Einwohnern schnell wieder geöffnet worden.

Sudbury und de Hales

Lordkanzler Sudbury und High Treasurer Sir Robert de Hales verschanzten sich zusammen mit dem damals 14-jährigen König Richard II. im Tower und kamen Tylers erster Aufforderung, ihn anzuhören, nicht nach. Darauf hin zerstörten die Rebellen neben dem Palast des Prinzregenten Johann von Gent auch Einrichtungen des Johanniterordens (dessen Großprior Robert de Hales war); außerdem Häuser und Arbeitsstätten von Rechtsgelehrten, die sie für die Gesetze der letzten Jahrzehnte verantwortlich machten.

Schließlich sandte der Kronrat eine Botschaft an den Rebellenführer, ihn in Mile End treffen zu wollen. Dort erschien zwar der König, nicht jedoch Sudbury oder de Hales. Tyler forderte die Abschaffung von Feudalrechten, was Richard scheinbar akzeptierte und entsprechende Gesetzesänderungen umgehend von 30 Schreibern ausfertigen ließ. Uneinig war man sich, was mit den Personen geschehen sollte, die von den Rebellen des Missbrauchs der Regierungsmacht beschuldigt wurden. Schließlich stürmte Tyler den Tower und ließ Sudbury, de Hales und zwei weitere Männer festnehmen und enthaupten. Weil der Henker kein Profi war, dauerte es beim Lordkanzler acht Hiebe, bis er den Kopf vom Rumpf getrennt hatte. Danach befestigte man Sudburys Mitra mit einem Nagel an seinem Schädel, spießte die Köpfe auf Stöcke, und stellte sie nach einer Prozession durch die Stadt in der Nähe der London Bridge auf.

Als sich Wat Tyler am Tag darauf, dem 15. Juni, in Smithfield zu Verhandlungen mit dem Monarchen traf, hatten dessen 200 Begleiter unter ihrer zivilen Kleidung Waffen versteckt. Tyler wurde von William Walworth in einen Streit verwickelt und von ihm und Sir Ralph de Standish mit Schwertern erschlagen. Richard II. beruhigte die Rebellen anschließend mit den Worten "I will be your chief and captain; you shall have from me that which you seek." Weil diese den Versprechungen glaubten, hatte der König Zeit, 7.000 Bewaffnete auszuheben und Jack Straw sowie die meisten anderen Führer des Aufstandes festnehmen und hinrichten zu lassen. An seine Zusagen hielt er sich nicht. Stattdessen nahm er am 2. Juli alle bereits ausgefertigten Reformen zurück und verlangte für eine Begnadigung der Teilnehmer am Aufstand pro Kopf 20 Shilling.

Linke Bildhälfte: Lord Mayor Walworth tötet Wat Tyler; hinter ihm Richard II. Rechte Bildhälfte: Der König spricht nach der Ermordung Tylers zu den Rebellen.