Wie frei ist freie Software wirklich?

Copyright vs Copyleft

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Wer kennt nicht das kleine C im Kreis? Das Copyright-Symbol gehört schon zum allgemeinen Kulturgut. Aber was steckt hinter diesem Zeichen? Und wie verhält es sich mit dem Copyright in Bezug auf Software? In diesem Beitrag, der sich vor allem an Nichtexperten richtet, erklärt Oliver Frommel einige der Grundbegriffe der Urheberrechtsthematik.

In Deutschland heißt das Copyright eigentlich Urheberrecht, auch wenn das außer Juristen kaum jemand sagt. Der Begriff "Urheberrecht" bezeichnet zwei Dinge: einmal die Sammlung von Gesetzen, die Rechte rund um geistige Schöpfungen regeln, zum anderen ist es das Recht selbst, das dem Schöpfer oder der Schöpferin zusteht, über das Werk nach eigenen Vorstellungen zu verfügen. In den Gesetzen geht es um sogenanntes "geistiges Eigentum" im Unterschied zu konkreten Gegenständen. Wenn jemand seine Idee auf ein Blatt Papier schreibt, ist das Papier zwar ein konkreter Gegenstand, aber nicht die Idee.

Über das Blatt Papier kann die Eigentümerin oder der Eigentümer frei verfügen, er/sie kann es einsperren, verbrennen usw. Die Kontrolle über die Idee an sich geht allerdings verloren, wenn sie erst einmal veröffentlicht wurde. Dafür wurde das Urheberrecht geschaffen. Es ist "eigentumsähnliches Recht" für geistige Schöpfungen, das die belohnen soll, die etwas Wertvolles geschaffen haben. Dadurch sollen in Zukunft weitere Schöpfungen angeregt werden, die letztlich der Allgemeinheit zugute kommen.

Die andere Motivation für das Urheberrecht ist wirtschaftlicher Natur. Während früher der Persönlichkeitsschutz der künstlerisch-geistig Schaffenden im Vordergrund stand, dient das Urheberrecht heute mehr der Wahrung von Kapitalinteressen. Das Urheberrecht ist ein Fundament ganzer Wirtschaftszweige wie Verlage, Plattenfirmen, Radio und Fernsehen geworden. Das Urheberrecht hat sich vom Kulturrecht zum Wirtschaftsrecht gewandelt.

Was jetzt, nach einem Jahrhundert, übrig bleibt, sind von der Industrie vorgegebene Gesetze, die festlegen wie man mit Urheberrecht Geld macht.

Mike Godwin in einer Rezension des Buches Copywrong

Mit der weiten Verbreitung von Computern entstand der Bedarf, auch in diesem Bereich das Urheberrecht gesetzlich zu regeln - vor allem, als Computersoftware mit der Einführung des "Personal Computers" anfing, zu einem Massenmarkt zu werden.

Kopierbar ohne Ende

Ohne, dass nun eindeutig geklärt ist, was Software eigentlich ist, wird sie analog zu Literatur zum Gegenstand des Urheberrechts gemacht, weil sie sich der "Sprache als Ausdrucksmittel" bedient. Software wird in einer von Menschen lesbaren Programmiersprache geschrieben und dann mit einem "Compiler" (im Informatikerdeutsch: Übersetzer) in eine lange Folgen von Zahlen (Binärform) übersetzt, die wiederum für den Computer eine Art Sprache darstellt, die festlegt, was er genau machen soll. Den menschenlesbaren Teil davon bezeichnet man als Source-Code (Quellcode), weil er dem letztlich vom Computer abgearbeiten Programm zugrunde liegt.

Software ist im Gegensatz zu anderen geistigen Werken leicht kopierbar, weil sie immer digital vorliegt. Das bedeutet, dass jede Kopie nicht mehr vom Original unterscheidbar und genauso nutzbar ist. Bei analogen Medien, wie Schallplatten oder Büchern, ist das Kopieren immer mit einem Verlust an Qualität verbunden. Die Digitalisierung auch dieser Bereiche durch CDs, ebooks usw. führt dazu, dass das (unerlaubte) Kopieren auch hier immer einfacher wird. Als Kopierwerkzeug dient einfach das Allround-Werkzeug, der PC. Deshalb geht auch bei "Multimedia" der Trend in Richtung eines die Nutzung stark einschränkenden Urheberrechts (siehe z.B. "Napster und die Folgen")

Nutzungsrechte statt Besitz

Software ist also als geistiges Gut geschützt, unabhängig davon, ob sie als Source-Code, in Papierform, auf einer Diskette usw. existiert. Damit wird Software eigentlich auch nicht verkauft, sondern "zur Nutzung überlassen". Wie diese Nutzung aussieht, ist von Programm zu Programm verschieden und in den jeweiligen Nutzungsbedingungen, den Lizenzen, festgelegt. Gekaufter Software liegt normalerweise immer eine solche Lizenz bei, ob in gedruckter oder elektronischer Form. Häufig wird sie beim Installieren von Programmen in einem Fenster angezeigt, bis man mit einem Mausklick bestätigt, sie anzuerkennen. Oft legen die Lizenzen auch inhaltliche Bedingungen für die Nutzung fest, wie die Beschränkung auf private Nutzung und auf nur einen Computer.

Das Kopieren und die Weitergabe von solcher "kommerzieller" Software ist selbstverständlich verboten. Hier sind die Vorschriften mittlerweile strenger als beispielsweise bei Audio-CDs. Hier ist immer noch eine sogenannte private Kopie erlaubt, genauso wie das Kopieren von Büchern in einem gewissen Umfang. Ein gewisser Anteil der Einnahmen für Papierkopien in Copyshops (ca. 0.01 Euro pro Kopie) und den Verkauf von Leercassetten fließt an die Industrie zurück, um den möglicherweise dabei erlittenen finanziellen Nachteil wieder auszugleichen. Bei Software gibt es so etwas nicht, weil sich die zum Teil erheblich voneinander abweichenden Preise und damit mutmaßlichen Verluste nicht über eine solche Pauschalabgabe abdecken ließen. Dass diese Verluste schwer zu beziffern sind, zeigt die Abweichung von Schätzungen über den Verlust durch Raubkopien, die sich zwischen Softwareherstellern und unabhängigen Experten um einiges unterscheiden.

Shareware und Public Domain

Dem gegenüber steht eine für Computerverhältnisse lange Tradition der freien Software. In den Anfangszeiten des PC, als es noch "Homecomputer" wie den C-64 gab, waren "Shareware" und "Public Domain" die gängigen Schlagworte, wenn es um Lizenzfragen ging. Shareware ist auch heute noch Software, die zunächst einmal für eine Testzeit benutzt werden darf, ohne dafür zu bezahlen. Erst wenn man sich dazu entschließt, das Programm dauernd zu benutzen, muss man einen kleinen Betrag an den Autor oder die Autorin schicken. Teilweise sind Shareware-Programme in ihrer Funktionalität beschränkt (z.B. kein Abspeichern von Dateien möglich) oder so programmiert, dass sie nach der festgeschriebenen Testdauer nicht mehr funktionieren.

Hinter "Public Domain" steckt dagegen der Gedanke, die Software ganz der Gemeinschaft zu übergeben, das heißt als AutorIn alle Urheberrechte daran aufzugeben. Dieses aus den USA stammende Modell ist nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragbar, da die Aufgabe aller Urheberrechte nach deutschen Gesetzen gar nicht möglich ist, was aber praktisch kaum beachtet wird (Freie Software – Rechtlich sicher?).

Freibier oder Redefreiheit?

Große Verwirrung herrscht bei der Verwendung des Wortes "frei" im Zusammenhang mit Software und so gibt es auch eine entsprechende Vielfalt an Formen freier Software. Grundkonsens scheint zunächst zu sein, dass "frei" nicht in erster Linie bedeutet "umsonst", sondern sich auf Freiheit bezieht. Dazu gibt es ein geflügeltes Wort des Aktivisten Richard Stallman, es gehe um frei im Sinne von "free speech, not free beer".

Trotzdem wird oft behauptet, ein Merkmal freier Software sei, dass sie eben kostenfrei genutzt werden darf, auch wenn möglicherweise Geld für den Datenträger gezahlt werden muss. Für Stallman selbst kann freie Software durchaus auch im direkten Sinn verkauft werden. Wichtig ist nur die Freiheit der Software selbst. Sie muss in jedem Fall für weitere Nutzung offen bleiben, genauso wie ihr Source-Code zugänglich bleiben muss. Das ist alles in der wohl bekanntesten aller freien Softwarelizenzen, der GNU Public License festgelegt.

Diese Lizenz wurde von der Free Software Foundation (FSF) unter der Führung von Richard Stallman in den achtziger Jahren geschaffen. Im Kern steht die Idee des "Copyleft", das bewusst die Copyright-Idee umkehrt, und die Benutzungs- und Kopierrecht der Gemeinschaft überlässt und nicht den AutorInnen, allerdings mit einer Auflage versieht: sogenannte abgeleitete Werke (derivative works) müssen genauso frei verfügbar und zugänglich sein, wie das originale Werk. Wird also ein freies Computerprogramm umgeschrieben, muss, auch wenn dadurch etwas völlig Neues entsteht, das Endprodukt wieder frei sein.

Kommerziell genutzt könnte diese Software im Prinzip werden, aber sie müsste gleichzeitg frei und offen (das bedeutet insbesondere auch, wieder als Source-Code) zugänglich sein. Das ist das Prinzip des "Copyleft" und der wesentliche Unterschied zwischen freier Software im engeren Sinn und freier Software, die mit "Open Source"-Lizenzen versehen ist oder Public Domain Software.

Offener Sourcecode

"Open Source" ist tatsächlich, wie viele ihrer Vertreter auch immer wieder betont haben, eine Art "business-kompatibles Modell freier Software". Sie ist frei in dem Sinn, dass sie jeder und jedem frei verfügbar gemacht wird, zu jedem Zweck, wie auch ihr Source-Code. Was ihre Anhänger ablehnen ist der Zwang zur Freiheit, den nach ihrer Ansicht das Copyleft der GNU Public License darstellt. Mit "Open Source" begann dann auch der Siegeszug freier Software in allen ereichen, bis in die kommerzielle Welt selbst. Als der Begriff "Open Source" erfunden wurde, gab es schon jahrelang freie Software. Aber erst mit diesem Schlagwort begann die Idee populär zu werden. Konzerne wie Hewlett Packard oder IBM leisten sich heute ganze Abteilungen hochbezahlter Programmierer, die nur an freier Software arbeiten. Auch Linux hat seine Popularität vor allem dem Open-Source-Mythos zu verdanken - obwohl es selbst und die Programme, mit denen es entwickelt wurde, unter der GNU Public License stehen und älter sind, als die Open-Source-Idee.

Viele Autoren freier Software lehnen die Sicht Stallmans und anderer Anhänger des Copyleft-Gedankens ab, weil er ihnen zu dogmatisch erscheint. (siehe : Diskussion zu Lizenzen und dem Verhältnis von freien Entwicklern und Open Source-Firmen)

Auch Konzerne wie Microsoft sprechen sich klarerweise entschieden gegen ein solches Lizenzmodell aus. In einer gezielten Kampagne wurde der GNU Public License unterstellt, ein "Krebsgeschwür" oder einen "Virus" darzustellen, um die Verwendung von GPL-Software in US-staatlichen Behörden zu verhindern. Auch im Bundestag wird zur Zeit beraten, ob es wünschenswert ist, im öffentlichen Bereich verstärkt freie Software einzusetzen.

Viele der direkten rechtlichen Auswirkungen einzelner Lizenzmodelle betreffen zunächst nur die Softwareentwickler selbst, ob privat oder geschäftlich. So ist auch der Streit um den angeblich "virenhaften" Charakter der GPL noch nicht einmal ein Problem für Entwickler, die mit ihrer Software Geld verdienen möchten. Schwierigkeiten damit haben nur Konzerne, die prinzipiell ein Problem mit Offenheit und Freiheit haben. Ihr Mittel dagegen ist die Einführung von Patenten auf Software, wie sie eben in Europa im Gang ist. Werden Patente auf Software vergeben, wird genau der gegenteilige Effekt erzielt, den Copyleft-Software verfolgt: sie behindern eher die Förderung von Ideen und Weiterentwicklung des technologischen Fortschritts zum gemeinschaftlichen Wohl und sichern die kommerziellen Interessen einzelner Konzerne (siehe z.B. die Website des US-Rechtsexperten James Boyle).

Auch wenn man als Anwender damit nicht direkt konfrontiert ist, weil man normalerweise aus seiner Software kein "abgeleitetes Werk" herstellt, kann man die Grundidee des Copyleft unterstützen, indem man wirklich freie Software verwendet. Dahinter steckt ein Ideal, das tatsächlich auf das Gesamtinteresse der Gesellschaft abzielt. Freie Software ist kein Kommunismus und wahrscheinlich auch kein Modell, das sich auf die gesamte Gesellschaft anwenden ließe. Hinter freier Software steckt aber eine Vorstellung von Freiheit, die die Weiterentwicklung von Ideen fördern und in der Verantwortung der Gemeinschaft belassen soll und nicht in der Hand einiger weniger Konzerne. Das zu fördern steht eher in der Macht der Anwender, als in der der Programmierer.

Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit Open-Source-Themen siehe die Artikelserie Die Reformation zum Anfassen: GNU/Linux und Open Source von Erik Möller.

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem Online-Magazin Fluter.