Wie "geistiges Eigentum" und Steueroasen zusammenhängen
Dutch Sandwich, Double Irish und andere Spezialitäten
Bei einem Dutch Sandwich oder einem Double Irish handelt es sich mitnichten um Produkte europäischer Küchenmeister, sondern um Erzeugnisse internationaler Steueroptimierer, die in zahlreichen Ländern ihr Unwesen treiben. Deren Entwicklungen basieren auf der Idee, durch den Aufbau von zweckdienlichen Strukturen innerhalb der Konzerne dafür zu sorgen, dass nach Möglichkeit alle Gewinne aus Ländern mit hohen Steuersätzen in Länder mit geringen Steuersätzen transferiert werden. Sogenanntes "geistiges Eigentum", das sich rein technisch praktisch ohne Transportaufwand von einem Land in ein anderes verschieben lässt, und die daran geknüpften Lizenzzahlungen bieten sich geradezu an, den Gewinn in einem anderen Land entstehen zu lassen.
Die hierbei angewandten Methoden haben sich im Laufe der Jahre immer weiter verfeinert. Zu Beginn dieser Entwicklung waren es meist eher bauernschlaue Vorgehensweisen. Damals hatte das irische Finanzamt dem deutschen Investor noch zwei Steuerbescheide geschickt. Der erste war im Rahmen des Doppelbesteuerungsabkommens zur Vorlage beim deutschen Finanzamt gedacht und die zweite enthielt einen Steuerrabatt von 90%, weil man den Investor mit Tax Holidays gelockt hatte.
Die weltweiten Doppelbesteuerungsabkommen, von welchen es inzwischen etwa 3000 geben soll, sind ein gewichtiger Grund dafür, dass Steuervermeidung heute ganz legal und ohne formale Hinterziehung möglich ist. Als die Deutsche Post (immer noch zu einem beachtlichen Teil in Staatsbesitz) vor einigen Jahren den internationalen Logistikdienstleister DHL erwarb, stellte man mit Erstaunen fest, dass der gerade erworbene multinationale Konzern praktisch keine Steuern bezahlte.
Und wenn Microsoft im Jahre 2011 mehr als die Hälfte seines weltweiten Gewinns über Töchter in Puerto Rico, Irland und Singapur verbucht hat, braucht es nicht viel Fantasie, um zum bemerken, dass dies weder dem Verkauf von Microsoft-Produkten in diesen Ländern, noch den fleißigen lokalen Programmierern geschuldet ist.
Bei dem Steuerspar-Modell "Double Irish with a Dutch Sandwich" werden Zahlungen so geführt, dass in jedem tangierten Land die höchstmögliche Steuerreduktion erreicht wird. So erhalten die europäischen Google-Werbekunden ihre Rechnung für Googles Dienstleistungen durch die Google Ireland Ltd. Der Erlös wird jedoch nicht in voller Höhe in Irland versteuert, denn vom Erlös muss Google Ireland Lizenzgebühren an die Google Netherlands Holdings BV bezahlen. Und nur von dem, was bei der irischen Tochter verbleibt, müssen 12,5 % Körperschaftssteuer abgeführt werden.
Aus der niederländischen Holding fließt das Geld jedoch wieder zurück an eine weitere Google-Holding auf der grünen Insel, die ihren Steuersitz am Standort ihrer Eigentümer auf den Bermudas hat und deshalb in Irland bislang nicht steuerpflichtig ist. Diese Google-Töchter verwalten die weltweiten Einnahmen des Konzerns und schützen sie vor dem Zugriff der US-amerikanischen Steuerbehörden. Und da diese Gewinne in Bermuda nicht steuerpflichtig sind, hortet der Konzern in der Karibik inzwischen eine gewaltige Kriegskasse. Allein 2011 soll Google satte 9,8 Milliarden US-Dollar dorthin transferiert haben, was 80 Prozent des weltweiten Gewinns vor Steuern gewesen wäre.
Der britische Spirituosen-Konzern Diageo hatte im Jahre 2000 die Markenrechte an Johny Walker auf die niederländische Diageo Brands BV übertragen und muss nun im Konzern Lizenzgebühren in die Niederlande überweisen. Wie Google profitiert man dabei von der Tatsache, dass Einnahmen aus Lizenzen in den Niederlanden steuerbegünstigt sind. Auch der schwedische Möbelhändler Ikea hat seine Markenrechte schon vor vielen Jahren steuergünstig in die Niederlande verlagert.
Gewinne aus "geistigem Eigentum" (also beispielsweise aus Patent-, Marken- und Designrechten) werden auch in Luxemburg nur mit 5,7 % besteuert. Wen wundert es da, wenn die Amazon Europe Holding Technologies SCS in diesem Großherzogtum die Rechte an der Wortmarke Amazon hält und das Geld für die weitere Expansion steuergünstig bunkert.
Das Geschäft mit der gezielten Steuervermeidung funktioniert immer da ganz hervorragend, wo die reinen Produktionskosten im Vergleich zu der Bewertung der immateriellen Vermögensrechte eher marginal sind. Neben dem Geschäft mit Software zählt hier die Pharmaindustrie zu den erfolgreichen Vertretern dieser Gattung. Die Bewertung von Wissen in Zahlen ist für Außenstehende nur schwer zu überprüfen und erscheint so manches Mal eher willkürlich. Wie will ein Finanzbeamter nachweisen, dass der Wert eines Patents oder eines Markenrechts beim Verkauf innerhalb eines multinationalen Konzerns falsch angesetzt wurde?
Eine weitere gängige Praxis des Gewinntransfers in Steueroasen ist die Kreditvergabe zwischen Konzerngesellschaften. So lassen sich die in Ländern mit niedrigen Steuersätzen angesammelten Gelder erneut zum Steuersparen nutzen, wenn sie als Kredit an Konzerngesellschaften in Ländern mit hoher Steuerbelastung vergeben werden. Die Zinsen werden dann im Hochsteuerland vom Gewinn abgezogen. Und schon ist der Gewinn verlagert.
Selbst mit der Mehrwertsteuer lassen sich ganz legal beträchtliche Gewinne einfahren. Bei E-Books wird die Mehrwertsteuer bislang im Gegensatz zu gedruckten Büchern in dem Land fällig, in dem die Server stehen. Luxemburg hat Anfang 2012 den Mehrwertsteuersatz für E-Books auf 3% gesenkt. Selbst wenn ein Luxemburger Händler elektronische Bücher deutscher Verlage an deutsche Leser verkauft, fällt die Luxemburger Mehrwertsteuer an.
Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen mit Sitz in Luxemburg E-Books eines deutschen Verlags an deutsche Kunden verkauft. Beim Verkauf über einen deutschen Händler würden 19% Mehrwertsteuer fällig. Ab 2015 soll dieses Steuersparmodell jedoch wieder beendet werden. Es sind jedoch mitnichten nur Zwergstaaten, die an der Steuerschraube drehen. Auch Frankreich hatte 2012 die Mehrwertsteuer für E-Books auf 7% gesenkt.
Was faktisch eine völlig inkompatible Steuergesetzgebung schon innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist, ergibt für multinationale Konzerne ein ideales komplementäres legales System, das ihre Steuerbelastung auf minimale Werte absenkt. Börsennotierte Aktiengesellschaften glauben, kein Schlupfloch auslassen zu dürfen. Den Staaten, in welchen sie ihre Geschäfte machen, bleibt dabei immer weniger und letztlich zieht die Karawane der Steuersparer weiter, bis sie keine zweckdienliche Infrastruktur für ihre Geschäfte mehr vorfindet.
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