Wie sehr wirkt sich der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt auf Drittstaaten aus?
Läuft der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft langsamer, trifft das auch andere Volkswirtschaften
Im Februar 2019 gingen die Aufträge der deutschen Industrie um 4,2 Prozent zurück, obwohl man vorher mit einem Anstieg um 0,3 Prozent gerechnet hatte. Besonders massiv war mit 7,9 Prozent der Rückgang von Aufträgen aus Ländern außerhalb der Eurozone (vgl. Wirtschaftswachstumsprognose für Deutschland halbiert). Im April ging auch die deutsche Industrieproduktion zurück: Nicht nur um die 0,5 Prozent, die Analysten vorhergesagt hatten, sondern um 1,9 Prozent. Die Bundesbank hat ihre Wachstumsprognose angesichts solcher Entwicklungen von 1,6 auf 0,6 Prozent gesenkt.
Ayhan Kose, der Direktor für wirtschaftliche Aussichten bei der Weltbank, erklärt sich das und ähnliche Probleme in anderen Ländern mit indirekten Auswirkungen des amerikanisch-chinesische Handelskonflikts: Weil dieser Konflikt in China 2018 zu einer Verlangsamung des Wachstums von 6,9 auf 6,6 geführt hat, werde dort potenziell weniger investiert, konsumiert - und damit auch importiert.
Mnuchin ist anderer Meinung
Das treffe dann Länder, deren Wirtschaft stark auf den Export nach China ausgerichtet ist. Neben Deutschland beispielsweise auch Australien, von wo China Lithium, Kohle und viele andere Rohstoffe bezieht. In diesem vorher 27 Jahre lang rezessionsfreien Land fiel der Einkaufsmanagerindex Australia Composite im Februar unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten, nachdem sich das Bruttoinlandsproduktswachstum im vierten Quartal 2018 auf 0,2 Prozent verlangsamt hatte.
Die Weltbank korrigierte angesichts solcher bereits im letzten Jahr kursierenden Signale ihre Prognose für das Weltwirtschaftswachstum 2019 im Januar um 0,3 Punkte auf 2,9 Prozent nach unten. Das hatte die Welthandelsorganisation WTO für das erwartete Wachstum des Welthandels bereits im September gemacht. Er soll jetzt statt vier nur mehr 3,7 Prozent wachsen.
US-Finanzminister Steven Mnuchin glaubt - anders als Kose - nicht, dass "die in Teilen der Welt zu beobachtende Wachstumsverlangsamung das Ergebnis momentaner Handelsspannungen ist", wie er in einem Interview verlautbarte. Damit hat er womöglich nicht ganz Recht - aber auch nicht ganz Unrecht. Monokausale Erklärungen sind für komplexe Phänomene meistens unzureichend. Den Mechanismus, den Kose beschreibt, gibt es zwar zweifellos - aber Auftrags-, Produktions-, Wirtschafts- und Handelswachstums hängen von vielen Faktoren ab, die sich nicht nur von Land zu Land, sondern auch von Region zu Region und von Stadt zu Stadt unterscheiden.
Auch deshalb erwartet man in Deutschland nur 0,6, aber in Polen 4,2 in Ungarn 3,7 Prozent und in Tschechien 2,6 Prozent Wirtschaftswachstum. Faktoren, die sich in Deutschland negativ auswirken und Investoren vom Investieren abhalten dürften, sind zum Beispiel Debatten über mehr Regulierung und neue Steuern. In den USA hat man dagegen 2017 die Steuern kräftig gesenkt (vgl. USA: Kongresskammern einigen sich auf Steuerreform). Das trug dazu bei, dass die Rate weltweiter ausländischer Direktinvestitionen im letzten Jahr um 13 Prozent sank, weil viele US-Unternehmen ihre Gewinne jetzt lieber in ihrer Heimat investieren. Und dazu, dass die amerikanische Wirtschaft 2018 um 2,9 Prozent wuchs.
Entspannungssignale an China, Drohungen an Draghi
So ein Wirtschaftswachstum hätte Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, in der Eurozone auch gern gehabt. Aber dort lag es zuletzt nur bei 1,8 Prozent. Draghis Instrument, das zu ändern, ist eine indirekte Abwertung des Euros gegenüber dem Dollar durch einen Nullzins. Diesen Nullzins will er beibehalten, wie der Italiener am Dienstag verlautbarte. Als Begründung dafür nannte er unter anderem eine "steigende Gefahr des Protektionismus".
Diese Gefahr könnte durch Draghis Dauer-Nullzinspolitik allerdings noch zunehmen: US-Präsident Donald Trump kritisierte die indirekte Euro-Abwertung gestern nämlich als "sehr unfair" und ließ durchblicken, dass er den daraus resultierenden Wettbewerbsnachteil für die USA durch Zölle auf Autos und andere europäische Produkte ausgleichen könnte, die er bereits angedroht hat.
Fast gleichzeitig informierte er die Öffentlichkeit über ein seinem Eindruck nach "sehr gutes Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten Xi", den er nächste Woche beim G-20-Treffen in Japan trifft. Nun sollen Teams beider Länder Vorbereitungen für ein gesondertes längeres Gespräch am Rande dieses Gipfels vorbereiten. Verläuft es gut, könnte sich der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt dem Ende zuneigen. Und Trump hätte Kapazitäten frei, sich um Draghi und die EU zu kümmern.
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