Wie sich Markus Lanz in der Debatte um die Letzte Generation blamierte
Seite 2: Gesellschaftsrat schon lange in Debatte
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Was Lanz aber offensichtlich nicht wusste, ist die Tatsache, dass das Konstrukt des Gesellschaftsrates keine Erfindung der Letzten Generation ist, sondern seit über 40 Jahren in den kritischen Gesellschaftswissenschaften diskutiert und in der Schweiz seit Langem als eine sehr sinnvolle Möglichkeit der Entscheidungsfindung in vielen kontrovers diskutierten politischen Fragen praktiziert wird.
Peinlich ist auch die Unkenntnis des Markus Lanz Rechercheteams, dass die Einrichtung von Bürgerräten sogar im Koalitionsvertrag der Ampelparteien verankert ist.
Demnach sollen zur Erstellung von Gutachten zu verschiedenen politischen Themen Bürgerräte gebildet werden, die aus genau 160 Personen bestehen und per Losverfahren zusammengesetzt werden: Sie sollen die gesamte gesellschaftliche Breite abbilden, wie es auch die Letzte Generation Klimaschutz vorschlägt.
Die Ampelkoalition will offenbar die Schweizer Erfahrungen für Deutschland nutzbar machen und die Zivilgesellschaft stärker in ihre Entscheidungen einbeziehen.
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Und tatsächlich ist bereits ein Bürgerrat für geeignete Maßnahmen zur Ernährungssicherung der Bevölkerung vereinbart worden; seine Einrichtung sollte just einen Tag nach der Lanz-Sendung im Deutschen Bundestag beschlossen werden.
Immerhin scheint die Politik weiter zu sein als die vermeintlichen Meinungsmacher der Republik. Dumm nur, dass die Ampelregierung es versäumt hat, einen Bürgerrat für die umstrittenste und existenziellste Frage des Klimaschutzes einzurichten.
Um die Ampelregierung daran zu erinnern, das Versäumte nachzuholen, müssen sich die Aktivisten der Letzten Generation auf die Straße stellen und den Verkehr blockieren.
Zweitens hat Markus Lanz mit seiner Bemerkung über das tiefe Misstrauen gegenüber dem Parlament unbewusst den wichtigsten Grund für die Entstehung der Letzten Generation genannt.
Offensichtlich spüren die Menschen intuitiv, dass die parlamentarische Demokratie nicht in der Lage ist, eine inhaltlich kohärente Antwort auf die existenziellen Folgen des Klimawandels für den Schutz des Lebens zu finden, die angesichts der Versäumnisse der Vergangenheit auch in angemessener Geschwindigkeit durchgesetzt werden müsste.
Das Versagen der parlamentarischen Demokratie, ein Problem wie den Klimaschutz sträflich zu verschleppen, obwohl die Wissenschaft seit über 40 Jahren Alarm schlägt, ist der Hauptgrund dafür, dass Menschen aus der Zivilgesellschaft zu Methoden jenseits des Dialogs greifen, die Michael Friedman in der Lanz-Sendung als den demokratiekonformen Weg bezeichnete, den die Fridays for Future erfolgreich praktizieren.
Die Letzte Generation zeigt mit ihren Aktionen des zivilen Ungehorsams die undurchlässigen Grenzen der parlamentarischen Demokratie auf, wenn es darum geht, einschneidende Maßnahmen wie jetzt beim Klimaschutz durchzusetzen, die dringend notwendig erscheinen.
Wenn eine Klientel- und Besserverdienerpartei wie die FDP in der Regierung ein Tempolimit verhindern kann, damit Porsche-Fahrer weiterhin freie Fahrt haben, wenn sie darüber hinaus die Ampel-Regierung in so existenziellen Fragen wie dem Klimaschutz immer wieder ausbremst, wo sie nur kann, dann hat diese Demokratie ein ernsthaftes Problem.
Und wenn sich in Berlin mehr kapitalkräftige Lobbyisten als Abgeordnete tummeln, dann hat diese Demokratie ein noch größeres Problem. Damit ist die Gefahr strukturell verankert, dass die Volksvertreter Opfer der Desinformation durch gierige Vermögensbesitzer werden, die nie das Gemeinwohl, sondern immer ihre Partikularinteressen im Auge haben und deshalb bestrebt sind, die Volksvertreter mit allen erdenklichen Raffinessen in ihrem Sinne zu manipulieren.
Der Gesellschafts- oder Bürgerrat ist im Grunde ein winziges Gegengewicht gegen die Übermacht der Lobbyisten, die ohne jede politische Legitimation ihr Unwesen treiben.
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