Wie sich Markus Lanz in der Debatte um die Letzte Generation blamierte
- Wie sich Markus Lanz in der Debatte um die Letzte Generation blamierte
- Gesellschaftsrat schon lange in Debatte
- Klimaschutz braucht direkte Demokratie
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Klimaaktivist stieß mit Vorschlag eines Bürgerrates auf heftigen Widerstand bei Moderator und Gästen. Die aber hatten eine wichtige Entwicklung übersehen. Eine kritische Rezension.
Eines muss man Markus Lanz lassen: Er schafft es immer wieder, wichtige aktuelle Themen ins Gespräch zu bringen. So auch in seiner letzten ZDF-Talkshow, bei er allerdings auch ein Problem offensichtlich wurde: Markus Lanz glaubt fast immer, auf der richtigen Seite zu stehen und die Legitimation zu haben, seine eigene Wahrheit vehement unters Volk bringen zu müssen.
Dazu lädt er in der Regel den Übeltäter oder die Übeltäterin ein, sei es Sahra Wagenknecht, die exponiert die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine scharf kritisiert, oder, wie zuletzt, eben einen Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation". Erklärt werden sollte, warum sein Handeln mit der parlamentarischen Demokratie nicht vereinbar ist und auch dem Klimaschutz eher schadet.
Zu diesem Zweck lädt Lanz Mitdiskutanten ein, von denen er annimmt, dass sie seine eigene Sicht der Dinge untermauern. So war es auch in dieser Sendung.
Es ging also um die Aktionen der Letzten Generation, die in den letzten Monaten oft mit Blockaden von Hauptverkehrsstraßen und Autobahnen im ganzen Land öffentlichkeitswirksam zum Ausdruck bringen wollten, dass die Bundesregierung nichts oder nicht genug tut, um Klimaschutzziele zu erreichen, die notwendig sind, um künftige Generationen vor den katastrophalen Folgen des menschengemachten Klimawandels zu schützen.
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Indem die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation – ganz im Sinne des Leitgedankens des zivilen Ungehorsams – Risiken auf sich nehmen und dabei auch bewusst Gesetze brechen, glauben sie, den Druck auf die Politik drastisch erhöhen und radikalen Klimaschutzforderungen wie dem bundesweiten Neun-Euro-Ticket für alle und Tempo 100 mehr Nachdruck verleihen zu können. Dabei nehmen die Aktivisten auch in Kauf, für die begangenen Regelverstöße ins Gefängnis zu gehen.
Der wissenschaftlich tätige Aktivist der Letzten Generation, Theodor Schnarr, war der Hauptkontrahent der Talkrunde am 20. Juli, die Markus Lanz über das Für und Wider der Blockadeaktionen der Letzten Generation führen wollte.
Die anderen drei GesprächsteilnehmerInnen, wie der katholische Theologe und Psychiater Manfred Lütz, der Autor und Jurist Michael Friedman und Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, sollten ihre Sicht der Dinge in die Runde einbringen. Sie waren sich einig, dass es sich bei der Klimakatastrophe tatsächlich um eine existenzielle Gefahr für die Menschheit handelt, die man zu Recht dramatisieren darf.
Zunächst ein Wort zum Moderator Markus Lanz. Er moderierte wie so oft nicht diskussionsoffen und überzog seine Rolle als Moderator drastisch. Auch hier verfolgte Lanz mit Vehemenz und Penetranz offensiv das Ziel, die Vertreter der Letzten Generation auf die Anklagebank zu setzen, weil sie mit ihren Blockadeaktionen erstens Gewalt anwendeten, zweitens einfache BürgerInnen, die einfach nur zur Arbeit gehen, ihre Kinder von der Kita abholen oder Einkäufe erledigen wollten, massiv verärgerten und drittens aus diesem Grund die Menschen gegen ihr eigentliches politisches Anliegen aufbrachten und damit dem Klimaschutz eher schadeten.
Man könnte Lanz' inhaltliche Kritik bis zu diesem Punkt sicherlich nachvollziehen und auch Michael Friedman zustimmen, der rhetorisch brillant der tatsächlich unzutreffenden Behauptung des Aktivisten Schnarr widersprach, die Aktionen der Letzten Generation würden als friedliche Aktionen wahrgenommen.
Die Straßenblockaden seien faktisch gewaltsame Aktionen, weil sie zweifelsohne den AutofahrerInnen die Bewegungsfreiheit beraubten. In der Debatte um die Gewaltfrage standen die Aktivisten der Letzten Generation auf verlorenem Posten.
Was nicht diskutiert wurde
Zudem wurden zwei essenzielle Themen gar nicht oder nur rudimentär diskutiert. Dabei sind es gerade diese Themen, die die Aktionen der letzten Generation in einem anderen Licht erscheinen lassen:
Zunächst die erneute Forderung der Klimaaktivisten nach einem Gesellschaftsrat, die Markus Lanz, Michael Friedman und Manfred Lütz fast auf die Palme brachte, bei der Ethikratsvorsitzenden Alena Buyx aber auf Sympathie stieß.
Der Gesellschaftsrat, erläuterte Theodor Schnarr, werde per Losverfahren zusammengesetzt und aus 160 Personen bestehen, so dass er die gesamte Gesellschaft abbilde.
Mit Hilfe von Klimaschutzexperten sollen die Ratsmitglieder auf einen möglichst gleichen Wissensstand gebracht werden. In kleinen Arbeitsgruppen sollten sie Lösungen für ein Gesamtgutachten mit Maßnahmen für die Politik erarbeiten, wie der Ausstieg aus den fossilen Energien bis 2030 erreicht werden kann.
Markus Lanz stellte sichtlich empört die Legitimation eines solchen Gesellschaftsrates in Frage, indem er ihn mit dem deutschen Parlament mit seinen über 700 Mitgliedern verglich und kritisierte, es sei absurd, einem kleinen, per Losverfahren zusammengesetzten Gremium mehr Legitimation und Kompetenz zuzusprechen als dem von 84 Millionen Menschen demokratisch gewählten Parlament.
Lanz brachte sein tiefes Unbehagen gegenüber dem Vorschlag, die Lösung des Klimaproblems in die Hände eines Gesellschaftsrates zu legen, mit der Bemerkung auf den Punkt, der Vorschlag impliziere ein tiefes Misstrauen der letzten Generation gegenüber dem Parlament und der Demokratie überhaupt.
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