Wieder neuer Inflationsrekord im Euroraum
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Von Abschwächung keine Spur, die Teuerungsrate in der Eurozone ist auf dem Weg, zweistellig zu werden. Der Tankrabatt wird die Inflation in Deutschland kaum bremsen
Es ist nun wirklich keine Überraschung, dass die offizielle Inflationsraten in Deutschland und in der Eurozone steigen und steigen. Hatte die Europäische Statistikbehörde (Eurostat) kürzlich die Rekordmarke im April von 7,4 Prozent bestätigt, kam nun von Eurostat – wie erwartet – eine neue Hiobsbotschaft für die Verbraucher.
In der ersten Schnellschätzung gehen die europäischen Statistiker davon aus, dass die offizielle Inflationsrate im Euroraum nun im Mai offiziell sogar auf 8,1 Prozent gestiegen ist. Das ist der höchste Stand seit der Einführung der Gemeinschaftswährung, kann man nun wieder einmal anfügen.
Mit dem erneuten Anstieg bestätigt sich auch die Einschätzung von Telepolis, dass die Inflationsrate in Großbritannien, wo sie schon im April auf neun Prozent angestiegen war, die Richtung vorgibt, wohin die Inflationsreise auch im Euroraum geht. Im Königreich wird schon mit einer Rate von zehn Prozent gerechnet. Auch in der Eurozone darf damit gerechnet werden, dass die Inflation im Laufe des Jahres zweistellig wird.
Wie am Beispiel Großbritannien aufgezeigt, ist die Inflationsrate für einfache Menschen bereits zweistellig. Denn niedrige Einkommen müssen einen großen Teil des Einkommens für Energie und Lebensmittel ausgeben. Das sind die "Hauptkomponenten der Inflation", wie Eurostat herausstreicht.
Energie hat sich im Mai im Euroraum um 39,2 (!) Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat verteuert. Im April betrug der Anstieg noch 37,5 Prozent. Lebensmittel hatten sich im April noch um 6,3 Prozent verteuert, im Mai schon 7,5 Prozent. Alle Komponenten zur Inflationsberechnung zeigen nun einen klaren Aufwärtstrend.
Es ist kein Geheimnis, dass sich hohe Energiepreise erst mit zeitlicher Verzögerung in steigenden Preisen für Waren und Dienstleistungen niederschlagen. Allein deshalb ist mit einer länger anhaltenden Inflation zu rechnen. In Großbritannien spricht man, obwohl dort schon Gegenmaßnahmen ergriffen wurden, deshalb von einer "sehr, sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation".
Kalte Dusche im Sommer
Mit Estland hat ein erstes Land sogar die Marke von 20 Prozent knapp übersprungen, Litauen liegt mit 18,5 Prozent nur noch wenig darunter. Die Niederlanden haben die Marke von zehn Prozent schon gerissen, Belgien bleibt mit 9,9 Prozent noch knapp darunter. Unter den großen Euroländern ist Deutschland mit 8,7 Prozent nun schon an die Spitze vor Spanien mit 8,5 oder Italien mit 7,3 Prozent vorgerückt.
Als Bremser erweist sich Frankreich (5,8 Prozent). Dort wird allerdings mit hohen Subventionen auf Sprit und Strom die Inflation noch künstlich niedriger gehalten. Die ohnehin hohe Staatsverschuldung wird darüber noch deutlich ausgeweitet. Hier kommt nach den Präsidentschafts- und den Parlamentswahlen mit großer Voraussicht aber die kalte Dusche im Sommer.
Die Politik der Wahlgeschenke lässt sich dauerhaft nach den Wahlen nicht durchhalten. Die Kosten steigen, da angesichts des altersschwachen Atomparks viel Strom sehr teuer importiert werden muss, um einen Blackout abzuwenden.
Enorme Summen müssen zudem aufgebracht werden, um den immer höher verschuldeten staatlichen Stromversorger EDF zu retten, der sich tief und tiefer, auch im Ausland wie in Großbritannien, in die atomare Sackgasse manövriert hat. Es stehen enorme Investitionen an, um ein Desaster in Frankreich zu vermeiden.
Deutschland: Auch die Nahrungsmittelpreise überdurchschnittlich gestiegen
Dass Eurostat die Inflationsrate in Deutschland auf offizielle 8,7 Prozent beziffert, könnte den einen oder die andere aufhorchen lassen. Hatten nicht gerade die deutschen Statistiker am Montag die Inflationsrate nur mit 7,9 Prozent angegeben.
"Ähnlich hoch wie im Mai 2022 war die Inflationsrate in Deutschland zuletzt im Winter 1973/1974, als infolge der ersten Ölkrise die Mineralölpreise ebenfalls stark gestiegen waren", heißt es in der Presseerklärung des Statistischen Bundesamts (Destatis).
Festgestellt wird auch, dass in Deutschland auch die Nahrungsmittelpreise schon überdurchschnittlich stark um 11,1 Prozent gestiegen sind. Dass Eurostat insgesamt eine deutlich höhere Inflationsrate für Deutschland angibt, macht schon deutlich, dass man es bei der Teuerungsrate mit einer politisch stark beeinflussten Größe zu tun hat.
Experten kritisieren aber auch, dass auch im Euroraum immer mehr Teile aus der Ermittlung der Inflationsrate herausgenommen wurden, um sie aufzuhübschen. Trotz allem ist der "Harmonisierte Verbraucherpreisindex" (HVPI), den Eurostat benutzt, noch immer weniger stark verzerrt, als der deutlich stärker verzerrte "Verbraucherpreisindex" (VPI), den Destatis benutzt.
Eine Lücke von 0,8 Prozentpunkten zwischen VPI und HVPI gab es schon einmal im vergangenen November. Damals hatte Eurostat die harmonisierte Inflation für Deutschland schon mit sechs Prozent angegeben. Das zeigt auch auf, dass die hohe Inflation nur sehr wenig mit dem Ukraine-Krieg zu tun hat.
Ausrede Ukraine-Krieg
Doch der wird gerne von der Europäischen Zentralbank (EZB) oder auch Destatis als Ausrede angeführt, um nicht für Geldwertstabilität zu sorgen. Eigentlich soll die Inflation bei zwei Prozent liegen und nicht vierfach darüber. Die EZB will mit immer neuen Ausreden ihr Scheitern mit einer desaströsen Geldpolitik vernebeln. Doch die wird immer offensichtlicher.
Mit der Geldschwemme durch die EZB hat die hohe und steigende Inflation dagegen sehr viel zu tun. Man kann nicht unbegrenzt die Geldmärkte fluten, wie es die Frankfurter Notenbank seit 2008 tut, ohne dass die extrem ausgeweitete Geldmenge irgendwann zu einer starken Inflation führt. Dass die EZB sich bisher weigert, mit erhöhten Leitzinsen die Schrauben anzuziehen, wird die ohnehin harte Landung noch härter machen.
Sie weicht damit vom Kurs ab, der allüberall eingeschlagen wird, auch bei der Bank of England (BoE) oder der US-Notenbank FED. Telepolis hatte mit Blick auf Expertenmeinungen schon ausgeführt. "Je länger man das Problem verschleppt, desto härter werden die Konsequenzen." Das erklärte zum Beispiel der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer.
Die dauerhaft falschen Prognosen, auf der die EZB ihre Geldpolitik aufbaut, schlagen sich allerdings weiterhin zum Beispiel auch beim Bundesverband deutscher Banken (BdB) nieder. In einer aktuellen Analyse, die am Donnerstag veröffentlicht wurde, heißt es:
Wegen statistischer Basiseffekte bei den Energie- und Rohstoffpreisen sollte die Inflationsrate im weiteren Jahresverlauf zwar wieder etwas sinken. Mit Raten von über 3 Prozent dürften die Verbraucherpreise aber auch im Durchschnitt des kommenden Jahres deutlich über dem 2-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank liegen.
Bundesverband deutscher Banken
Obwohl der BdB sehr optimistische Prognosen sekundiert, wie man sie vom EZB gewohnt ist, macht auch der Bankenverband Druck darauf, die Geldschleusen zu schließen. Wie man zu der Einschätzung kommt, dass die Inflation im Jahresverlauf wieder sinken soll, bleibt ein BdB-Geheimnis. Diverse Faktoren weisen eher in eine ganz andere Richtung.
Erzeugerpreise als Vorboten
So gelten die Erzeugerpreise in der Eurozone als Vorboten für die kommende Inflation. Sie stiegen, wie Eurostat gerade vermeldet hat, im April erneut um 1,2 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr sind das fast 38 Prozent mehr. Die Energiepreise haben sich im Jahresvergleich fast verdoppelt und haben um sage und schreibe 99,2 Prozent, zugelegt. Die Preise für Vorleistungsgüter sind um 25,1 Prozent gestiegen.
Dass "Madame Inflation", wie EZB-Chefin Christine Lagarde genannt wird, zaghaft im Sommer ein Ende der Null- und Negativzinspolitik in Aussicht stellt, fordert der BdB klarere Schritte. "EZB sollte Negativzinspolitik vor der Sommerpause beenden", wird gefordert. Denn noch immer müssen Banken, die Geld bei der Zentralbank hinterlegen, 0,5 Prozent Strafzins bezahlen. Die EZB wird kritisiert, dass sie auf "das fundamental geänderte Preisumfeld bislang sehr zögerlich reagiert und an der Negativzinspolitik festgehalten" habe.
Es fehlten deutliche Stabilitätssignale für die Tarifparteien und es drohen weitere Risikozuschläge bei den Kapitalmarktzinsen oder beim Wechselkurs. Auch hier haben wir schon aufgezeigt, dass die Geldpolitik der EZB zu starken Kapitalabflüssen in Währungsräume führt, die die Leitzinsen schon erhöht haben. Damit wird der Euro weiter geschwächt, der sich der Parität zum US-Dollar längst nähert.
Deshalb steigen Energiepreise im Euroraum auch, Öl und Gas wird in Dollar bezahlt, allein über den schlechteren Wechselkurs, auch wenn die Energiepreise stabil auf dem Weltmarkt bleiben. Ganz anders sieht das in der Schweiz aus.
Auch ein starker Franken sorgt dafür, dass die Inflation nur 2,9 Prozent beträgt, worauf die Eidgenossen schon fast panisch reagieren. Klar ist, dass der Bankenverband vor allem ein schnelles Signal fordert, das die Tarifauseinandersetzungen beeinflussen soll.