Wieder Atomkraft-Ärger für die EDF, nun in Großbritannien
Neue "schwarze Woche" für den französischen Stromversorger: Explodierende Kosten und weitere Verzögerungen beim EPR-Neubau im britischen Hinkley Point
"Die Debakel häufen sich bei der EDF", hat die französische Zeitung La Tribune angesichts der riesigen Probleme getitelt, mit denen der französische Energiekonzern konfrontiert ist.
Die Probleme wachsen dem Atomkonzern immer stärker über den Kopf. Gerade hatte Telepolis erneut auf die dramatischen Korrosionsprobleme in den französischen Atomkraftwerken hingewiesen, die schon zur Abschaltung von zwölf der 56 Reaktoren geführt haben. Das Land schreitet mit großen Schritten auf einen Blackout voran, da ohnehin nur die Hälfte aller Reaktoren am Netz ist und nun wegen des Klimawandels auch noch Kühlwasser für noch laufende Reaktoren fehlt.
Zu den Debakeln gehört auch der "Neubau" des European Pressurized Reactor (EPR) in Flamanville, der eigentlich schon seit zehn Jahren Strom liefern sollte. Bis 2024 wird das sicher nichts, derweil schreitet Frankreich auf eine "Strom-Katastrophe" zu. Die Kosten für die angebliche "billige" Atomkraft sind derweil in Flamanville von 3,3 Milliarden Euro auf fast 20 Milliarden angestiegen.
Ein solches Debakel zeichnet sich für die EDF nun auch beim EPR-Neubau im britischen Hinkley Point ab. Der Neubau in Somerset soll sich erneut um etwa eineinhalb Jahren verzögern. Die zusätzlichen Kosten werden schon jetzt auf mindestens drei Milliarden Pfund (3,5 Milliarden Euro) geschätzt.
Es wiederholt sich im Südwesten Englands, was man aus Flamanville oder dem finnischen Olkilouto bereits kennt. Die Kosten explodieren, die Fertigstellung verzögert und verzögert sich weiter. In Hinkley Point rechnet auch die EDF, die immer wieder mit viel zu positiven Prognosen auffällt, mit Gesamtkosten von 25 bis 26 Milliarden britischen Pfund (29,5 bis 30,7 Milliarden Euro).
2027 soll Hinkley Point C angeblich nun ans Netz gehen. Man kennt zwar die Halbwertszeiten bei Verfall von radioaktiven Stoffen genau, aber die Halbwertszeiten der EDF-Prognosen nehmen immer schneller ab. Erst am Jahresanfang hatte die EDF die Kosten auf 22 bis 23 Milliarden Pfund beziffert, musste aber diese Prognose auch nach nur wenigen Monaten zurücknehmen. Bei der Genehmigung von Hinkley Point C vor sechs Jahren wurden noch 18 Milliarden Pfund prognostiziert.
Es ist natürlich schön, wenn die EDF in ihrer Presseerklärung erklärt, dass die Kostensteigerungen keine "Auswirkungen für die britischen Verbraucher" haben würden. Den wurden für die zwei EPR-Druckwasserreaktoren in den Verträgen schon eine Preisgarantie von 92,5 Pfund pro Megawattstunde über 35 Jahre aufgedrückt, die zudem noch an die Inflation angepasst wird. Billig ist Atomstrom also, das zeigen die teuersten Meiler weltweit, sicher nicht.
Die französische Zeitung L'Express spricht von einer "neuen schwarzen Woche" für den Atomstrom-Konzern. Wegen der Probleme rechnet der hochverschuldete Konzern nun mit einer Gewinnbelastung von etwa 18,5 Milliarden Euro auf den operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA).
Bisher war die EDF von 14 Milliarden ausgegangen. Milliarden-Mehrkosten aus Hinkley Point, die bei der EDF, also letztlich beim französischen Steuerzahler zu Buche schlagen, kommen zu den Belastungen hinzu, dass Strom wegen des altersschwachen Atomparkes extrem teuer importiert werden muss.
Die EDF-Desaster treiben den Konzern immer stärker in den Abgrund. "Innerhalb einer Woche hat sich der finanzielle Horizont des mit 43 Milliarden Euro verschuldeten Konzerns erheblich verdunkelt", fügt L'Express an. Die Zeitung bringt schon die nächste Rettung durch den Staat ins Spiel. Erst im April musste der Staat, der 84 Prozent der Aktien hält, in eine Rekapitalisierung weitere 2,7 Milliarden Euro stecken.
Bei den geplanten 2,1 Milliarden ist es also auch nicht geblieben. Die Gewerkschaften gehen längst von neuen Subventionen im Umfang von weiteren zehn Milliarden aus, was praktisch einer vollständigen Verstaatlichung gleichkomme.
Dass die Regierung kürzlich die EDF gezwungen hat, weitere 20 Prozent des Stroms zu einem niedrigen Preis zu verkaufen – Frankreich befindet sich weiter im Wahlkampf - belastet den Konzern zusätzlich. Da der Staat "zum Großteil die Debakel" bei der EDF zu verantworten habe, werde der es "niemals versäumen, die EDF zu retten", meint die Zeitung.