Wiedervernässte Moore, Torf aus dem Baltikum und höhere CO2-Emissionen bei Gaskraftwerken

Seite 3: Stoßen Gaskraftwerke mehr Kohlendioxid aus als Kohlekraftwerke?

Der Artikel "Die Erdgaslobby hat Deutschland weiter voll im Griff" von Hans-Josef Fell löste bei einigen Lesern Verwunderung aus, genauer gesagt der Absatz:

Die Erdgaslobby täuscht in ihren Gesprächen und Werbekampagnen Politik und Öffentlichkeit und stellt Erdgas als Beitrag zum Klimaschutz dar. Dies tut sie, obwohl längst wissenschaftlich bewiesen ist, dass Erdgaskraftwerke oder Erdgasheizungen bis zu 30 Prozent mehr Klimagase ausstoßen als Kohlekraftwerke oder Erdölheizungen.

Gewünscht wurde eine Quelle, angemerkt wurde außerdem:

Das ist zwar aufgrund der chemischen Zusammensetzung der jeweiligen Energieträger vollkommen unmöglich, (...)

Erdgas, welches hauptsächlich aus Methan besteht, besitzt lediglich ein Kohlenstoff-Atom und vier Wasserstoff-Atome. Alle anderen fossilen Energieträger haben ein schlechteres Kohlenstoff-Wasserstoff-Verhältnis.

Von Lesern angeführt wurden auch die von Volker Quaschning zusammengetragenen spezifischen CO₂-Emissionen verschiedener Brennstoffe, Zahlen, die übrigens zum größten Teil vom Umweltbundesamt stammen und damit auch die Grundlage bilden für die Berechnung des gesamten deutschen CO₂-Ausstoßes. Bei der Heizenergie stößt die Braunkohle hier 110,8 g CO₂/MJPE aus, Heizöl 74 g CO₂ und Erdgas 55,8 g CO₂.

Ähnlich sieht das Verhältnis bei der Stromerzeugung aus, was auch ein Grund dafür ist, dass Kohlekraftwerke eigentlich schneller vom Netz gehen sollten als Gaskraftwerke. (Ein zweites und wichtiges Argument für Gaskraftwerke ist, dass sie flexibler eingesetzt werden können und daher besser zu einem überwiegend auf erneuerbaren Energien basierendem System passen.)

Die von Hans-Josef Fell angeführten Mehremissionen von Gaskraftwerken und Gasheizungen sind jedoch nicht aus der Luft gegriffen, sondern wurden von ihm gemeinsam mit Thure Traber schon in der Studie "Erdgas leistet keinen Beitrag zum Klimaschutz" erklärt. Die Studie wurde 2019 bei der Energy Watch Group veröffentlicht.

Die Diskrepanz kommt zustande durch die unterschiedliche Gewichtung von Methanemissionen, die entlang der Kette von der Förderung des Brennstoffs bis zur Umwandlung in Strom oder Wärme entstehen. Zwar werden Treibhausgasemissionen in CO₂ angegeben, gemeint sind damit in der Regel aber CO₂-Äquivalente, das heißt, andere Treibhausgase wie Methan und Lachgase verbergen sich ebenso hinter dieser Zahl.

Im Fall von Erdgas geht es in erster Linie um Methan, das den Hauptbestandteil des brennbaren Gases bildet. Methan entweicht bei der Förderung und beim Transport von Erdgas insbesondere dann, wenn das Gas durch Fracking gewonnen wird. Fell und Traber konstatieren einen drastischen Anstieg von Methan in der Atmosphäre seit 2012. Bis zu 2,7 Prozent des geförderten Erdgases gingen nach dem Förderprozess verloren.

Doch nicht nur bei der Höhe der Methanemissionen setzen die Autoren höhere Werte an als etwa die Internationale Energieagentur (IEA), sondern auch bei dessen Klimawirksamkeit. Zwar wird Methan in der Atmosphäre viel schneller abgebaut als Kohlendioxid, es ist aber um ein Vielfaches klimawirksamer.

Für die Vergleichbarkeit von Methan und Kohlendioxid ist daher der Zeithorizont entscheidend, auf den die Klimawirksamkeit umgerechnet wird. Anstatt die Klimawirksamkeit für die nächsten 100 Jahre zu vergleichen, bevorzugen Fell und Traber einen Betrachtungszeitraum von nur 20 Jahren, wodurch Methan gegenüber Kohlendioxid ein stärkeres Gewicht bekommt. Die 20-jährige Klimawirkung von Methan sei für die Vermeidung von Kipppunkten entscheidend, so das Argument.

Für Frackinggas kamen die Autoren 2019 in ihrer Berechnung sogar zu einem um 41 Prozent höheren Treibhausgasausstoß eines Gaskraftwerkes im Vergleich zu einem Kohlekraftwerk.

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