Wieso die Digitalisierung der Medizin in Deutschland nicht vorankommt
Es gibt große Pläne, die medizinische Versorgung in Deutschland mithilfe der Digitalisierung zu verbessern. Dennoch sind die Fortschritte bescheiden. Werden falsche Schwerpunkte gesetzt?
Die Digitalisierung in Deutschland folgt einem Trend: Nicht kommt so, wie es großspurig angekündigt wurde. Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist es nicht anders.
Die Nationale Agentur für Digitale Medizin gematik ist für die Umsetzung in der Bundesrepublik zuständig. Sie wurde von den Spitzenverbänden der Leistungserbringer und Kostenträger des deutschen Gesundheitswesens gegründet. Partner für die technische Umsetzung ist die Bertelsmann-Tochter Arvato Systems.
Eine ihrer großen Ankündigungen war das eRezept. Es sollte schon vor Jahren eingeführt werden – nach einer Vorbereitungszeitung von zehn Jahren. So richtig losgehen sollte es dann am 1. Juli 2023, wie es bei den Verbraucherzentralen hieß.
Bis in die Arztpraxen scheint sich dieser Plan noch nicht herumgesprochen zu haben. Dort werden weiterhin die gewohnten rosa Rezeptvordrucke für Kassenpatienten und die blauen Privatrezepte ausgestellt.
Auch von der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ist im Praxisalltag noch nichts zu sehen. Sollten ursprünglich die Patientendaten auf der Karte gespeichert werden, wurde die eGK inzwischen zu einem Zugangsschlüssel umdefiniert und alle Daten werden auf zentralen Servern gespeichert.
Gesetzlich geregelt wurde das durch das Patienten-Schutz-Gesetz, das den Patienten auch die Möglichkeit eröffnen soll, seine Patientendaten als Datenspende der medizinischen Forschung nutzbar zu machen.
Hinsichtlich der Sicherheit der Patientendaten im Umfeld der gematik, die wie eine Spinne im Netz der deutschen Digitalisierungsbemühungen sitzt, kommen immer wieder erhebliche Zweifel auf.
Zuletzt schlug Murphys Law bei der elektronischen Krankschreibung zu, wo massenhaft Benachrichtigungen an eine Arztpraxis verschickt wurden, weil eine Adresse doppelt vergeben war.
Schwerpunkte der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen
Unter Digitalisierung wird im deutschen Gesundheitswesen offensichtlich primär die Automatisierung der Verwaltung verstanden und nicht der Nutzen für den Patienten. Eine Digitalisierung, die den Patienten einen direkten Nutzen bringt, indem sie die Kommunikation zwischen Arzt und Patient erleichtert, stößt in Deutschland auf erheblichen Widerstand.
So ist Huma mit seinem Patientenmonitoring-System, mit dem Patienten zu Hause überwacht und im Notfall schnell in ein Krankenhaus eingewiesen werden können, in Deutschland nicht über Pilotprojekte hinausgekommen.
Auch bei der Herstellung von Hilfsmitteln wie individuell gefertigten losen Einlagen für Schuhe könnten Digitalisierung und 3D-Druck zu einer schnelleren Verfügbarkeit führen. Die dafür inzwischen erforderlichen Konformitätserklärungen überfordern viele Orthopädie-Schumacher.
Die Umsetzung dieser Anforderungen und die entsprechende Marktüberwachung sind in Deutschland Sache der einzelnen Bundesländer und wird dort unterschiedlich gehandhabt.
Pflegeroboter als Lösung für den Pflegermangel?
Das Pflegepersonal ist in Deutschland ein entscheidender Engpassfaktor im Krankenhausbetrieb. Wer den Pflegeschlüssel nicht erfüllt, muss Betten stilllegen oder sogar ganze Stationen schließen.
Mit einer besseren Bezahlung der Pflegekräfte wollte man die Situation verbessern. In der Folge wanderten viele Pflegekräfte zu Zeitarbeitsfirmen ab, wo der Verdienst noch optimiert werden kann; die Kosten für die Krankenhäuser stiegen noch stärker als die direkten Personalkosten.
Alle Versuche, Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben, scheiterten letztlich ebenso wie der Versuch, chinesische Pflegekräfte in Deutschland über ein Ausbildungsprogramm höher zu qualifizieren und nach fünf Jahren mit dieser Qualifikation wieder nach Hause zu schicken.
Nach zahlreichen Versuchen in der Altenpflege und Kinderbetreuung keimt nun wieder die Idee auf, den Pflegenotstand in Krankenhäusern mit Robotern zu lindern.
KI als Entscheidungshilfe bei der Patientenversorgung?
Ein erster Schritt wurde hier mit der bedarfsgerechten Steuerung in der Notfallversorgung gemacht. In einer Erklärung des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen vom 06. Juli heißt es:
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat jetzt eine Richtlinie zur Ersteinschätzung festgelegt. Damit können Menschen, die in die Notaufnahme kommen, bedarfsgerecht in die geeignete Versorgungsebene gesteuert werden. Die gesetzlichen Vorgaben, auf denen die Richtlinie basiert, haben jedoch weiterreichende Verbesserungen verhindert. Der GKV-Spitzenverband appelliert daher an den Gesetzgeber, bei den kommenden Reformschritten zur Notfallversorgung noch nachzusteuern.
Nach den angestrebten Gesetzesänderungen steht einer Automatisierung der Notfallversorgung möglicherweise nichts mehr im Wege. Schon heute ist bei Kassenleistungen, die genehmigt werden müssen, eine entsprechende Automatisierung zu beobachten. Der Schritt zum Einsatz von KI, die im Zweifelsfall auch entscheidet, ob sich ein lebensnotwendiger Eingriff noch lohnt, ist dann nur noch ein kleiner.
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