Willkommen in der Hölle!
Vor 4 Milliarden Jahren war die Erde ein unwirtlicher Ort, auf den regelmäßig riesige Felsbrocken aus dem Weltraum herniedergingen. Jetzt haben Forscher die Chronik dieses Bombardements aufgeschrieben
Nachdem vor rund 4,6 Milliarden unsere Sonne aus einem Gasnebel kondensiert war, blieb eine Menge Material übrig. Die restliche Scheibe bestand zu drei Vierteln aus Wasserstoff, dazu kamen Helium und ganze zwei Prozent schwererer Elemente. Schon zu diesem Zeitpunkt zeigten sich Inhomogenitäten, doch zunächst war das Material mit mehreren Tausend Grad noch zu heiß, um sich zu größeren Körpern zu formen.
Die überschüssige Energie wurde mit der Zeit als Strahlung abgegeben, sodass sich einzelne Moleküle bei Zusammenstößen zu kleinen Tropfen und Staubkörnern zusammenfinden konnten. In der Nähe der Sonne, wo es mit über 1300 Grad Celsius noch immer am heißesten war, betraf dieser Prozess zunächst nur die schwersten Elemente - Aluminium, Titan, Eisen, Nickel und später, bei 300 bis 1000 Grad Celsius, auch Silikate. In Asteroiden finden sich noch heute Einschlüsse dieser frühen Staubklumpen, deren Alter auf 4,568 Milliarden Jahre bestimmt werden konnte - das gilt deshalb gemeinhin als das Alter des Sonnensystems.
Weiter außen in der Scheibe hingegen, bei nur noch minus 120 Grad Celsius, kondensierten wasserstoffreiche Moleküle zu gefrorenem Wasser, Methan oder Ammoniak. Wasserstoff und Helium kondensierten zu keinem Zeitpunkt, sie machten insgesamt 98 Prozent der Masse der Scheibe aus.
Welche Kondensationskerne zur Bildung von Planeten bereitstanden, hängt also von der Entfernung zur Sonne ab. Im inneren Sonnensystem klumpte der Staub aus Metallen und Silikaten, zunächst von mikroskopischer Größe, mit der Zeit durch Zusammenstöße und die Gravitation zu Planetesimalen zusammen, die im Lauf einiger Millionen Jahre einige Kilometer groß wurden. Je weiter dieser Prozess voranschritt, desto gravierender wurden allerdings auch die Folgen von Zusammenstößen. Nur die größten Planetesimale überlebten dabei und nahmen weiter an Größe zu.
Diese heute "terrestrisch" genannten Planeten blieben im Vergleich relativ klein. Sie waren deshalb auch in geringerem Maß in der Lage, Wasserstoff und Helium aus der protoplanetaren Scheibe an sich zu binden. Die beim Wachstum der Planeten freiwerdende Energie führte zu einem Schmelzprozess im Kern der Protoplaneten, in dessen Folge sich die einzelnen Stoffe in Schichten trennten - leichtere Elemente wanderten nach außen, die schwersten, Eisen und Nickel, blieben im Kern.
Genau so spielte sich auch die Entstehung der Erde ab - allerdings mit einem Paukenschlag, der Kollision mit einem etwa marsgroßen Protoplaneten, die zur Entstehung des Mondes führte. Unser Begleiter muss sich damals noch in einem Fünftel der heutigen Entfernung befunden haben. Er übte deshalb auch weitaus stärkere Gezeitenkräfte aus, die die Erdkruste kaum zur Ruhe kommen ließen.
So weit zur Theorie. Leider gibt es heute keine Zeugen mehr, die Auskunft über die Frühzeit der Erde geben könnten, das so genannte Hadaikum. Als älteste Mineralien gelten mikroskopisch kleine Zirkonium-Körner, die in Westaustralien gefunden wurden. In Kanada identifizierte Gesteine zeigen, dass es schon vor circa 4,2 Milliarden Jahren sowohl einen Ozean als auch Festlandinseln gegeben haben muss.
Im Wissenschaftsmagazin Nature rekonstruiert ein internationales Forscherteam jetzt die früheste Geschichte der Erde - und zwar mit Hilfe des Mondes. Das hat eine ganze Reihe von Vorteilen. Zum einen besitzt der Mond ein hervorragendes Gedächtnis, in Form seiner Oberfläche, die so gut wie nicht verwittert ist.
Zum anderen brauchten die Forscher nicht auf Annahmen aus dem Modell der Erdentstehung zurückzugreifen. Von der einzigen Annahme abgesehen, dass der Mond demselben Teilchenstrom ausgesetzt war wie die Erde. Die Wissenschaftler haben dazu alle Mondkrater durchgezählt, aus Größe und Form auf die Eigenschaften des Projektils geschlossen und schließlich alle Ereignisse in einer Zeitlinie angeordnet. Das ist eine echte Fleißarbeit mit spektakulären Ergebnissen (siehe GIF-Animation).
Vor allem zeigt sich dabei, dass die Erde in ihren ersten 500 Millionen Jahren Lebenszeit eine echte Hölle gewesen sein muss. Zwar haben die Kollisionen seit der Entstehung des Mondes der Erde nur rund 1 Prozent Masse hinzugefügt. Doch das andauernde Bombardement hat die Zusammensetzung der obersten Erdschichten immer wieder verändert.
Dabei hatten Groß-Treffer mit bis zu 3000 Kilometer durchmessenden Objekten (von denen es bis zu 17 gegeben haben kann) naturgemäß die schlimmsten Auswirkungen. In ihrer Folge muss der Ur-Ozean damals mehrfach verdampft sein, zuletzt vor nur rund 4 Milliarden Jahren.
Die komplette Erdoberfläche schmolz in dieser Zeit insgesamt sechs Mal. Bis zu vier der großen Treffer müssten in der Lage gewesen sein, die Erde der damaligen Zeit komplett zu sterilisieren. Das frühe Leben, schließen die Forscher, muss also sehr temperatur-unempfindlich gewesen sein und brauchte zudem Nischen, in denen es die Katastrophen überstehen konnte.
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