Wird die Deutsche Bahn AG zerschlagen?
Der neue Anlauf zur Überführung der Infrastruktur in unmittelbare öffentliche Trägerschaft ist eigentlich keine schlechte Idee, beschleunigt aber nicht automatisch die Verkehrswende
Die Monopolkommission fordert von der künftigen Bundesregierung eine Zerschlagung der Deutsche Bahn AG in ihrer bisherigen Form. Die 1973 von der SPD/FDP-Koalition unter Willy Brandt eingerichtete Kommission hat die Aufgabe, die Bundesregierung vor allem in wettbewerbsrechtlichen Fragen zu beraten. Ihre Mitglieder werden von der Bundesregierung berufen, das Gremium agiert aber nicht weisungsgebunden und hat auch die Möglichkeit, eigenständig mit Gutachten an die Öffentlichkeit zu gehen oder seine Positionen zu verbreiten.
Dem Vernehmen nach stehen die Grünen und die FDP in den laufenden Koalitionsverhandlungen dieser Idee wohlwollend gegenüber, in der SPD gibt es dagegen Widerstand. Auch bei den beiden Bahn-Gewerkschaften EVG und GDL gibt es unterschiedliche Positionen in dieser Frage.
Die EVG lehnt eine Zerschlagung des integrierten Konzerns vehement ab, während die GDL einer Überführung der gesamten Bahninfrastruktur - also Netz, Stationen, Energieversorgung - in unmittelbare öffentliche Trägerschaft positiv gegenüber steht. Die Bahn AG würde dann als weiterhin im Bundesbesitz befindliches Verkehrsunternehmen den Transport von Fahrgästen und Gütern anbieten und müsste sich verstärkt dem Wettbewerb mit privaten Unternehmen stellen.
Wenn jetzt vor einer weiteren Privatisierung gewarnt wird, ist das aber eher Ausdruck bedingter Reflexe als ein nüchterner Umgang mit dem Plan. Rechtlich privatisiert ist die Bahn bereits seit 1994, als die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn als vormalige Betreiber des Schienenverkehrs in der Bundesrepublik und in der DDR in eine Aktiengesellschaft überführt wurden. Die DB AG ist als operative Holding konzipiert, die in Deutschland sowohl Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) als auch Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) führt.
Zu der Holding gehören mittlerweile rund 700 Unternehmen, von denen viele absolut nichts mit der Kernaufgabe, dem Schienenverkehr in Deutschland, zu tun haben. Im Zuge der später beerdigten Pläne für einen Börsengang von Teilen der Holding wollte der Staatskonzern als Global Player reüssieren und im weltweiten Logistikgeschäft mitmischen, wobei im Laufe der letzten Jahrzehnte zweistellige Milliardenbeträge regelrecht versenkt wurden. Die Infrastruktur wurde dabei systematisch vernachlässigt, mit den bis heute spürbaren Folgen.
Es geht um eine Verkehrswende
Wettbewerb auf der Schiene gibt es ebenfalls schon sehr lange. Der gesamte Regionalverkehr wird auf der Ebene der Bundesländer in bestimmten Zyklen ausgeschrieben. Die privaten Konkurrenten der DB haben dort mittlerweile einen Marktanteil von 36 Prozent. Noch deutlicher ist dies beim Schienengüterverkehr, der bei der Vergabe von Transportleistungen keinen öffentlich-rechtlichen Regulierungen unterliegt. Dort ist der Marktanteil des Staatskonzerns auf knapp unter 50 Prozent gerutscht.
Doch bei jedem gefahrenen Schienenkilometer und jedem angefahrenen Bahnhof kassiert der Konzern unabhängig vom Betreiber mit. Denn diese müssen Trassen- und andere Nutzungsentgelte bezahlen. Zwar müssen die zur Bahn gehörenden EVU das rein buchhalterisch auch, doch die Einnahmen verbleiben im Konzern.
Im Fernverkehr hat die Bahn AG faktisch ein Monopol, nur ein Prozent der Transportleistung entfällt auf Wettbewerber. Auch da spielt die Verfügungsgewalt über das Netz eine wichtige Rolle, denn letztendlich entscheidet der Konzern, wann und wo Wettbewerber Trassen nutzen können - oder eben auch nicht. Es liegt auf der Hand, dass eigenwirtschaftliche Interessen der DB AG dabei eine gewisse Rolle spielen. Das betrifft aber auch den Ausbau des Netzes.
Das Gegenteil einer Privatisierung
Vor diesem Hintergrund wäre eine Überführung der Schieneninfrastruktur in unmittelbare öffentliche Trägerschaft, etwa in Form einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) eher das Gegenteil einer Privatisierung. Sie böte vielmehr die Chance, den verkehrs- und klimapolitisch gebotenen massiven Ausbau des Schienenverkehrs vollkommen von den eigenwirtschaftlichen Interessen eines hoch verschuldeten, maroden Konzerns zu entkoppeln und dem Primat der öffentlichen Daseinsvorsorge zu unterstellen.
Allerdings wäre dies bei einer jetzt erneut diskutierten Zerschlagung der Bahn AG in ihrer bisherigen Struktur kein Selbstläufer. Ob eine Abtrennung der Infrastruktur vom Konzern tatsächlich einen Schub für den massiven Ausbau des Schienenverkehrs und seiner Ausrichtung an den Bedürfnissen vieler Bürger bedeuten würde, hängt von der Struktur der neuen Institution ab und vor allem von klaren politischen Entscheidungen zur Priorisierung der Schiene und entsprechender finanzieller Unterfütterung.
Solange der Bundesverkehrswegeplan als zentrales Instrument der Investitionssteuerung so "straßenlastig" bleibt wie in den vergangenen Legislaturperioden unter der Führung diverser CSU-Verkehrsminister, liefe die Zerschlagung des Bahnkonzerns ins Leere. Man wird also abwarten müssen, wie sich die neue Koalition die künftige Verkehrspolitik vorstellt.
Wir brauchen in Deutschland ein besseres und vor allem dichteres Schienennetz, flächendeckende, integrierte Verkehrstakte, guten Service und eine attraktive Preisgestaltung im öffentlichen Verkehr. Höchste Zeit also für einen Neustart.
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