Wird die Rechte stark, weil die Linke die Arbeiter verachtet?
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Der Front National hat in manchen Regionen die bis in die 1970er Jahre dominierende Kommunistische Partei beerbt
Der Aufstieg der neuen Rechtspopulisten in vielen europäischen Ländern ruft unter Linken Besorgnis hervor. Besonders seit klar ist, dass ein Teil ihrer Wählerbasis aus der alten Arbeiterklasse kommen. Dabei handelt es sich meistens um Regionen, in denen fordistische Industriezweige und damit auch eine ganze Arbeiterkultur verschwunden sind. So hat der Front National in Frankreich in solchen Regionen die bis in die 1970er Jahre dominierende Kommunistische Partei beerbt und wurde zur Partei des in seinem Stolz verletzten Proletariats.
Mit "Rückkehr nach Reims" hat der Soziologe Didier Eribon ein Buch geschrieben, das in mehrfacher Hinsicht ein Tabubruch war (Die rechtsradikalen 14 Prozent). Er stellt sich nicht nur die Frage, welchen Anteil die politische Linke daran hat, dass das Band zur Arbeiterklasse scheinbar durchtrennt worden ist.
Er begnügt sich also nicht damit, nur festzustellen, dass Teile der alten Arbeiterklasse zur rechten Wählerbasis wurden. Er fragt auch nach den Gründen in der Politik der politischen Linken. Doch das Wichtigste: Eriborn spart den subjektiven Faktor nicht aus. Er beschreibt, wie er selber als Kind einer Arbeiterfamilie das Milieu zunächst verlassen hat, um im intellektuellen Milieu von Paris Fuß zu fassen, bevor er nun als linker Akademiker in seine Heimatstadt zurückkehrt.
Rückkehr nach Kaiserslautern
Nun hat der Feuilletonredakteur des Neuen Deutschland Christian Baron auf Eriborns Spuren seine Rückkehr nach Kaiserslautern vollzogen.
Gleich das erste Kapitel seines im Verlag "Das Neue Berlin" veröffentlichten Buchs mit dem Titel "Proleten, Pöbel, Parasiten" beginnt mit einer Szene, die eigentlich schon eine Antwort auf den Satz gibt, der im Untertitel des Buches einfach als Behauptung aufgestellt ist: "Warum die Linken die Arbeiter verachten."
Das erste Kapitel beschreibt, wie der achtjährige, asthmakranke Christian von seinem betrunkenen Vater geschlagen und gegen die Wand geschleudert wird. Die Szene hat sich Christian Baron eingeprägt, weil er erstmals Gegenwehr verspürte und sich mit einem Holzscheit vor seinen Vater aufbaute. Das scheint den Vater mit den Kräften eines Möbelpackers zumindest so beeindruckt zu haben, dass er von seinem Sohn für dieses Mal abließ.
Dass es bei der Gewalttätigkeit aber um keine Ausnahme handelte, stellt Baron auch klar. Er sieht darin auch eine Ursache für den frühen Krebstod seiner Mutter. Eigentlich hätte er Grund genug, als Linker diese Form der Arbeiter zu hassen. Damit wäre er auch ganz nah bei Eriborn, der als Schwuler den Kontakt zu seinem Vater wegen dessen Homophobie abgebrochen hat.
Die Flucht aus Reims bzw. aus Kaiserslautern war also zunächst ein Akt der individuellen Befreiung, der dann die Voraussetzung in die Rückkehr der jeweiligen Städte und Milieus geboten hat. Doch bei Baron wird die Szene des gewalttätigen Vaters überblendet durch das Beschreiben einer Prüfungssituation an der Universität: Es saß vor dem akademischen Gremium, das darüber entscheidet, ob er nun den akademischen Titel tragen darf oder nicht. Baron gehörte zu den Glücklichen, die diesen akademischen Weg mit Erfolg absolvierten.
Implizit wird in dem Buch deutlich, welche Mühen und Beschwernisse er dafür auf sich genommen hat und wie besonders hoch die Hürden für ein Arbeiterkind aus einem Stadtteil von Kaiserslautern waren, für den eigentlich ein akademischer Bildungsweg nicht vorgesehen war. Er bedankt sich ausdrücklich bei den Lehrerinnen, die ihn auf diesem Weg unterstützt haben. Es sind sehr starke Kapitel, in denen Baron beschreibt, was es für ein Arbeiterkind, das bisher immer im Dialekt gesprochen hat, bedeutet, in eine Atmosphäre gestoßen zu werden, in denen Dialekt als Ausbund von Unbildung gilt.
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