Wirtschaftseinbruch: Die Vertrauensfrage

Regierung erwartet beispiellosen Konjunktureinbruch. Der Staat soll ohne falsche Scheu vor Schulden mit großzügigen Finanzbrücken helfen, wird gefordert

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Es ist die Stunde der Zahlen, der mathematischen Modelle und des Streits darüber. In die Diskussion über Voraussetzungen des Lockdowns und der Streitfrage, ob den wirtschaftlichen Risiken, die damit verbunden sind, genug Rechnung getragen wurden, kommen jetzt mehr und mehr Zahlen zu den Folgen der wirtschaftlichen Vollbremsung.

Kurz vor dem Wochenende sickerten erste Größennahmen der Frühjahrsprognose der Bundesregierung durch. Das Handelsblatt berichtete am Freitag davon, dass die Regierung mit einem "noch schärferen Konjunktureinbruch" infolge der Corona-Epidemie rechnet als bislang angenommen.

Einbruch wie "noch nie seit Gründung der Bundesrepublik"

Man erwarte einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 6,3 Prozent, hat die Wirtschaftszeitung angeblich aus Regierungskreisen erfahren. Dem wird vorsichtig hinzugefügt, dass die "endgültigen Wachstumszahlen" erst in dieser Woche festgelegt würden. Die Frühjahrsprognose werde am Mittwoch dieser Woche (29. April) vorgelegt. Die Zahlen könnten sich noch "leicht ändern".

Ob das auch für die Hoffnung gilt, wonach die Regierung von einer Entwicklung ausgeht", die eine "V"-Form hat - dem drastischen Abstieg folgt ein drastischer Anstieg? Hier deutet sich an, dass die mathematischen Modelle an Voraussetzungen gebunden sind - wie sich ja auch an den Diskussionen über Zahlen und Entwicklungsmodellen der Epidemie deutlich gezeigt hat.

Was die Wirtschaft betrifft, so kann man einen Begriff ins Spiel bringen, der die Anhänger der exakten Wissenschaften auf die Palme bringt: "Psychologie". Oberflächlich aufgeschlüsselte Pole dazu: Erwartungen und Vertrauen oder eben Misstrauen und Enttäuschung. Sie haben einen großen Einfluss auf die Kurven.

Die "Wirtschaft bricht so stark ein wie nie seit Gründung der Bundesrepublik", schrieb die SZ gestern zur Frühjahrsprognose. Auch sie kennt die Zahlen der Regierungsprognose nicht, die erst noch veröffentlicht werden, aber sie legte dem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 6,3 Prozent, von dem das Handelsblatt zuvor berichtet hatte, noch eins drauf.

Da man zuvor von einem Wachstum ausgegangen sei, "werden es sogar 7,6 Prozent sein". Dem beigesellt werden Schätzungen von Finanzexperten und Instituten, die am Wochenende an die Öffentlichkeit kamen. Sie liegen bei über 8 Prozent: So rechnet die deutsche Allianz-Gruppe mit einem Minus von 8,9 Prozent; das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung mit einem Minus von 8,4 Prozent.

Angefügt wird in der SZ noch die Einschätzung des Weltwährungsfonds IWF, der eine Schrumpfung der deutschen Wirtschaft um 7 Prozent erwartet und der, wie die Bundesregierung, davon ausgeht, "dass die Wirtschaftsleistung des Jahres 2019 erst wieder 2022 erreicht werden kann".

Der "Tanz nach dem Hammer" kommt, es dauert aber noch eine ganze Weile?

Der Frühjahrsprognose zufolge soll der tiefste Punkt des Einbruchs bereits erreicht sein. Die Gutachter gehen davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum im Mai auf niedrigem Niveau stabilisiert und im zweiten Halbjahr deutlich anzieht. Die Voraussage ist allerdings unsicherer als in normalen Jahren. Sie hängt davon ab, wie das Virus eingedämmt und die restriktiven Maßnahmen gelockert werden können.

SZ

Freier Fall beim Konsum, bei der Einkommenserwartung und der Anschaffungsneigung

Am Wochenende wurden ein paar Erwartungen gedämpft. Bis auf Bayern hatten viele Bundesländer bereits in größerem Maß Geschäfte, die keine Lebensmittel verkaufen, wieder geöffnet, die Nachfrage erwies sich allerdings als spärlich. "Die Erlöse bleiben weit hinter den Vorjahreswerten zurück", wird der Handelsverband Deutschland (HDE) zitiert.

Es wurden demzufolge durchschnittlich nur 40 Prozent des normalen Geschäftsvolumens erreicht, was beim Handelsverband offensichtlich Pessimismus auslöste: "Die Umsatzverluste werden vielfach nicht aufzuholen sein."

Dem ging in der vergangenen Woche eine "Corona-Schockmeldung" der GFK voraus. Dort drückte man, wie so häufig in diesen Tagen, die Fassungslosigkeit mit dem Verweis aus: "So was war noch nie da".

Das Konsumklima befindet sich derzeit im freien Fall. Ein Wert von -23,4 Punkten ist bislang beispiellos in der Historie des Konsumklimas.

Gfk

Den "freien Fall" stellt die Gesellschaft für Konsumforschung bei zwei wichtigen Indikatoren des Konsumklimas fest: Einkommenserwartung und Anschaffungsneigung. "Die Verbraucher gehen davon aus, dass Deutschland durch die Coronakrise in eine schwere Rezession stürzen wird", heißt es im Bericht zum historischen Tiefpunkt des Konsumklimas.

Auch bei dem PMI-Index (Purchasing managers' index gehen die Kurven für die Eurozone und Deutschland steil und schnurgerade nach unten, wie im Wirtschaftspolitikmagazin Makroskop dargestellt wird. In manchen Berichten ist von einem Kollaps die Rede.

In den letzten Wochen, die von einer beispiellosen Unsicherheit geprägt sind, war oft von der Furcht zu lesen, dass statt der Hoffnung, die mit dem "V" verbunden wird, ein langes Tal, das mit dem Buchstaben "L" anschaulich gemacht wird, die Entwicklung kennzeichnen könnte.

Dann nämlich, wenn Investoren, Konsumenten und Betriebe sich auf ein Jammertal einstellen und sich entsprechend zurückhaltend verhalten, wenig Geld riskieren, sparen und keine Arbeiter mehr einstellen, sondern in Kurzarbeit schicken oder entlassen.