Wirtschaftslage und Wahlentscheidung
Laut einer Studie wird der Einfluss ökonomischer Daten überschätzt
"Das gute Gefühl" soll die Landtagswahl in Bayern am letzten Sonntag entschieden und die CSU von lästigen Nachbarn auf der Regierungsbank befreit haben. 84 Prozent der Bürger sahen die wirtschaftliche Lage im Freistaat positiv, zwei Drittel trauten vornehmlich der CSU zu, die ökonomischen Rahmenbedingungen in Zukunft am besten zu gestalten.
Auch bei der anstehenden Bundestagswahl soll die wirtschaftliche Gesamtsituation eine entscheidende Rolle spielen. Positive Rahmendaten dämpfen die Wechselstimmung - so der Tenor vieler Analysten und die Hoffnung der Regierung, die daraus mitunter eigenwillige Thesen ableitet: "Ganz grundlegend neue Sozial- und Wirtschaftsreformen brauchen wir nicht", gab Bundeskanzlerin Angela Merkel in der vergangenen Woche zu Protokoll.
Sören Enkelmann von der Leuphana Universität Lüneburg warnt in seiner Studie "Government Popularity and the Economy" trotzdem davor, den Einfluss der aktuellen Wirtschaftslage auf die Wahlentscheidung zu überschätzen.
Unzufriedene Stammwähler
Die naheliegende Vermutung, dass Wähler mit ihrer politischen Führung umso zufriedener sind je positiver sie die wirtschaftliche Gesamtlage und ihre persönliche ökonomische Situation beurteilen, stellt auch Enkelmann nicht infrage. Seine Auswertung der "Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften", in der 3.000 Bürger zur Einschätzung der ökonomischen Lage, der Zufriedenheit mit der Bundesregierung und dem berühmten Wahlverhalten ("Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, …) interviewt werden, führt gleichwohl zu einem differenzierten Ergebnis.
Wer die Situation negativ beurteilt, entzieht der Regierung zwar erkennbar die Sympathie und gibt im Schnitt 13 Prozent seltener an, mit der politischen Führung zufrieden zu sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass er sie weiterhin wählt, sinkt aber nur um fünf Prozent.
Disapproval with the government, however, does not necessarily imply that respondents vote against that government.
Government Popularity and the Economy
Keine guten Nachrichten also für Rot-(Rot)-Grün …
Der Ökonom erklärt diese Differenz mit der starken Parteien-Bindung der Bundesbürger, die sich von negativen Entwicklungen offenbar nur bedingt beirren lassen. Daran könnte sich jedoch in absehbarer Zeit Entscheidendes ändern.
Allerdings haben die Parteien heute sehr viel weniger Stammwähler als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte die Wirtschaftslage in Zukunft für die Wahlentscheidung an Bedeutung gewinnen.
Sören Enkelmann
Das gute Gefühl
Die Lüneburger Studie legt überdies den Verdacht nahe, dass für die Entscheidung der Wähler nicht nur die nackten Zahlen ausschlaggebend sind. Wenn eine Regierung glaubhaft vermitteln kann, dass sie die wirtschaftliche Lage auch in Zukunft positiv gestalten wird, steigen ihre Chancen, wiedergewählt zu werden. Diese Möglichkeit hat freilich auch die Opposition, wie die Bundestagswahl im Jahr 1998 bewies. Attraktive Wahlversprechen sind nach Enkelmanns Einschätzung allerdings weit zielführender als die Ankündigung fundamentaler Einschnitte und Veränderungen.
Governments can improve their standings in the polls by convincing the electorate of a bright economic future without necessarily improving current conditions.
Government Popularity and the Economy
Die Kanzlerin sieht das genauso, wenn sie sagt, dass "ganz grundlegend neue Sozial- und Wirtschaftsreformen" nicht notwendig seien.