Wo Soldaten um die Ecke knallen
Neu entwickelte Hightech-Handwaffe ermöglicht Feuer auf lebendige Gegner im toten Winkel
Nicht nur in militärischen Kämpfen sind vor allem Scharfschützen gefürchtet, die aus sicherer Entfernung Feinde unter Beschuss nehmen können. "Normale" Fußsoldaten haben es da viel schwerer, müssen sie doch dem Feind in der Regel direkt gegenübertreten. Der israelische Anti-Terror-Spezialist Amos Golan hat speziell für den Häuserkampf eine Schusswaffe mit schwenkbarem Lauf und Kamera entwickelt, mit der relativ ungefährdet auch auf Ziele außerhalb des eigenen Gesichtsfelds geschossen und versteckter Widerstand geortet werden kann. Das US-Militär ist vorn mit dabei.
Auf einem Schusswaffen-Testgelände bei Tel Aviv wurde vor ein paar Tagen eine ganz spezielle Handwaffe vorgestellt, die aus dem Arsenal des legendären 007-Ausrüsters Q stammen könnte. Ehemalige Angehörige israelischer SWAT-Kommandos führten ein Waffensystem vor, das den Häuserkampf in Städten wohl revolutionieren dürfte.
Die Zuschauer bekamen bei der simulierten Erstürmung eines von "Terroristen" besetzten Gebäudes mehr als nur eine Waffe zu sehen. Am Griffende befinden sich Lauf, Abzug und ein darüber montierter kleiner Monitor. Dieser gibt die Bilder einer zusammen mit dem Feuermechanismus und einer Pistole davor angebrachten Minikamera wieder, mit der die Lage in einem Zimmer um die Ecke gefilmt werden kann. Die Sichtweite der Kamera mit Zoom beträgt je nach Modell zwischen ca. 180 und 360 Meter. Die Schussvorrichtung kann mit verschiedenen Handwaffen wie der Glock, dem Colt oder dem M16-Gewehr sowie z.B. auch einem Tränengaswerfer bestückt werden. Wahlweise ist eine Aufrüstung der Superwaffe auch noch mit einem Infrarot-Laser, einem Schalldämpfer oder einer Abschussvorrichtung für Gummigeschosse möglich.
Ein Soldat oder SEK-Spezialist steuert im Ernstfall die Waffe mit einem unter dem Kolben angebrachten Hebel. Er sieht das feindliche Ziel auf dem kleinen TV-Monitor und kann die um gut 60 Grad nach links und rechts schwenkbare Waffe so auch auf jemanden richten, der sich außerhalb seiner Sichtweite in einem toten Winkel, z.B. hinter der Tür versteckt hält. Ideal für die gefährliche Erstürmung von Räumen und Gebäuden, bei denen die Wahrnehmung menschlicher Augen naturgemäß stark eingeschränkt ist.
Ein tragischer Fehlschlag bei einer solchen Operation inspirierte den Anti-Terror-Spezialisten Amos Golan zu seiner Waffe. Während der ersten Palästinenser-Intifada Ende der 80er Jahre forderte die Stürmung eines Hauses eine große Zahl Verwundeter unter israelischen Soldaten, die unvorbereitet von Feuer aus automatischen Waffen empfangen wurden. Golan tüftelte jahrelang an einem Mittel um solche Katastrophen zu vermeiden und verkaufte das Waffenpatent schließlich an die amerikanisch-israelische Firma Corner Shot Holdings mit Sitz in Coral Gables, Florida.
Hergestellt wird die Waffe in Israel. Bereits im Zweiten Weltkrieg hatten Rote Armee und Wehrmacht mit gekrümmten Läufen experimentiert. FBI und französische Armee arbeiteten später ebenfalls an der Entwicklung von Waffen zum Um-die-Ecke-Schießen.
Vor gut drei Jahren begann schließlich die Entwicklung von Amon Golans Hightech-Waffe, seit ein paar Monaten wird sie auf dem internationalen Markt verkauft. 15 Staaten sollen laut Golan bereits zugegriffen haben. Israelische Armee-Einheiten und SEK-Kommandos werden die Waffe ab sofort einsetzen und folgen Spezialeinheiten der US-Army, die bereits damit trainieren. Amerikanische SWAT- und Polizei-Kommandos zeigen sich nach Angaben von Amos Golan ebenfalls interessiert.
Der Erfinder glaubt gerade auch im Hinblick auf die prekäre Sicherheitslage in Bagdad an einen Erfolg seiner Waffe. Im Irak ist das Problem aber nicht so sehr der Häuserkampf. Wo anfangen? Wer kann friedliche Iraker von Selbstmordattentätern unterscheiden? Kaum ein alliierter Soldat ist während und nach den "offiziellen" Kampfhandlungen in einem Gebäude ums Leben gekommen. Und der verwirrte Saddam-Berber-Darsteller hätte sich schon sehr tief eingraben müssen, um den Einsatz einer Waffe mit Kamera zu erzwingen. Da müssen Bush und Rumsfeld wohl noch auf Waffen warten, mit denen nicht nur um die Ecke, sondern wie in Minority Report in die Zukunft geschaut und Terroranschläge wirkungsvoll verhindert werden können.