Wo der Bart der Fanatiker im Netz wuchert
Der "Infowar" gegen al-Qaidas Webseiten
Einem Amerikaner ist es kürzlich gelungen, zwei Webadressen zu entern, die von al-Qaida dazu genutzt wurden, um terroristische Anschläge zu preisen. Er habe den Betreibern von jehad.net und jehadonline.org die Kontrolle über die Domains entzogen, sagte der Manager aus Minnesota, nachdem er erfahren hatte, dass al-Qaida auf jehad.net die Verantwortung für die Anschläge in Kenia übernommen hatte: "Ich glaube an die freie Meinungsäußerung, aber ich werde zornig, wenn ich sehe, wie dieses große Medium für solche bösartigen Zwecke missbraucht wird."
Der Finanzdienstleister aus Minnesota, der das MSN-Hotmailkonto eines Saudis knackte und dabei auf den Benutzernamen und das Kennwort für die beiden Domains stieß, erntete allerdings kein Lob von offizieller Seite für diesen Coup. Im Gegenteil.
"Der Typ mag von sich denken, dass er wie ein Held gehandelt hat; aber in Wirklichkeit ist er ein Idiot. Das FBI beobachtete diese Sites sehr genau. Indem der Mann das Gesetz in die eigenen Hände nahm, hat er vielleicht das ganze Ding vereitelt", so ein Angestellter von DV2, dem Provider aus Atlanta, der beide Web-Seiten hostet.
Immer mehr "patriotische Hacker" beteiligen sich am Informationskrieg gegen al-Qaida, stellte der Wired-Bericht fest. Den Strafverfolgungsbehörden ist das oft nicht recht. Während einerseits die mangelnde Effizienz der Regierungsbehörden in dieser Sache beklagt wird und Tricks und Könnerschaft der Hacker, die sich als Online-Bürgerwehr verstehen, gefragt sind, fürchtet man von offizieller Seite, dass deren unkoordinierte Aktivitäten von Terroristen leichter aufgedeckt würden und sogar Racheakte provozieren könnten.
"Ich denke, dass der Informationskrieg am besten den Regierungen überlassen werden und nicht von Zivilisten geführt werden sollte," meint auch Aaron Weisburd, der seinerseits eine Webseite betreibt, die sich selbst als "an online self-defence force" bezeichnet: Internet Haganah. "Haganah" ist ein hebräisches Wort und wird mit "Verteidigung" übersetzt (Haganah hieß auch eine militante israelische Untergrundorganisation zur Verteidigung der Yishuv, der jüdischen Gemeinde im heutigen Israel vor der Staatsgründung). Im Zentrum der Aktivitäten der Online-Haganah steht das Aufspüren von terroristischen Netzseiten, hinter denen al-Qaidas finstere Bartträger vermutet werden.
Weisburds Haganah-Website ruft allerdings nicht zum Hacken auf, sondern zum Tracken. Eventuelle Mitstreiter der guten Sache können sich hier Wissen und Rüstzeug holen, um die Provider verdächtiger Websites ausfindig zu machen. Eine Liste bereits aufgedeckter Terrorwebseiten verweist auf den Erfolg der Online-Jagd auf die Propagandatruppe von Usama bin Ladins Netzwerk.
Und so sehen dann etwa die Erfolgsmeldungen bei Haganah aus:
The following sites have been taken down. While the Internet Haganah is sometimes no more than a witness to the effort to take down the web sites of the Jihad, in this case we have been actively working against these sites for some time now, and happily accept our small share of the credit now that they are down.
jehad.net - kataeb-ezzeldeen.com - purenectar.net - kataebq.com - ansarislam.com
We will not be mentioning their former ISP by name, as a kindness to that company, which found itself on the wrong side of the front lines of a war--a rotten position to be in, undoubtedly. And if you are associated with one of these sites, you may pucker up and plant a big wet kiss on my hairy hebrew rear end."
Weisburd wie dessen Kollege Paul Eedle verbringen mittlerweile den größten Teil ihres Lebens auf der Jagd nach Terrorismus.com. Beide sind sich in ihrer Einschätzung einig, wonach das Internet mehr und mehr zu einer potenten Waffe für al-Qaida werden kann: für die Rekrutierung einer größeren Anhängerschaft.
"Al-Qaida hat weitaus mächtigere Ambitionen als nur Bomben zu legen. Die Organisation versucht, die ganze muslimische Welt gegen den Westen aufzubringen.", wird Eedle von BBC zitiert. "Das Internet ist eine ideales Medium für ein Netzwerk wie Al-Qaida."
Es sei schwierig, so Weisburd, Beweise für direkte Links auf den verdächtigen Sites zu finden. Es bestehe aber kaum ein Zweifel daran, dass die Organisation über diese Seiten versuche, Propaganda an Sympathisanten zu "pumpen". Da die Seiten oft von Hackern aus unterschiedlichsten Motiven heraus aufgespürt und gecrackt würden, seien sie ständig in Bewegung, was seine Arbeit und die der Regierungsbehörden erschwert. Es gebe aber informelle Netzwerke, die detaillierte Informationen darüber verbreiten, wo sich die Sites hinbewegt haben. Ein weiterer Grund für das Provider-Hopping der Propagandaseiten liege darin, dass die Firmen, die sie hosten, nicht mit solchen Gruppen in Verbindung gebracht werden wollen. Zudem würden oft unbemerkt Server gecrackt und Websites in Subdomains gepostet.
Um ihre Anonymität zu schützen, würden die meisten Betreiber von "al-Qaida-Webseiten" Provider im Westen bevorzugen, "weil es einfacher ist, sich da zu verstecken, wo die Ressourcen überreich sind", so Eedle.