Wo kann Schulz Merkel noch stellen?

Martin Schulz, SPD Bundesparteitag am 19. März 2017 in Berlin. Foto: Olaf Kosinsky / [Link auf CC BY-SA 3.0 DE]CC BY-SA 3.0 DE

Der SPD-Kanzlerkandidat versucht es nun mit einer Elektroauto-Quote. Die Kanzlerin kommentiert dies mit "wenig durchdacht" und teilt seine Pauschal-Kritik an der Automobilindustrie im Diesel-Skandal

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Geht es nach den Umfragen, so ist der "Wahlkampf" schon gelaufen. Schulz hat so gut wie keine Chance, Merkel einzuholen, gaben die Forsa-Demoskopen vergangene Woche Bescheid. Diejenigen, die für "das Bewährte" eintreten, dürften beifällig lauschen.

Forsa: Gutes SPD-Ergebnis wenig wahrscheinlich

60 Prozent der Wahlberechtigten hätten sich bereits entschieden, so die Studie, die in vier Erhebungsstudien immerhin jeweils 10.000 Bürger befragt. Das Zwischenfazit vor dem Finale des Wahlkampfs sieht in Kürze so aus: Die SPD kann sich "nur noch wenig Hoffnungen machen, mehr als 30 Prozent der Zweitstimmen zu holen".

Von den noch Unentschiedenen müssen die Nichtwähler abgezogen werden, die ungefähr ein Viertel der Wahlberechtigten ausmachen, so blieben etwa 15 Prozent der Unentschiedenen, welche die SPD auf ihre Seite ziehen könnte. Es sei jedoch wenig wahrscheinlich, dass sich der größte Teil dieser Gruppe für die SPD entscheiden würde, was für ein gutes Ergebnis nötig sei, so die Forsa-Einschätzung, die gegenwärtig niemanden überraschen wird.

"Politiker zu nachsichtig mit Autoindustrie" - eine Chance für Schulz?

Entsprechend schläfrig ist der Wahlkampf. Merkel lässt sich nicht stellen. Schulz experimentiert. Nun hat er sich das Aufreger-Thema der vergangenen Wochen vorgenommen: den Dieselskandal und die Elektroautos. Eine große Mehrheit, 57 Prozent, gab kürzlich bei der Befragung des ARD-DeutschlandTrend an, dass sie das Vertrauen in die Autoindustrie verloren haben. 67 Prozent waren der Meinung, "dass die verantwortlichen Politiker zu nachsichtig mit der Autoindustrie umgehen".

Schulz machte gegenüber der SZ kräftige Aussagen: "Wir werden der Industrie deutlich mehr Druck machen", zitierte ihn die Zeitung in ihrer Printausgabe vom Freitag. Der Kandidat der SPD forderte "eine wirksame Kontrolle gegen die Schummeltricks der Industrie".

Zugleich wurde auf einen Fünf-Punkte-Plan der Partei zur Zukunft des Automobilstandortes Deutschland hingewiesen. Der Autoindustrie sollten schärfere gesetzliche Regeln auferlegt werden. Die Emissionswerte sollen strenger kontrolliert werden. Softwareupdates genügen nicht, technische Umrüstungen müssten her, auch für Besitzer von älteren Dieselfahrzeugen. Die Auto-Industrie sollte für die Nachrüstungen aufkommen. Für Typengenehmigungen von Fahrzeugen und für die Abgaswerte sollen künftig zwei getrennte Behörden zuständig sein. Darüber hinaus fordert Schulz "stichprobenartige Nachkontrollen" im Realbetrieb.

Diese Vorschläge wurden von einigen Medien positiv bewertet und als "knackig" beschrieben wenn auch mit der Kritik, dass Schulz und die SPD noch weiter gehen müssten und etwa neu über ein "Tempolimit gegen die aggressive Raserei auf deutschen Autobahnen" nachdenken. Schlagzeilen aber machte der Vorschlag von Schulz für die Einführung einer "verbindlichen Quote für Elektroautos in Europa".

Merkel: Vorschlag "nicht genau durchdacht"

Die Antwort Merkels auf diese "Wahlkampfoffensive" ihres Konkurrenten: Auch sie kritisiert die Automobilindustrie, allerdings ohne Namen zu nennen, ähnlich weichgespült hätten es wohl auch Vertreter der Autobauer gemacht (siehe Veränderungen der Weil-Rede):

Weite Teile der Automobilindustrie haben unglaubliches Vertrauen verspielt … Das, was man da unter den Tisch gekehrt hat, oder wo man Lücken in den Abgastests einfach massiv genutzt hat bis zur Unkenntlichkeit, das zerstört Vertrauen

Angela Merkel

Schulzens Vorschlag der Einführung einer europaweiten Elektroauto-Quote ließ sie ebenfalls abprallen: Sie glaube nicht daran, dass der Vorschlag "schon genau durchdacht" sei, wird sie wiedergegeben. Merkel erinnerte daran, wie ewig lange Verhandlungen über solche Quoten in Europa laufen würden, was man denn reagieren solle, falls die Quote nicht eingehalten würde, wer denn die Autos kaufen soll ("Darf man dann kein Benzinauto mehr kaufen, wenn die anderen kein Elektroauto kaufen?"). Es müsse ein "Gesamtbild" geschaffen werden, wechselte die Kanzlerin in die von ihr bevorzugte Abwartezone.

Schulz dürfte es schwer haben, beim Autothema zu punkten, weil die SPD auch mit im Freundschafts-Geschäft mit der Autoindustrie war. Allzu weit kann er sich mit Anklagen nicht aus dem Fenster lehnen.

Wie die Kampf-Ansage des SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann an Merkel umgesetzt wird, bleibt ein Rätsel. Oppermann erklärte, dass die Schonzeit für Frau Merkel vorbei sei und sie nun "Tag für Tag mit den Herausforderungen und Problemen unseres Landes (…), aber auch mit den Chancen, die sie verspielt hat" konfrontiert werde.