"Wodka ist Teil der polnischen DNA"

Das Polnische Wodka-Museum. Bild: J. Mattern

Gestern wurde in Warschau das Polnische Wodka-Museum eröffnet, was auch einen Einblick in Glanz und Elend des polnischen Nationaltrunks eröffnet

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Sie kommen als Journalisten und werden als Botschafter und Apostel des polnischen Wodkas gehen", meinte ein weißhaariger Mann mit tönenden Bass im einem Kinoraum, der dem Inneren einer Destillerie nachempfunden ist.

Am 12. Juni öffnete das erste Polnische Wodka-Museum seine Pforten und seine Flaschen im Warschauer Viertel Praga auf dem Gelände der ehemaligen Brennerei "Koneser". Der Mann, der aus den internationalen Medienvertetern Werbesprachrohre des polnischen Nationaltrunks machen will, heißt Andrzej Szumowski und ist Präsident der "Vereinigung Polnischer Wodka" und Vorsitzender der Stiftung des Museums. Wodka sei "Teil der polnischen DNA" meint er.

Zudem stellten sich mehrere Investoren, darunter ein Franzose und ein Belgier, den Journalisten vor. In die Innenräume der ehemaligen Manufaktur wurde viel Geld gesteckt. Hinter der Rezeption plätschert ein zwei Meter breiter Wodka-Wasserfall hinter Glas, Teile des Gebäudes aus dem Jahr 1885 wurden sorgsam restauriert, ansonsten setzt man auf viel Multimedia. Das Konzept, die Wände mit alten Illustrationen zu bedecken, ist "Polin" nachempfunden, dem mittlerweile weltberühmten Museum der Geschichte der Juden in Polen.

Eine adrette Museumsführerin erzählt über die Anfänge des Wodkatrunkes in Polen. Mönche hatten das Sagen bei der Produktion, die geheimnisumwittert gewesen sei. Der Schnaps wurde offiziell medizinisch oder kosmetisch genutzt. Doch schon im 17. Jahrhundert wurde der Wodka vor allem des Rausches wegen konsumiert und nach Russland, England, Dänemark und in die Niederlande exportiert. Für den polnischen Wodka dürfen nur Kartoffeln, Roggen, Weizen, Triticale (die Weizen-Roggen-Hybridform), Gerste und Hafer verwendet werden, der Besucher darf die Zutaten anfassen.

Bild: J. Mattern

Im 19. Jahrhundert, Polen war damals zwischen Preußen, Österreich und Russland aufgeteilt, wurde die Produktion dann industrialisiert, der Besucher kann im Museum noch ein paar Originalkessel bestaunen. Rund zweitausend Destillerien soll es vor Beginn des Zweiten Weltkrieges gegeben haben, während der deutschen Besatzung diente der Schnaps auch als Bestechungsmittel, um Verhaftete aus der Gefangenschaft zu lösen. Heute gibt es nur noch 50 Hersteller, oft mit ausländischen Investoren. Dennoch: "Es geht um unseren Nationalstolz", so die Museumsführerin, die für deutsche Besucher zuständig ist.

Deswegen kommt in der Ausstellung, an die auch geräumige Bars angeschlossen sind, der Kampf gegen den Alkoholismus nicht vor, wie ihn etwa die katholische Kirche in Polen gelegentlich führte und auch heute noch führt. Oder die sozialistische Parteiführung, die Plakate gegen den Wodka entwerfen ließ, gleichzeitig aber auch froh um ihn war - denn so konnte man das Volk ruhig stellen. Noch in den achtziger Jahren bekamen die Gäste in vielen polnischen Restaurants Bier nur verdeckt in Kaffeetassen - schließlich sollten die Polen doch lieber zum stärkeren Getränk greifen.

Immerhin wird im letzten Raum der Ausstellung neben einer Multimediashow zur Trinkkultur auf einen verantwortungsvollen Umgang mit dem "Wässerchen" hingewiesen. Ansonsten gibt es Bars, die an das Museum angeschlossen sind und die Führung endet mit einer Wodkaprobe.

Die Frage des Autors dieser Zeilen, ob das Museum vielleicht entstanden sei, weil der Konsum von Bier und Wein in Polen stetig zunehme, wehrte Szumowski ab: "Polen hat ein Museum verdient, das die Entwicklung seines Nationaltrunks würdigt", erklärte er, man wolle "erziehen und werben". Vielleicht auch eine Anspielung auf das Wodkamuseum in St Petersburg, dass sich bereits touristisch etabliert hat. Auch über das Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Ländern erfährt man etwas. Nach Lesart des Museums in Warschau habe Polen zuerst mit dem Brennen von Wodka begonnen.

Die Wodka-Produktion in Polen betrug im vergangenen Jahr 93 Millionen Liter und ging somit im Vergleich zum Jahr 2016 um 4,2 Prozent zurück. Allgemein trinken die Polen weniger Wodka, am höchsten war der Konsum in den frühen 1990er Jahren, als die Menschen den harten Übergang von einem maroden Sozialismus zu einer Marktwirtschaft ohne soziales Netz verkraften mussten.

Bild: J. Mattern

Um die Ecke liegt das Warschau der frühen 1990er Jahre

Wer das gentrifizierte Fabrikgelände verlässt, neben dem Wodka-Museum steht der Google-Campus, der kann nach fünf Minuten Gehzeit in diese Welt der frühen 90er Jahre eintauchen. In der Brzeska-Straße ist es weniger aufgeräumt. Dort stehen alte Mietshäuser aus Ziegelstein, sowie Gebäuderuinen, auf der Straße liegen Scherben und Müll, einige kräftige kurzhaarige Männer im Sportdress sitzen vormittags auf Plastikstühlen zum Palaver zusammen; leere Flaschen des Nationaltrunks ragen aus den Abfalleimern. Es ist das berüchtigte Flair von Praga, des traditionellen Arbeiterviertels auf der östlichen Seite der Weichsel.

Das "Monopol Viktoria" hat überraschenderweise zu, fluchend rüttelt ein buckliger Mann an der Tür. Er muss zum nächsten Alkohol-Shop. "Na, so hundert Flaschen am Tag verkaufe ich schon", meint dort die Frau hinter der Kasse. Kleinere Flaschen seien es, für die größeren habe die Kundschaft kaum Geld.

Nach der staatlichen "Agentur zur Lösung des Alkolproblems" trinken drei Millionen Polen über die Maßen. Die Regierung in Warschau plant darum, den abendlichen Alkoholeinkauf einzuschränken sowie die Ausweispflicht zu verschärfen. Kritiker werfen ihr vor, dass durch das neue Kindergeld der Alkoholkonsum gestiegen sei.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation trinken Polen allerdings weniger Alkohol (10,7 Liter pro Person über 15 Jahre) als die Deutschen (11,2 Liter). Allerdings wird in der offiziellen Statistik der selbstgebrannte Schnaps nicht einkalkuliert. So bleibt in Polen vieles um das klare Getränk weiterhin im Trüben.