Wurstelei ist keine Klimapolitik
Seite 2: Auch Demokratien tun sich schwer
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Diesem Fehlurteil liegt eine dramatische Überschätzung der Fähigkeit von Regierungen in Demokratien, aber auch anderen Staatsformen zugrunde.
Schon in den USA würde jeder Versuch eines Präsidenten, der Bevölkerung zu erklären, sie müsse wegen einer internationalen Vereinbarung mit den Ölproduzenten (zu denen die USA ja gehören) von nun an mit ständig steigenden Benzinpreisen leben, mit seiner sichereren Abwahl enden.
Dabei liegt der Preis für Kraftstoffe in den USA bei nur etwa der Hälfte des europäischen Niveaus. Versuchte er auch noch durchzusetzen, dass der reichere Teil der Gesellschaft für die Ärmeren einen Ausgleich über deutlich höhere Steuern schafft, würden die Reste von Demokratie, die sich in den USA noch ausmachen lassen, von der Mehrheit der Bevölkerung ganz schnell in Frage gestellt werden.
In Entwicklungsländern, wo viele Menschen täglich ums blanke Überleben kämpfen, haben globale Ziele einen ungleich geringeren Stellenwert als in reicheren Gesellschaften.
Selbst Deutschland hat es trotz der viel gelobten Energiewende, in die unheimlich viel öffentliches und privates Geld geflossen ist, in den vergangenen zwanzig Jahren nicht geschafft, seine CO2-Emissionen deutlich herunterzufahren.
Wie soll man einem Entwicklungsland, das bei Weitem nicht so viel öffentliches und privates Geld mobilisieren kann, erklären, dass es einen ähnlichen Weg gehen soll, ohne garantieren zu können, dass das in dem Land selbst und vor allem weltweit irgendeinen zu Buche schlagenden Effekt hat?
Die Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen ist einfach: Die bisherigen internationalen Vereinbarungen waren weniger als ein Schritt in die richtige Richtung.
Offenkundig war das Abkommen von Paris ein völliger Fehlschlag. Nur wenn man sich das eingesteht, kann es gelingen, ganz andere internationale Vereinbarungen zu treffen, bei denen die Produzenten fossiler Energieträger von Anfang an mit an Bord sind und eine kontinuierliche Reduktion der Förderung festgeschrieben wird.
Nur ein solches globales Abkommen kann den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich alle erfolgreich anpassen können.
Entwicklungsländer mit an Bord nehmen
Aber ein solches Abkommen kann es nur geben, wenn die reichen Länder insgesamt ihr Verhältnis zu den ärmeren grundlegend verändern. Wer, wie die Grünen, "systemische Rivalitäten" mit China in die Welt setzt, hat den Kampf um das Klima schon verloren.
Wer, wie alle deutschen Regierungen in den letzten vierzig Jahren, die Entwicklungsländer bestenfalls als Konkurrenten betrachtet, denen man zwar gerne seine Güter liefert, die man aber ansonsten sich selbst überlässt und nur von den westlichen Institutionen (aus Washington) in höchster Not "retten" lässt (wie hier beschrieben), kann sich jede Bemühung um eine wirkliche globale Agenda zum Klimaschutz sparen.
Wer, wie die FDP, glaubt, dass auch Nationen miteinander im Wettbewerb stehen, braucht über Kooperation beim Klimaschutz nicht einmal mehr nachzudenken. Wer, wie deutsche Minister, die nach Südamerika reisen, noch immer glaubt, mit Freihandelsabkommen à la Mercosur ließen sich die Entwicklungsländer in eine politische Allianz mit dem Norden locken, hat nicht verstanden, wie tief die Frustration im Süden ist.
Effektiver Klimaschutz verlangt viel mehr als einzelne Abkommen, die vollmundige Absichtserklärungen zur Selbstverpflichtung enthalten. Er verlangt Taten, die zeigen, dass die reichen Länder, die seit 200 Jahren für die große Masse der schädlichen Emissionen verantwortlich sind, wirklich bereit sind, mit den Entwicklungsländern zu kooperieren.
Nichts weniger als eine neue globale Wirtschaftsordnung ist gefordert, in der die reicheren Länder die Entwicklungsmöglichkeiten der ärmeren Länder in dramatischer Weise verbessern.
Das heißt zum einen Abschied zu nehmen von den alten Dogmen über die wohltätige Wirkung des freien internationalen Handels. Entwicklungsländer brauchen mehr als offene Grenzen, sie brauchen Schutz vor den in fast jeder Hinsicht überlegenen Unternehmen des Nordens.
Zum anderen müssen wir beginnen zu begreifen, dass die Freiheit des Kapitalverkehrs, der für uns wie selbstverständlich zum freien Handel gehört, in den letzten Jahrzehnten unermesslichen Schaden für die sich entwickelnde Welt mit sich gebracht hat. Nur wer all das mitdenkt, kann in Sachen Klimaschutz einen neuen Anlauf wagen, der nicht erneut zum Scheitern verurteilt ist.
Der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck ist Herausgeber des Online-Portals flassbeck-economics.com. Zuvor war er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Chef-Volkswirt bei der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung.
Vom Autor erscheint monatlich eine Kolumne zu Hintergründen wirtschaftlicher Entwicklungen und zur Wirtschaftspolitik.