YouTube, Google & Co: Die Elefanten, gegen die unsere Medien kaum eine Chance haben?

Grafik zeigt eine Weltkugel und verschiedene Bildschirme

Bild: metamorworks / Shutterstock.com

Sie machen die großen Geschäfte, prägen das Agenda Setting und sind Quasimonopole: Wer hat die Kontrolle? Experte fordert radikale Änderungen.

Der Kölner Medienwissenschaftler Martin Andree gehört gegenwärtig zu den interessanteren Stimmen, die sich zum Zustand der gegenwärtigen Medien, wie etwa auch den Problemwolken über dem öffentlich-rechtlichen Angebot, äußern.

Denn er hat sich die Elefanten im Raum zum großen Thema gemacht, die übermächtigen, marktbeherrschenden Konkurrenten der etablierten Medien, gerade, wenn es um die jüngeren Generationen geht: die Plattformen, namentlich YouTube, Google, X (Twitter), Facebook, TikTok usf.

Omnipräsenz und betuliches Schweigen

Das Phänomen, das Andree derzeit so deutlich wie kaum ein anderer anspricht: Einerseits ist dauernd von Plattformen und Sozialen Medien die Rede, vorwiegend, wenn es um die Gefährdung der Jüngeren geht, anderseits herrscht betuliches Schweigen über die Konkurrenz der Plattformen, wenn Gremien und Experten Zukunftsmodelle des Öffentlich-Rechtlichen diskutieren.

Die finden im Schatten des Elefanten statt, ohne seine Wettbewerbsvorteile zu benennen und sich konkreten Herausforderungen zu stellen. Man versucht es mit nicht-linearen Angeboten, Mediatheken, wo sich tolle Sendungen finden, aber im Großen und Ganzen nichts, was mit dem riesigen Angebot der Inhalte und der Attraktivität der Plattformen bestehen kann – bis dato nicht.

Die Gefahr: Big Tech und die Umformierung der Öffentlichkeit

Es ist an der Zeit, um gegen die marktbeherrschende, monopolartige Stellung der Plattformen etwas in Gang zu setzen, das ist das Schwungrad der medienpolitischen Äußerungen von Martin Andree. Dazu hat er ein Buch – Big Tech Must Go! – verfasst und dazu sind in jüngster Zeit einige Publikationen erschienen.

So etwa in der FAZ, hier und hier, was das Altpapier vom MDR kürzlich anschaulich mit "Fundierte Fast-schon-Gegenwarts-Dystopie" auf den Punkt brachte.

Martin Andree spricht dort von Auswüchsen der digitalen Medienmonopole und einer Gefahr, die den Zusammenbruch einer Öffentlichkeit riskiert:

Unsere Demokratie wankt, weil ihre Grundlage zersetzt wird: das Mediensystem. Das politische Agendasetting findet auf den Plattformen statt. Unabhängige Anbieter werden durch die Dominanz der Plattformen trockengelegt. Die digitalen Medienmonopole kontrollieren die demokratierelevanten Mediengattungen. Zugleich drücken dieselben Digitalmonopolisten den Journalismus an die Wand ...

Martin Andree, Game over Demokratie?

Kaum eine Chance für redaktionelle Inhalte

Der Kölner Lehrstuhlinhaber, mit dem Forschungsschwerpunkt Digitale Monopolbildung, hat eindrucksvolle Zahlen für seine These, dass die Chancen redaktioneller Inhalte von anderen Anbietern kaum eine Chance gegen die digitalen Medienmonopole haben und die Plattformen das Agendasetting kräftig prägen.

Die großen Technologiekonzerne dominieren die digitalen Medien: Google das Feld der Suchmaschinen (mit 88 Prozent Marktanteil), Meta das von Social Media (85 Prozent), Youtube bei Gratis-Video-on-Demand (78 Prozent). Unter diesen Bedingungen haben redaktionelle Inhalte oder unabhängige Anbieter kaum eine Chance.

In den Ländern der westlichen Welt gehen in der digitalen Sphäre zwischen 70 und 90 Prozent aller Werbeinvestitionen an die größten US-Monopolisten, Tausende andere Anbieter müssen sich den winzigen Rest teilen. Die Redaktionen verlieren ihre Finanzierungsgrundlage – und das ausgerechnet in einem Augenblick, in dem unsere Demokratie gefährdeter ist als je zuvor.

Martin Andree, Gebt den Medien den Markt zurück

Wie man den Medien den Markt zurückgeben könnte, taucht in Ansätzen in jeder der hier verlinkten Publikationen des Medienwissenschaftlers auf – detailliert ist dies auf einer eigenen Webseite nachzulesen.

Kampfansage

Er setzt augenscheinlich auf das Prinzip der Wiederholung, um die Sache ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Denn die Anstrengung, die damit verbunden ist, trifft auf einen beträchtlichen Widerstand. Die großen Plattformen machen da gewiss nicht freiwillig mit.

Also braucht es Druck und eine gemeinsame Front, um den schwierigen Weg zu gehen. Der hat auf grobe Kernpunkte zusammengefasst, mehrere Etappen, wie sie Martin Andree in einer aktuellen Veröffentlichung mit dem Titel "The Hunger Games. Wie digitale Monopole den Journalismus zerstören und die Demokratie bedrohen" bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) noch einmal im Kontext mit Entschiedenheit vorstellt (wichtige Exzerpte hier).

Durch unsere eigene Fehlregulierung bringen wir die digitalen Quasimonopole überhaupt erst hervor, lautet die Kernthese des Medienwissenschaftlers. Dagegen führt er denkbare alternative Regelungen ins Feld.

Grundsätzlich: Wer Plattformen als Intermediäre begreift, sollte nicht gestatten, dass Plattformen überhaupt Inhalte monetarisieren. Dies sei sowieso ein logischer Selbstwiderspruch – "denn wie sollte jemand, der gar kein Inhalteanbieter ist, ausgerechnet Inhalte monetarisieren?".

Kein Geld machen mit fremden Inhalte

Andree tritt denn auch für eine Einschränkung der Monetarisierung von Inhalten durch Plattformen ein: Plattformen, die sich als reine Intermediäre verstehen, sollten nicht in der Lage sein, Inhalte zu monetarisieren.

Zudem sollen die Netzwerke geöffnet werden: Nutzer sollten nicht daran gehindert werden, Plattformen über externe Links zu verlassen. Eine bessere Sichtbarkeit für Inhalte über Links, die nach außen gehen, würde die Artenvielfalt der Angebote fördern.

Notwendige Öffnungen und Verbote

Ferner ist Andree für Einführung offener Standards und Interoperabilität. Es müssten Möglichkeiten geschaffen werden, Inhalte und Follower über Plattformgrenzen hinweg zu teilen. Das würde die Austauschbarkeit der Netzwerke erhöhen und den Wert von Inhalten steigern.

Der Medienwissenschaftler plädiert für die "Anwendung bewährter medienrechtlicher Prinzipien": Die Trennung von Übertragungswegen und Inhalten könnte Monopolstellungen abschwächen. Auch hält er es für möglich und nötig, Obergrenzen für Marktanteile, wie sie im analogen Bereich existieren, für digitale Medien einzuführen.

Last but not least setzt er sich für ein Verbot der Monetarisierung strafbarer Inhalte ein. Plattformen, die strafbare Inhalte monetarisieren, sollten auch die volle inhaltliche Verantwortung tragen.

Durch diese Änderungen würde der Traffic weg von den Plattformen hin zu unabhängigen Domains verlagert und die digitale Souveränität der Nutzer gestärkt werden, so die Hoffnung des Medienwissenschaftlers.

Wie realistisch sie ist, muss sich erst zeigen.