Zahnarzt- und Rechtsanwaltspraxen im Fernsehen

Rufschaden durch unter falscher Flagge verkaufte Firmenpräsentationen

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Wenn scheinbar bekannte Nachrichtenmagazine anrufen und das eigene Unternehmen präsentieren wollen, gehen so manchem Firmenchef die Hormone durch und er wird auch nicht misstrauisch, wenn das Ganze Geld kostet. Auch wenn das Ergebnis presserechtlich korrekt als „Anzeige“ gekennzeichnet wird, kann es je nach Blickwinkel jedoch durchaus als Schleichwerbung, „verkaufte Redaktion“ oder gar als ein Verstoß gegen das Standesrecht bestimmter Berufe gesehen werden, das Werbung ausdrücklich verbietet.

Anruf in einem mittelständischen Unternehmen, das elektronische Komponenten herstellt: „Sie können bei uns einen redaktionellen Bericht im Spiegel kaufen". Anlass sei die gerade gelaufene Messe Electronica, an der das Unternehmen teilgenommen habe. Nein, es ginge nicht um eine Anzeige, sondern um einen redaktionellen Bericht. Auch im Fernsehen sei dies möglich.

Weshalb die ungewöhnliche Offerte dann auch nicht in der Marketingabteilung landete, wo über Werbung entschieden wird, sondern in der Pressestelle. Diese fragte irritiert bei der Geschäftsleitung zurück und kam mit dieser überein, dass erstens der Spiegel ebenso wie Fernsehkanäle nicht unbedingt die geeignete Plattform sei, um über Schaltnetzteile für industrielle 19-Zoll-Racks zu berichten und dass dies zweitens extrem erbärmlich sei, dass so ein angesehenes Nachrichtenmagazin nun ganz offiziell um Bestechung bettle.

Die Geschäftsführung annullierte sofort die bestehenden Spiegel-Abonnements im Haus. Eine Nachfrage bei der Redaktion des Spiegels, was es mit diesem unseriösen Angebot denn auf sich habe, wurde nicht beantwortet.

Redaktionell gestaltete Inserate

Erst viele Jahre später, das Misstrauen in der betreffenden Firma gegenüber dem Nachrichtenmagazin aus Hamburg war nie verschwunden, stellte sich die wahre Natur des merkwürdigen Angebots heraus: Eine in der Form eines redaktionellen Berichts über die Electronica aufgemachte Sammelanzeige, in dem eine Firma nach der anderen mit einem Kurzportrait vorgestellt wurde.

Presserechtlich akzeptabel, solange das Wort „Anzeige“ über dem Werbeblock nicht fehlt, für den Zwischenhändler durchaus lukrativ, der den relativ teuren Werbeplatz in solch namhaften Magazinen so in vielen kleinen Scheiben gut verkaufen kann, die sich die angesprochenen Unternehmen leisten können und die zusammen natürlich deutlich mehr kosten als die eingekaufte große Fläche. Und für das Nachrichtenmagazin erfreulich, plötzlich auch unattraktive Restplätze auf den hinteren Seiten verkaufen zu können.

Unseriös war es lediglich, das Ganze nicht als Unterinserat in einem Anzeigenblock, sondern ausdrücklich als redaktionellen Bericht zu verkaufen. Doch dafür gibt es freie Mitarbeiter, in deren Verantwortung dieser Fauxpas liegt, falls es einmal zu Ärger kommt – die restlichen Beteiligten würden sich dann von diesen distanzieren. Die Verlage haben damit natürlich nichts zu tun, und die Redaktion schon gar nicht, die erfährt normalerweise von den Anzeigengeschäften ohnehin nichts, gerade um unabhängig und unbestechlich zu bleiben. Dies kann dann schon auch einmal zu mehr oder weniger lustigen Pannen führen.

Das Werbebanner oben erklärt unfreiwillig, wo die im Text erwähnten trinkenden Fluggäste augenscheinlich willkommen sind…

Der Vorfall mit dem Spiegel ist mittlerweile über 15 Jahre her, die Masche aber auch heute noch dieselbe: Unternehmen werden angerufen und mit einem Bericht in einem möglichst bekannten Medium geködert, der aber leider nicht umsonst sei. Beim Stichwort "bezahlte redaktionelle Berichterstattung" würden allerdings die meisten Firmen mittlerweile zusammenzucken, denn schließlich würde ein derartiger gekaufter Bericht irgendwann auf sie zurückfallen, wenn der vermeintliche Skandal aufflöge.

Also gibt es eine neue kleine Schwindelei: Es wird gesagt, dass man ohnehin gerade einen Bericht über gerade dieses Unternehmen plane, der später auch im Fernsehen erscheinen solle. Und während sich der Firmenchef noch über diese ungeahnte Publicity freut, eröffnet ihm der Anrufer, den er für einen Mitarbeiter des betreffenden Mediums hält, dass aber leider leider eine kleine Kostenbeteiligung von einer vier- bis fünfstelligen Summe notwendig sei. Um Nachrichtenmagazine aus Hamburg dreht es sich allerdings seit Mitte 2004 nicht mehr, doch weiterhin unter anderem um die Konkurrenz aus München samt TV-Ableger.

Ein Blogger, der nichtsahnend und verdutzt dieser Tage den altbekannten Sachverhalt zum Besten gab, wurde anschließend nicht nur von Kollegen, sondern auch von einer Menge Journalisten überrannt, denen die Masche ebenfalls unbekannt war und die den vermeintlichen Sünder in ihren Reihen ermitteln wollten. Der Blogger bekam es infolgedessen mit der Angst zu tun und hat diesen Eintrag mittlerweile gelöscht, ebenso wie alle von Besuchern und verlinkenden anderen Bloggern hinterlassene Hinweise auf das Magazin, das angeblich angerufen hatte:

anruf einer großen, bekannten, politischen wochenzeitschrift bei einem hiesigen anwaltsbüro. im gespräch wurde erklärt, das man gerade einen beitrag für die print-ausgabe plant und der sich um dieses anwaltsbüro drehen sollte. außerdem sollte der beitrag dann auch in der fernsehausgabe erscheinen. [...]

der eigentliche grund stellte sich ein paar sätze später heraus, denn der anwalt möchte sich doch bitte mit einer summe zwischen 5000 und 15000 euro an den produktionskosten beteiligen. [...]

Mittlerweile gelöschter Beitrag vom 9. Februar auf kiesows.de

Dabei ist dies überhaupt kein Geheimnis und kann auf der Webseite eines der Anzeigenzwischenhändler, der die Selbstdarstellungen der Kleinunternehmen in einen einheitlichen Werbeblock in Zeitschrift beziehungsweise Fernsehmagazin gießt, jederzeit nachgelesen werden. Und das Nachrichtenmagazin in München, das zugegeben gut vertreten ist, befindet sich in guter Gesellschaft von Freundin, N24 und sogar dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das einen ordnungsgemäß bezahlten Werbeblock selbstverständlich auch ausstrahlt und dabei nicht um die Sinnhaftigkeit diskutiert, dass in diesem ein Kosmetikstudio, ein Hautarzt und ein Internist beworben werden.

Diese ahnen wiederum gar nicht, dass man ihnen die ihnen ebenso wie den zahlreichen vertretenen Rechtsanwaltskanzleien standesrechtlich gar nicht zulässige Werbung untergeschoben hat – sie dachten ja, es handle sich um eine journalistische Reportage, die sie lediglich mitfinanzieren müssten. So ähnlich wie mancher erfolglose Schriftsteller, der sich mit einem Druckkostenzuschuss übers Ohr hauen lässt, mit dem er endlich zur ersehnten Buchveröffentlichung kommt, die aber anschließend niemand liest.

Dieses Problem haben die gekauften Firmenporträts natürlich nicht: Für das gezahlte Geld wird ja durchaus eine reale Gegenleistung geboten. Nur die Verkaufsgespräche durch die externen freien Mitarbeiter sind absolut nicht korrekt. Auch wenn dies Branchen mit offiziellem Werbeverbot wie Ärzten und Anwälten durchaus gelegen kommen dürfte...