Zur Aufrüstung der Wahrheit
Die Bush-Regierung installiert die Werbefachfrau Charlotte Beers als neuen spin-doctor
Die internationale öffentliche Meinung ist eine heiß umworbene, mitunter so spröde Schöne, dass die USA und Großbritannien jetzt eigens Kriegsinformationszentren in Washington, London and Pakistan etablieren, um sie günstig zu stimmen. Den Alliierten ist es schon lange ein Dorn im Auge, dass die Zeitdifferenzen den Taliban bisher einen PR-Vorsprung einräumten, sodass deren Lügenversionen der jeweiligen Abenteuer der letzten Nacht in den pakistanischen Medienagenturen dominierten. Der neueste Propagandaschachzug kommt nun zwei Wochen nach der Ankündigung, dass ein Medienzentrum in Islamabad errichtet wird.
Bush hat die Reklameexpertin Charlotte Beers zur neuen "Undersecretary of State for Public Diplomacy" ernannt. Beers Job soll es sein, den mitunter so fragilen Kontakt zwische Regierung und Medien besser zu koordinieren. Ihre Ernennung signalisiert, dass die US-Regierung mit den "full coverages", den "Terrorspecials" und anderen medialen Nebelkerzen, selbst den von CNN und anerkannten Medienhardlinern gezündeten, zutiefst unzufrieden ist. Nicht die Taliban könnten der wahre Feind sein, sondern wie ein Verwaltungschef befürchtet: "Al Jazeera is killing us."
Beers' Ernennung ist Teil einer groß angelegten Propagandaoffensive, massiv den "untruths and lies" zu begegnen, die von den Zivilisationsfeinden und Höhlenbewohnern am Hindukusch unter das muslimische Volk gestreut werden. Die Welt ist leider oft zu dumm gewesen, die Wahrheit zu begreifen. Also muss die wehrlose Wahrheit so aufgerüstet werden, dass noch der letzte Analphabet begreift, warum dieser Krieg eine notwendige Rosskur gegen das Weltübel ist.
Immerhin geht es doch im immer währenden Antiterrorkrieg nach jüngsten Erkenntnissen der Bush-Regierung um nichts weniger als die Verteidigung der Zivilisation selbst. Vom clash of civilizations zum Ende der Zivilisation, das ist noch eine Brennstufe mehr in der nach oben offenen Legitimationsskala des Terrorkriegs. Die Barbaren stehen seit Olims Zeiten immer auf der anderen Seite der Front. "Töte einen gook für Gott", lautete die Aufschrift auf einem GI-Helm in Vietnam und nicht nur hinter diesem Stahlhelm waberte die älteste Blendung der Krieg Führenden: Gestern die "Huns", "Japse" oder Ayatollah Khomeni als fünfter Reiter der Apokalypse, heute die Taliban, morgen wieder Saddam Hussein, und wenn die Zivilisation ihre Rettung verkraftet, gibt es auch übermorgen noch genügend Widersacher. Das Böse ist das älteste Tier der Welt und neu ist nicht einmal das Make-up, das dem Kampf gegen die Schlange verpasst wird.
Schon Richard Nixon hatte den Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion als Kampf des Guten gegen das Böse gelabelt. Zwar fiel ihm die melodramatische Dimension seiner parareligiösen Verkündung selbst auf, "aber wenn wir darüber in dieser Weise denken, hilft dies, unsere Perspektive angesichts des weltweiten Kampfes zu klären". Vielleicht ist den Amerikanern ja der Kriegshorizont, hinter dem es endlos weiter geht, klar. Aber nicht nur der arabischen und muslimischen Öffentlichkeit muss kräftig nachgeholfen werden, Amerikas Mission als Zivilisationsrettungsauftrag freudiger zu begrüßen, als das bislang der Fall war. Die "Evil-doers" wollen die Zivilisation zerstören und was wäre ein besserer Beweis als der, dass der Troglodyt Usama bin Ladin jetzt dreist genug ist, sogar mit Atomwaffen zu drohen, obwohl ihm der ehemalige Chef des saudi-arabischen Geheimdienstes bescheinigt, ein nuklearer Habenichts zu sein.
Charlotte Beers soll es also nun richten. Sie wird als die Große Dame der Werbewelt gehandelt und hatte zuvor Gelegenheit bei "Uncle Ben's Rice" und als Vorsitzende bei J. Walter Thompson - "the world's first global brand communications company" – globale Erfahrungen zu sammeln. Nun ist es relativ einfach, Coca-Cola und Hollywood trotz ihrer geschmacklichen Unwägbarkeiten zu verkaufen. Krieg dagegen setzt weit avanciertere Reklametechniken voraus, wenn das "branding" in jedem Wortsinne richtig unter die Haut gehen soll.
Was also plant Charlotte Beers denn so, um Bushs Rettung der Zivilisation auch für Wankelmütige oder gar Zivilisationsfeinde schmackhaft zu machen? Die neue Chefin für öffentliche Diplomatie hatte schon ihren ersten Einfall: Eine Fernseh- und Anzeigekampagne, um die islamische Welt zu beeinflussen. Da steckt geballtes Expertenwissen dahinter. Amerikanische Berühmtheiten, einschließlich von Sportstars, sollen an die Werbefront rücken, um noch emotionalere Botschaften als Bomben zu verbreiten. Magic Johnson tänzelt sich von seinen Gegnern frei, um wacker gegen die "aliens" zu punkten? "Private Ryan" schwingt sich zum "Universal Soldier" auf?
Amerikas Herzblut ist Kinogängern der ganzen Welt gut vertraut, aber facts und fiction verschmelzen in der Propaganda längst nicht so elegant zum Schulterschluss aller Zivilisationswahrer. Amerikas sattes Lebensgefühl, das jetzt alle Völker, ungeachtet ihres Bruttosozialprodukts, versöhnen soll, wird leider nur zu oft von der Propaganda der eigenen Taten kontrapunktiert, gegen die auch Medienbomben relativ machtlos sind. "Man muss ad oculos demonstriren" meinte Wallenstein - und Syriens Präsident Bashar Assad, der nach Bushs neuesten Ankündigungen, sich alle Terrorstaaten vorzuknöpfen, eigentlich selbst Angst haben sollte, übersetzt das so: "Wir können nicht akzeptieren, was wir täglich auf dem Bildschirm sehen – Hunderte von Zivilisten, die sterben." Selbst Amerika dürfte ahnen, dass es langfristig propagandistisch zu billig ist, die ständigen Kollateralschäden als Gegenpropaganda zu denunzieren. Besser also man zeigt sie erst gar nicht.
Längst lichtet sich der Nebel des Kriegs nicht mit der sich abzeichnenden Zerschlagung der militärisch minder bemittelten Taliban. Eile ohne Weile tut Not, weil das Zivilisationsrettungsprogramm, vulgo: der Terrorkrieg, noch in weiteren unabsehbaren Passionen durchlitten werden will. Der Irak ist der nächste Schurkenstaat auf der Warteliste der Evildoers.
Donald H. Rumsfeld meint: "We're still in the very, very early stages of this conflict." Hoffentlich hat auch der deutsche Bundestag gut zugehört, als der Verteidigungsminister den Schatz seiner militärhistorischen Weisheiten preisgab: "Die USA haben Japan dreiundhalb Jahre gebombt, bevor wir im August 1945 unsere Ziele realisierten." Das spricht ja eher gegen ein Bundeswehrintermezzo von einem Jahr oder gar kläglichen sechs Monaten, das nun den Zauderern und Zögerern im Bundestag angelegen ist.
Um andererseits die islamische Öffentlichkeit zu besänftigen fährt der Verteidigungsminister den immer währenden Feldzug propagandistisch so herunter: "Do I think Afghanistan will take years? "No, I don't." Nun hat Präsidentensprecher Ari Fleischer jüngst die Amerikaner ermahnt, aufzupassen, was sie sagen – und einige amerikanische Journalisten, die das nicht schnell genug begriffen hatten, mussten bereits gehen. Aber Rumsfeld und auch der mitunter moderate Colin Powell nehmen Fleischers Drohrhetorik scheinbar selbst nicht ganz so ernst. Ihre Botschaften massieren die öffentlichen Meinung je nach Stimmungslage. Während Amerika und die Allianz auf einen ewigen Krieg eingeschworen werden, wird einen Atemzug später Pakistan und den anderen Nationen in der Region ein kurzer Krieg avisiert.
Vielleicht weiß ja Charlotte Beer, dass Propaganda, die nicht konsistent ist, ihren Wahrheitsanspruch verfehlt. Die Wahrheitsabteilung von Frau Beers hat jedenfalls härteste Nüsse selbst in den eigenen Reihen zu knacken. Letztlich wissen die Kriegsherren des Westens so wenig wie die Weltöffentlichkeit, wann sie ihren Krieg beenden werden, da seine hybride Selbstermächtigung auf nicht weniger als die Ausrottung des Bösen gerichtet ist. Dieses Ziel ist historischen Lektionen nach eine Farce. Auch dieses Mal wird die Weltrettung irgendwann in der Erkenntnis, d.h. in der Erschöpfung, implodieren, dass diese Welt anders konstruiert ist, als es Amerikas Pfadfinder im dunklen Reich Satans und seiner Vasallen für wünschbar halten.
Indes macht wenigstens die interkulturelle Aufrüstung des Pentagon so große Fortschritte, dass nur Pazifisten verkennen, dass dieser Krieg auch der Völkerverständigung dient. Die Kriegsherren verwandeln sich schleichend in Koran- und Haditkenner, zumindest wenn es der humanen Kriegführung dient. So bemüht "Voice of America" in den Radiosendungen für Afghanistan die Kriege des Propheten Mohammed im siebten Jahrhundert, um den Muslimen klar zu machen, dass islamische Armeen auch während des Fastenmonats Ramadan in die Schlacht gezogen sind. Auch der Christ George W. Bush reklamiert die historische Wahrheit des Islam für seine nächsten Gefechte: "The enemy won't rest during Ramadan, and neither will we." Interreligiöse Kommunikation vom Feinsten.
Propaganda ist in den Zeiten multipler Sendeverhältnisse für keinen Krieg Führenden, ob er nun als weißer oder nur als schwarzer Ritter ins Feld ziehen darf, mehr das Geschäft, wie es der Erzbösewicht der psychological warfare, Adolf Hitler, so zynisch betrieb: "Durch kluge und dauernde Anwendung von Propaganda (kann) einem Volke selbst der Himmel als Hölle vorgemacht werden und umgekehrt das elendste Leben als Paradies." Das war schon damals nicht wahr und ist es heute noch weniger. Kriege lassen sich schlechter denn je verkaufen, wenn seine dreckigen Botschaften schließlich unbeeindruckt von den Wahrheitsverkäufern den Beteiligten an der Front wie an den Monitoren ins Gesicht spritzen. Selbst für solche Kriegswahrheiten gibt es indes eine probate Propaganda der Tat, die alle Zweifler sofort besänftigt: Aufhören.