Zusammenarbeit oder neuer Kolonialismus?
China stärkt seine Bande nach Afrika und in den Nahen Osten
China, China, immer wieder China. Ob die Freihandelszone in Dschibuti oder ÖPNV in Nigeria, überall in Afrika ist China präsent und baut und investiert. In der nigerianischen Hauptstadt Abuja wurde gerade eine Stadtbahn eröffnet, das erste Nahverkehrssystem seiner Art in Westafrika. Gebaut und teilweise finanziert von China.
Zur Feier bekommen alle Fahrgäste einen Monat frei Fahrt, kündigte der Betreiber an. Es ist die China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC). Einer der ersten Passagiere war der Präsident von Nigeria, Muhammadu Buhari, der das 45 Kilometer lange Schienennetz offiziell einweihte. Die neue Bahn werde "der Wirtschaft und dem sozialen Leben einen enormen Schub geben", sagte er.
Auch im ostafrikanischen Tansania investiert China in das dortige Verkehrssystem. In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba kann man inzwischen den Zug nach Dschibuti besteigen. Die 752 Kilometer lange Zugstrecke "ist eines der vielen von China gebauten und finanzierten Infrastrukturprojekte, die in den vergangenen Jahren auf dem afrikanischen Kontinent entstanden sind", berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua.
In Uganda baut China eine Autobahn und in Namibia einen Hafen. Er soll das Land zum zentralen Umschlagplatz im Südwesten des Kontinents machen. Aber auch das benachbarte Südafrika hätte gerne chinesische Investoren. Und so warb die Regierung Ende Mai in Shanghai um Firmen, die sich in einer der acht Sonderwirtschaftszonen des Landes ansiedeln könnten.
Umschlagplatz Dschibuti
Und das sind nur einige der jüngsten Meldungen über das chinesische Engagement in Afrika. Die chinesische Regierung denkt schon lange über den maritime Seidenstraße (One Belt, One Road - OBOR) hinaus, die China zu Land und zu Wasser mit Europa verbinden soll. Peking nimmt auch das rohstoffreiche Afrika in den Blick und investiert dort massiv. Gerade hat China in Dschibuti eine Freihandelszone eingerichtet: 370 Millionen Dollar investierte es in den Bau der Djibouti International Free Trade Zone (DIFTZ), die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hafen von Dschibuti liegt.
Über Dschibuti am Horn von Afrika verlaufen die Handelswege von China nach Europa wie auch die von China nach Afrika. Die Intergovernmental Authority on Development (IGAD), die Regionalorganisation der Staaten am Horn von Afrika, lobte, damit entstehe die größte Freihandelszone in Afrika. In den kommenden zwei Jahren würden dort Waren im Wert von 7 Milliarden Dollar umgeschlagen, schätzt die IGAD. Dadurch könnten mehr als 15.000 Arbeitsplätze entstehen. Die Freihandelszone habe auch große Bedeutung für den afrikanischen Kontinent und sei ein wichtiger Schritt zu regionaler Integration.
Nach der Eröffnung fand das Afrika-China-Wirtschaftsforum statt. Ismail Omar Ghuelleh, der Präsident von Dschibuti, sagte dort, durch die DIFTZ festige sein Land seine Stellung in der internationalen Wirtschaft und im Handel. UN-Untergeneralsekretär Tegegnework Gettu meinte, nötig seien wirtschaftliche Veränderungen weg von der Landwirtschaft hin zu Industrialisierung. Das sei der "Schlüssel, um Menschen aus der Armut herauszuholen und davon wegzuhalten". Wie wichtig auch die regionalen Nachbarn die DIFTZ nehmen, zeigte die Liste der anwesenden Staatsgäste: Paul Kagame (Ruanda), Omar al-Bashir (Sudan), Mohamed Abdullahi Mohamed (Somalia), Abiy Ahmed (Äthiopien), Moussa Faki (Afrikanische Union).
Chinas OBOR-Firmen
Dschibuti ist der Hauptanteilseigner an der DIFTZ, aus China beteiligt sind die China Merchants Group, der Betreiber des Hafens Dalian und das Unternehmen IZP. Die China Merchants Group ist ein Staatsunternehmen, das schon 1872 gegründet wurde, um das Land zu modernisieren. "Das Unternehmen stellte die erste Handelsflotte auf, gründete die erste chinesische Bank, die erste chinesische Versicherungsgesellschaft usw. Es spielte eine wichtige Rolle im modernen China", heißt es in der Firmenselbstdarstellung.
Im Zuge der Reformen spielte die China Merchants Group ab 1978 wieder eine wichtigere Rolle und ist heute laut Eigendarstellung "eines der führenden staatseigenen Unternehmen", ein Konglomerat mit zahlreichen Unterfirmen in den Bereichen Industrie, Dienstleistung und Finanzen. Diese sind unter anderem in der Schifffahrt, in Immobilen und Handel tätig und betreiben im Rahmen von OBOR auch 53 Häfen in 20 Ländern.
IZP wiederum ist ein Big-Data-Unternehmen, das wichtige Stationen an der neuen Seidenstraße ausrüstet. Von Dschibuti aus könnten rund 300 Millionen Menschen in Ost- und Südafrika erreicht werden mit einer Wirtschaftskraft von 800 Milliarden Dollar, kalkuliert das Unternehmen. Weitere Stützpunkte auf der Liste von IZP sind zu Lande Kirgisistan, die Türkei, Weißrussland und Litauen sowie zu Wasser Sri Lanka, Tansania und Italien. Schließlich als Kontakt nach Amerika auch Ecuador. In all diesen Ländern plant IZP Freihandelszonen, aus denen heraus das Hinter- und Umland für chinesische Firmen erschlossen werden soll.
Pekings Gipfel-Diplomatie
Die guten Beziehungen nach Afrika flankiert Peking mit einer ganzen Reihe von Foren, Gipfeln und Treffen. Gerade waren Militärs aus 49 afrikanischen Staaten zu Besuch in Peking. Beim ersten China-Afrika-Forum zu Verteidigung und Sicherheit wurde zwei Tage hinter verschlossenen Türen die weitere Zusammenarbeit beraten, dabei wurde laut Berichten den Besuchern auch Heer, Marine und Luftwaffe gezeigt.
Verteidigungsminister Wei Fenghe gab dabei als Motto aus: "Join Hands and Cooperate, Defend and Help Each Other". China wolle die Beziehungen zu Afrika weiter ausbauen und so auch die maritime Seidenstraße voranbringen, sagte er. Wie das chinesische Verteidigungsministerium berichtete, hätten die afrikanischen Militärs erklärt, Afrika bewundere China für das, was es in den vergangenen 40 Jahren durch Reform und Öffnung erreicht habe. Außerdem hätten sie ihre Unterstützung für "One Belt, One Road" zugesagt.
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte nach dem Treffen, die Zukunft der afrikanisch-chinesischen Militärkooperation lasse sich am besten mit einem chinesischen Gedicht zusammenfassen: "The river is wide at full tide, a strong wind sends the sail surging forward."
Chinas Waffen in Afrika
China hat seine Waffenexporte auf den afrikanischen Kontinent in den vergangenen Jahren ausgeweitet. Wie das Center for Strategic and International Studies (CSIS) schreibt, gingen in den 1980ern und 90ern 15 Prozent der chinesischen Waffenexporte nach Afrika, heute seien es 21 Prozent. Die Hauptempfängerländer sind demnach Algerien, Tansania, Marokko, Nigeria und Sudan.
Regional betrachtet, gehen chinesische Rüstungsgüter vor allem nach Nord- und Ostafrika, nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI etwa an Ägypten, Äthiopien, Mauretanien, Simbabwe und Uganda. Aber auch der Tschad, Ghana, Kenia, Namibia, Sierra Leone und Sambia haben schon Rüstungsgüter aus Fernost erhalten. Wie das CSIS aber auch schreibt, liegt China mit einem Warenwert von 3 Milliarden US-Dollar von 2008 bis 2017 auf Platz 3 hinter den USA (4,9 Milliarden) und Russland (12,4 Milliarden).
Das CSIS verweist auch auf das Pentagon, wonach chinesische Waffen zwar oft einfacher seien, aber auch weniger teuer, was sie interessant mache. In Kriegen und bei Kriegsverbrechen und bei der Unterdrückung der Bevölkerung wurden chinesische Waffen auch schon registriert, so etwa in Sudan, Südsudan, Kongo und Simbabwe, wie die Oxford Research Group 2017 berichtete. China achte nicht auf die Menschenrechte, kritisiert die Gruppe: "Afrikanische Regime, die ihr Überleben bedroht sehen, wenden sich daher schnell an China, um Waffen zu bekommen, die ihnen beim Kampf um ihr Überleben nützen."
Zusammenarbeit oder neuer Kolonialismus?
Tatsächlich baut China seine Beziehungen nach Afrika konsequent aus, ohne sich groß um die inneren Belange zu kümmern. Und Peking verteidigt dieses Vorgehen und weist alle Vorwürfe zurück, man betreibe eine Art Neo-Kolonialismus oder -Imperialismus. So argumentieren manche, die chinesischen Investitionen brächten die jeweiligen Länder in eine gefährliche Abhängigkeit und sprechen von "Schuldschein-Diplomatie".
Die vom regierungseigenen China Internet Information Center (CIIC) betriebene Seite german.china.org.cn zitiert dagegen den Direktor des Instituts für Internationale Beziehungen an der Renmin-Universität in Beijing, Wang Yiwei: "Der Ausdruck 'Schuldschein-Diplomatie' zeigt, dass der Westen wegen der chinesisch-afrikanischen Zusammenarbeit nervös ist. 'Schuldschein-Diplomatie' ist genau das, was der Westen über Jahrzehnte mit Afrika gemacht hat und China hilft den afrikanischen Ländern nun, sich aus der 'Schuldenfalle' des Westens zu befreien."
Aber auch aus ganz anderer Ecke wird China zumindest in dem Punkt Schutz genommen, nur afrikanische Rohstoffe ausbeuten zu wollen. Die liberale Neue Zürcher Zeitung (NZZ) nennt das "überholt": "Längst sieht Peking in Afrika nicht mehr in erster Linie einen Rohstofflieferanten, sondern einen wachsenden Absatzmarkt für eigene Fabrikate."
Exportiert würden Elektronik, Maschinen, Kleidung, chinesische Produkte seien heute überall in Afrika zu finden wie auch Läden und Restaurants, schreibt die NZZ weiter: "Selten zuvor hat ein Land im Ausland wirtschaftlich derart stark expandiert wie China in Afrika". Das Blatt zitiert eine McKinsey-Studie, nach der "mehr als 10.000 chinesische Firmen in Afrika aktiv sind".
Rege Regierungskontakte
Die Afrikanische Union jedenfalls begrüßt das chinesische Engagement. Seit drei Jahren hat China einen ständigen Vertreter im Hauptquartier der Organisation in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, wobei das 200 Millionen Dollar teure AU-Gebäude übrigens selbst ein chinesisches Geschenk ist. "Das erlaubt uns, unsere Kooperation zu verbessern, zu der Infrastrukturprojekte gehören, der Bau von Zugstrecken und die Industrialisierung", sagte Quartey Kwesi, der stellvertretende AU-Generalsekretär. "In den vergangenen Jahren haben Afrika und China pragmatisch und eng zusammengearbeitet im Geiste der Süd-Süd-Zusammenarbeit und auf Gebieten, die Gesundheit, Bildung, Infrastruktur, Handel und Know How verbessern", lobte er.
"China und Afrika haben zur Bildung einer Beziehung und Zusammenarbeit einen besonderen Weg beschritten und unsere Völker haben enorm davon profitiert", befand auch der stellvertretende Außenminister Chen Xiaodong bei einem weiteren chinesisch-afrikanischen Treffen, dem 7. "China-Africa-Think Tank Forum" in Peking am 4. Juli. Ebenfalls gerade erst fand in Peking das China-Africa Youth Festival statt, zu dem 105 Delegierte aus 54 afrikanischen Staaten anreisten.
Und dabei bleibt es nicht. Für September ist der China-Afrika-Gipfel (FOCAC) angesetzt. Es ist bereits das siebte Treffen dieser Art. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit richtet China gerade in Sierra Leone ein Tropical Disease Prevention and Control Center ein. Dadurch werde Sierra Leone Tropenkrankheiten und Epidemien besser bekämpfen können, teilte das chinesische Verteidigungsministerium mit. Außerdem sei es die erste derartige Einrichtung der Volkbefreiungsarmee in Afrika. China hat offensichtlich noch einiges vor in Afrika.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.