Zwei Welten bei den Grünen: Koalition mit "rechten Kotzbrocken"?

Die Grüne Jugend gibt sich rebellisch. Die Aussicht auf eine Koalition mit der FDP vermag sie nicht zu begeistern. Symbolbild: Uschi_Du auf Pixabay (Public Domain)

Die Grüne Jugend ist skeptisch, was eine Koaliton mit SPD und FDP im Bund angeht. Während ihre Parteispitze sondiert, stehen die Youngsters wegen älterer Tweets in der Kritik

Es sind zwei Welten in einer Partei: Die Grünen-Spitze sondiert fleißig mit SPD und FDP für eine "Ampel-Koalition" im Bund - und die Grüne Jugend hat am Wochenende eine Bundessprecherin und einen Bundessprecher gewählt, die sich scheinbar als Mitglieder einer linken Oppositionspartei wahrnehmen und in der Vergangenheit wütende Tweets abgesetzt haben. Diese Tweets fliegen ihnen gerade um die Ohren.

Während die 20-jährige Sarah-Lee Heinrich dabei zum Teil mit Aussagen aus ihren frühen Teenager-Jahren konfrontiert wird, hat sich der 25-jährige Timon Dzienus noch im vergangenen Jahr despektierlich über die FDP geäußert. Deren Parteichef Christian Lindler sei ein "rechter Kotzbrocken, der zurücktreten soll", hatte Dzienus im Februar 2020 geschrieben, nachdem sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich in Thüringen mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten hatte wählen lassen.

"Wirklich große Scheiße gebaut"

Es sah damals ganz so aus, als hätte Lindner Kemmerich grünes Licht gegeben, während das Manöver auf Bundesebene auch in der CDU für Empörung sorgte. Die damalige CDU-Chefin Annnegret Kramp-Karrenbauer will Lindner und die FDP davor gewarnt haben, sich in Thüringen von der Rechtsaußenpartei AfD abhängig zu machen. Letztendlich trat Kemmerich nach wenigen Tagen zurück.

Die FDP habe damals "wirklich große Scheiße gebaut", verteidigte der frisch gewählte Bundessprecher der Grünen Jugend an diesem Montag im Interview mit dem Sender n-tv seine Twitter-Aussagen mit Blick auf die Regierungskrise in Thüringen, die von der Bild skandalisiert worden waren.

Knackpunkt Finanzen

Der Aufreger kam für die Grünen-Spitze zur Unzeit, will sie doch mit der FDP unbedingt auf einen Nenner kommen - wobei völlig unklar ist, wie von den Grünen versprochene Investitionen in eine sozialverträgliche Energie- und Verkehrswende mit dem Wahlprogramm der FDP vereinbar sein sollen. Schließlich wird darin versprochen, auf gar keinen Fall den Spitzensteuersatz zu erhöhen oder große Vermögen zu besteuern. Großen Unternehmen werden darin sogar Steuerentlastungen versprochen. Das Thema Finanzen sei natürlich bei den "Ampel"-Gesprächen ein "riesiges Problem", sagte Grünen-Ko-Chef Robert Habeck am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Er befand aber auch: "Scheitern ist eigentlich keine Option".

Der grüne Nachwuchspolitiker Dzienus wirkt dagegen skeptisch: "Das sind einfach harte Brocken mit der FDP, wo sich die Grünen und die SPD an vielen Stellen durchsetzen müssen", sagte er im Gespräch mit n-tv. Seine Partei und die SPD dürften gerade im Bereich der Klima- und Sozialpolitik nicht "zu sehr nachgeben", betonte er. Der FDP warf Dzienus "Marktgläubigkeit" in Sachen Klima und Mieten vor: "Wir sehen in vielen Bereichen, zum Beispiel in der Klimapolitik, dass das nicht funktionieren wird. Deswegen sind wir ja gerade in der Misere, in der wir stecken."

Die Ko-Bundessprecherin der Grünen, Sarah-Lee Heinrich, sieht sich unterdessen als Afrodeutsche einem Shitstorm von rechten Kräften ausgesetzt, die aus ihrer Sicht "Bammel vor einer schwarzen, linken Frau" haben. Als Teenagerin hatte sie wütende Tweets über Rassismuserfahrungen verfasst und unter anderem von einer "ekligen weißen Mehrheitsgesellschaft" gesprochen. Zahlreiche Tweets soll sie vor ihrer Wahl gelöscht haben.

Die traditionell gern von Grünen gelesene taz meint, die Partei sollte ihre Nachwuchskader besser darauf vorbereiten, dass sie und ihre Social-Media-Aktivitäten von politischen Gegnern genau unter die Lupe genommen werden, um Angriffspunkte zu finden. Diskriminieren könne aber nur, wer Macht hat, heißt es in dem Kommentar. "Schwarze Menschen haben in Deutschland – oder Europa – keine Macht. Von daher kann Heinrich vielleicht Geschmacklosigkeit und mangelnde Einsicht, nicht aber umgekehrter Rassismus vorgeworfen werden", so die taz-Autorin Silke Mertens.

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