Zwischen Hoffnung und Skepsis: Bewertung der deutschen Klimaerfolge

Windpark und Solaranlage in Getreidefeldern bei Wörrstadt, Rheinland-Pfalz

Erneuerbare Energien haben erheblich dazu beigetragen, die CO2-Emissionen im Energiebereich zu senken.

(Bild: Harald Lueder / Shutterstock.com)

Emissionsbericht der Bundesregierung spaltet. Macht Deutschland echte Fortschritte oder sind die Ergebnisse nur Fassade? Warum es Grund zu Zweifeln gibt.

Deutschland kann einen Erfolg verbuchen: Der Ausstoß von Treibhausgasen ist im vergangenen Jahr um rund zehn Prozent gesunken – so stark wie seit dem Beitritt der neuen Bundesländer 1990 nicht mehr. Das teilte das Umweltbundesamt (UBA) am Freitag mit.

Industrie trägt zu Emissionsrückgang bei

Vor allem im Industriesektor gingen die Emissionen stark zurück. Europas größte Volkswirtschaft schrumpfte im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent, hauptsächlich wegen der hohen Energiepreise und der schwachen Exportnachfrage.

Deutschland war jahrzehntelang die treibende Kraft der europäischen Wirtschaft, auch dank günstiger russischer Gaslieferungen. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und dem Beginn des Wirtschaftskrieges des Westens gegen Russland wurden auch die Gaslieferungen eingestellt. Steigende Energiepreise waren die Folge.

Rückgang der Emissionen: Konjunkturschwäche oder dauerhafter Trend?

Die Industrieproduktion ging im vergangenen Jahr nur um 1,2 Prozent zurück, obwohl energieintensive Branchen wie die Chemie- und die Metallindustrie laut Reuters fast 8 Prozent und 5,3 Prozent weniger produzierten. Dies führte letztlich zu dem vom UBA gemeldeten Rückgang der Emissionen im Industriesektor.

Auf die Frage, ob der Rückgang der Emissionen auf eine schwächere Konjunktur und nicht auf einen dauerhaften Rückgang zurückzuführen sei, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) laut Reuters, 2023 sei zwar ein Ausnahmejahr gewesen und die Regierung erwarte eine "vollständige wirtschaftliche Erholung".

Umweltbundesamt: Deutschland auf gutem Weg, Klimaziele zu erreichen

Das Umweltbundesamt (UBA) sieht Deutschland auf einem guten Weg, seine Klimaziele für 2030 zu erreichen. Die Emissionen seien im vergangenen Jahr auf 673 Millionen Tonnen gesunken und bestätigten damit vorläufige Prognosen.

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, seine Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken und bis 2045 klimaneutral zu werden. Derzeit liegt es bei rund 46 Prozent, wobei die Deindustrialisierung Ostdeutschlands Anfang der 1990er-Jahre einen erheblichen Anteil an den Reduktionen hatte.

Neue Maßnahmen zur Förderung der Klimaneutralität in der Industrie

Die Bundesregierung hofft nun, dass die Emissionen weiter sinken. Die neu eingeführten "Klimaschutzverträge" sollen Unternehmen dazu anregen, indem sie einen Ausgleich für die Mehrkosten für eine klimafreundliche Produktion schaffen.

Außerdem setzt die Bundesregierung auf die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf Strom und die Bepreisung von CO2-Emissionen, um die Industrie zur Klimaneutralität zu bewegen, sagte UBA-Präsident Dirk Messner am Freitag auf einer Pressekonferenz.

Erneuerbare Energien tragen zur Verringerung der Emissionen bei

Im Energiesektor gingen die Emissionen aus Kraftwerken deutlich zurück. Dies ist auf den Anstieg der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zurückzuführen, die im vergangenen Jahr fast 52 % des Stromverbrauchs deckten. Ein Anstieg der Stromimporte, insbesondere aus französischen Kernkraftwerken, und ein Rückgang des Gesamtenergieverbrauchs um 4 Prozent trugen ebenfalls zur Verringerung der Emissionen bei.

Gebäudesektor verfehlt Klimaziel leicht, trotz Emissionsrückgang

Die Emissionen aus dem Gebäudesektor, vornehmlich aus dem Wärmebereich, sind aufgrund des milden Winters um mehr als 7 Prozent zurückgegangen. Aber dennoch wurde das Sektorziel um 1,2 Millionen Tonnen CO2 leicht verfehlt. Das Umweltbundesamt schreibt dazu:

Wesentliche Treiber für den Rückgang der Emissionen sind wiederum Energieeinsparungen aufgrund der milden Witterungsbedingungen in den Wintermonaten 2023 und höhere Verbraucherpreise. Auch der Zubau an Wärmepumpen wirkte sich positiv auf die Emissionsentwicklung im Gebäudebereich aus, da beispielsweise weniger Erdgas und Heizöl eingesetzt wurden.

Verkehrssektor bleibt größtes Sorgenkind im Klimaschutz

Sorgenkind ist nach wie vor der Verkehrssektor. Hier wurden nach UBA-Angaben im vergangenen Jahr rund 146 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen. Im Vergleich zum Vorjahr gingen die Emissionen zwar um 1,8 Millionen Tonnen zurück, das Sektorziel wurde jedoch um rund 13 Millionen Tonnen verfehlt.

Selbst dieser geringe Rückgang ist laut UBA nicht auf wirksame Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen, sondern auf die rückläufige Fahrleistung im Straßengüterverkehr. Der Pkw-Verkehr hat im Vergleich zum Vorjahr sogar weiter zugenommen.

Deutsche Umwelthilfe kritisiert Emissionsbericht der Bundesregierung scharf

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert den Emissions- und Projektionsbericht der Bundesregierung und des Umweltbundesamtes scharf. Sie wirft der Regierung vor, Maßnahmen in der Klimabilanz positiv zu verbuchen, die bereits abgesagt sind und definitiv nicht umgesetzt werden.

Trotz dieser "Tricks" verstoße die Bundesregierung weiter gegen das Klimaschutzgesetz und verfehle erneut die gesetzlichen Klimaschutzziele für 2023 in den Sektoren Verkehr und Gebäude.

Mit diesen "Tricks" meint die DUH etwa die Mindesteffizienzstandards für Wohngebäude. Auf EU-Ebene habe die Bundesregierung sie blockiert – aber im Projektionsbericht tauchten sie dagegen auf. DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz nannte dies eine Farce.

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