Zwischen Obamanie und Realpolitik

Während manche Obama als neuen Heilsbringer feiern, gibt es erste Warnungen vor Ernüchterung

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Die Berliner strömten in Massen, meldeten die Radio- und Fernsehender seit dem späten Donnerstagnachmittag. Am Ende sollen es über 200000 Menschen gewesen sein. Der Obama-Auftritt sorgte dafür, dass das Fanmeilen-Feeling der Fußballweltmeisterschaft noch einmal nach Berlin zurückkehrte. Allerdings dürfte sich die Anzahl der überzeugten Obama-Fans unter der Masse dieses Mal in Grenzen gehandelt haben. Der Auftritt des Senators aus den USA war eben ein willkommenes Sommerloch-Event.

Allerdings haben die Medien mit dem Begriff Obamanie schon mal ein neues Wort kreiert. Gerade jüngeren Menschen hoffen in Barrack Obama endlich einen US-Politiker zu treffen, den sie wieder schätzen können. Da werden gleich Erinnerungen an John F. Kennedy wach. Der Kontrast zum amtierenden Präsidenten Bush könnte nicht größer sein. Auch er bewegte Massen, wenn er Deutschland besuchte, allerdings meistens zu Protestdemonstrationen.

Unter den Teilnehmern des Obama-Auftritts werden auch ehemalige Demonstranten gegen Bush gewesen sein. Manche wollten sogar – wie die Tageszeitung formulierte – deutlich machen, dass ihr Protest gegen Bush kein Antiamerikanismus ist.

Yes, we can

Obama enttäuschte seine Zuhörer nicht. Er betonte in seiner Rede, dass er nicht als Kandidat, sondern als stolzer US- und Weltbürger in Berlin redet. Gleich zu Beginn widmete er sich seiner familiären Biographie. Er verwies auf seine Vorfahren, die aus einfachen Verhältnissen kommen und ihrem Traum und ihre Sehnsucht nach Freiheit treu geblieben seien. Obama erinnerte an die Zeit der Luftbrücke vor 60 Jahren, als US-Flugzeuge das von den Sowjets abgeschnürte Westberlin mit Lebensmittel versorgten. Er lobte die Entschlossenheit der Berliner, sich nicht der Tyrannei zu beugen.

Der Fall der Mauer sei der Sieg über die Tyrannei zu verstehen und habe weltweit die Gefängnistore in vielen Ländern geöffnet. Dabei hat Obama unter anderen das Ende der Apartheid in Südafrika erwähnt. Nur kam bei ihm nicht vor, dass das Regime im Kalten Krieg von den westlichen Staaten und die Anti-Apartheid-Kämpfer vom Ostblock unterstützt wurden. Auch der gemeinsame Kampf der Anti-Hitler-Koalition gegen Nazideutschland wurde von ihm nicht als Beispiel für einen gelungenen Freiheitskampf erwähnt. Das wäre vielleicht in Berlin auch nicht so gut angekommen. Obama versuchte vielmehr die gemeinsame Front gegen den Ostblock im Kalten Krieg auf den aktuellen Kampf gegen den Terror zu übertragen. So wie man damals die Kommunisten bekämpfte, müsse man heute vereint gegen den Terrorismus stehen.

Andererseits rief benutzte er mit der Aufforderung, die Mauern einzureißen, eine auslegungsfähige Metapher, die auch schon in der US-Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre gebraucht wurde. Die Vision der Zerstörung der Mauern zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen und Hautfarben hat ebenso ein utopisches Potential wie der Aufruf für eine Welt ohne Atomwaffen und sein Bekenntnis für mehr Respekt für Einwanderer unabhängig von ihrer Hautfarbe und Religion.. Hier verwies Obama auf den alten US-amerikanischen Traum von Freiheit und Glück des Einzelnen.

Er beendete seine Rede mit dem Aufruf eines Wandels in der Welt, die auch in der Parole nach eines „Change“ und „Yes, wie can“ ausgedrückt hat. Damit triff er auch das Lebensgefühl vieler jünger Menschen, die in einer postrevolutionären Welt eine evolutionäre Änderung befürworten. Dabei ist man bescheiden geworden. So reichte es in der Klimafrage schon, dass Obama für eine weltweite Verantwortung gegen den Klimawandel eintrat, um Begeisterung auszulösen. Schließlich ist es eine Abkehr von der Klimapolitik der Bush-Regierung.

Als heikler Punkt galt im Vorfeld Obamas Position zu Afghanistan. Darauf will er als Präsident das Hauptaugenmerk im Kampf gegen den Terror richten und erwartet dabei auch von den europäischen Ländern mehr Unterstützung. Doch auch hier verstand es der Präsidentschaftskandidat, sich so zu äußern, dass er nicht wirklich aneckte. So beschwor er in seiner Rede ein gemeinsamen Handeln zwischen den USA und Europa. An dieser Stelle war der Applaus verhaltener. Die Zustimmung war hingegen größer, als er ein Ende der US-Präsenz im Irak in Aussicht stellte. Dabei profitiert er allerdings von einer zumindest relativen Stabilisierung in dem Land. Beitrug. Der durch Verträge zementierte Ausverkauf der irakischen Ölindustrie an US-Konzerne fällt dann nur Kritikern in den USA auf.

Konkrete politische Inhalte spielten in Berlin kaum eine Rolle

Während die Massen vor der Siegessäule vor allem feiern und jubeln wollten, kamen aus der Politik und von Kommentatoren schon nachdenklichere Töne. Die Heilserwartungen können nur enttäuscht werden, so der konservative Geschichtswissenschafter Michael Stürmer in einem Interview mit dem Deutschlandradio.

Das erste Missverständnis könnte schon darin bestehen, die Jubelveranstaltungen in Berlin mit der Stimmung in den USA zu verwechseln. Dort sind sicher die europäischen Auftritte des designierten Kandidaten nicht wahlentscheidend. Sein republikanischer Konkurrent ist ihm in Umfragen immer noch auf den Fersen. Es kann noch immer passieren, dass im nächsten Jahr in den USA mit McCain ein Mann regiert, der keinen Wahlkampf in Berlin machte. So könnte eine neue republikanische Regierung zu einer Steigerung der Abneigung führen, die man in Deutschland der Bush-Regierung entgegen brachte.

Aber selbst bei einem Sieg von Obama sind Enttäuschungen fast unausweichlich Konkrete politische Inhalte spielten in Berlin kaum eine Rolle. Sie sind im Vorfeld schon an den Rednern herangetragen worden. So sorgte Obamas Position zum Freihandel im Vorfeld seines Besuchs für Kritik vor allem bei FDP-Politikern wie Otto Graf von Lambsdorff.

Politiker der Linken warnten vor zu viel Euphorie beim Obama-Besuch und erkundigten sich in einem Brief nach Obamas Haltung zu den Verschleppungen von Terrorverdächtigen von Europa nach Guantanamo. Vor allem wollten die Linken wissen, ob diese Praxis der Verhaftungen auch unter seiner Administration fortgesetzt wird. Darauf ging Obama in seiner Rede natürlich nicht ein.