Alle Jahre wieder Finanztransaktionssteuer
Wieder einmal konnte man sich nicht einigen und plötzlich waren es auch nur noch zehn
Alle Jahre wieder ist Weihnachten und alle Jahre wieder wird über die angebliche Einführung einer minimalen Steuer auf Finanztransaktionen debattiert. Doch obwohl die Finanzmarktsteuer immer weiter verwässert wurde, konnte erneut keine Einigung erzielt werden.
Eigentlich sollte ja schon bis Ende 2014 eine Rechtsgrundlage für 11 Euroländer geschaffen sein, war längst verkündet worden. Länder wie Spanien hatten eilig im Haushalt 2015 die Einnahmen daraus schon verbucht, die natürlich nie geflossen sind. Das ist ein Grund, warum das Land sein Defizitziel auch in diesem Jahr wieder nicht einhalten wird, was aber unsere Bundeskanzlerin nicht zum Tadel an den konservativen Freunden bringt. Alle Jahre wieder…
Ohnehin hatten an zwei Tagen nur noch zehn Staaten über die Einführung dieser Steuer debattiert, da auch Estland zwischenzeitlich ausgestiegen ist. Die Finanztransaktionssteuer soll den Kauf von Aktien nur mit geringen 0,1% besteuern und Derivate sogar nur mit lächerlichen 0,01%. Und auch das ist nicht einmal sicher. So sagte der französische Finanzminister Michel Sapin nach den zweittägigen Verhandlungen der Finanzminister, vor allem die Steuersätze seien noch offen. Nun wollen die verbleibenden Länder bis zum nächsten Sommer weiter über die Einführung einer Börsensteuer verhandeln.
Bei den Versuchen, auch die minimalen Steuersätze weiter zu verwässern, steht offenbar Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der ersten Reihe. Der warnte zwar erneut vor einer weiteren möglichen Finanzkrise und forderte "dringend eine bessere Regulierung". Doch gerade er wird dafür kritisiert, weitere Ausnahmen gefordert zu haben. Deutschland habe sich auf die Seite der Unterminierer dieser Steuer geschlagen, kritisierte der grüne Wirtschaftspolitiker Sven Giegold. "Man will weiterhin eine Ausnahme für die gesamten Lebensversicherungen, für Pensionsfonds. Sogar eine maßgeschneiderte Ausnahme für die deutsche Börse und ihren Derivate-Handel wurde von Herrn Schäuble da verhandelt."
Insgesamt wirft Giegold den Nationalstaaten Egoismus vor, allerdings hofft er trotz der Geschichte dieser Steuer weiter darauf, dass es doch noch eine Einigung geben werde. Dabei ähneln die Aussagen heute weiterhin denen, mit denen man schon vor mehr als fünf Jahren verkündet hatte, sich längst "grundsätzlich" auf eine Steuer geeinigt zu haben, die "Symbol für die Beteiligung des Privatsektors an der Krisenbewältigung geworden" sei.
Erneut wird vom "Durchbruch" und von einem "neuen Anfang" fabuliert. Damit versucht vor allem der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling, der die Verhandlungen leitet, so zu tun, als könnte er dem Zombie wieder Leben einhauchen. Tatsächlich hat sich die Lage seit 2010 immer weiter verschlechtert. Damals waren sogar noch alle Euroländer im Boot.
Und was wäre es für eine Einigung, sollte es jemals zur Einführung der Steuer kommen, wenn von 28 EU-Mitglieder gerade gut ein Drittel diese Steuer einführen würden und mit zehn Staaten nur gut die Hälfte der Euroländer? Kann man diese Steuer überhaupt noch Finanztransaktionssteuer nennen, wenn die geringen Steuersätze möglicherweise weiter gesenkt oder immer weitere Ausnahmen geschaffen werden?
Inzwischen geht es sogar soweit, dass sich EU-Mitgliedsländer wie Großbritannien oder Schweden der Steuer nicht nur verweigern, sondern aktiv dagegen vorgehen wollen. Finanzminister George Osborne erklärte, das Vorhaben verstoße es nicht nur gegen die EU-Verträge, sondern auch gegen die europäische Steuergesetzgebung. Er drohte mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, sollte die Steuer Auswirkungen auf Großbritannien mit seinem großen Finanzplatz haben.
Und auch in Deutschland sind die Widerstände groß. "Im Interesse einer notwendigen Stabilisierung des europäischen Wirtschaftsraums wäre es daher am sinnvollsten, das Projekt einzustellen", haben die deutschen Wirtschaftsverbände erklärt. Die Verbände, zu denen auch der Bundesverband der Deutschen Banken, der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gehören, meinen, die Steuer könne sich negativ auf Wachstum, Beschäftigung und Altersvorsorge auswirken und die Wettbewerbsfähigkeit der EU leiden.