Arktis: Wenig Eis auf dem Meer
Die Eisbedeckung ist für die Jahreszeit sehr niedrig, aber ob ein neuer Minusrekord erreicht wird, ist völlig offen
Was macht eigentlich das Eis am Nordpol? Dort schwimmt auf dem arktischen Ozean ganzjährig ein Eispanzer, der im Winter wächst und im Sommer, wenn die Sonne für einige Monate über dem Horizont bleibt, zusammenschrumpft. Auf den Meeresspiegel hat das Ganze nur einen minimalen Einfluss, da das Eis auf dem Wasser schwimmt und daher genauso viel Flüssigkeit verdrängt, wie in ihm gebunden ist.
So weit, so normal. Nur, dass sich in den letzten Jahrzehnten das Eis im Sommer immer weiter zurückzieht. Dadurch kann sich das bisher durch das Eis isolierte Meer erwärmen, was schließlich zur Erwärmung der ganzen Arktis führt. Sollte der arktische Ozean irgendwann tatsächlich im Sommer für einige Monate eisfrei werden, so wird sich dadurch in den gemäßigten Breiten der Nordhalbkugel – nicht zuletzt in Europa – das regionale Klima erheblich verändern.
Unter anderem werden sich die Zugbahnen der Tiefdruckgebiete verlagern. Vor allem werden aber lang anhaltende Hitze- und Schlechtwetterperioden deutlich wahrscheinlicher. Nicht zuletzt führt eine Erwärmung der Arktis aber zum Auftauen der Dauerfrostböden.
Das ist zum einen für die örtliche Infrastruktur ein erhebliches Problem, weil Häuser und Straßen im Morast versinken. Zum anderen könnten dadurch aber auch große Mengen des starken Treibhausgases Methan freigesetzt und der Klimawandel verstärkt werden.
Wie sieht es also derzeit im hohen Norden aus? Obige Grafik der Uni Bremen zeigt, dass das Eis bereits ziemlich löchrig ist. (Der Höhepunkt der Vereisung wird gewöhnlich in der zweiten März- und der Tiefpunkt in der zweiten Septemberhälfte erreicht.)
Die animierte Grafik des National Snow and Ice Data der USA verrät uns, dass die Eisbedeckung am 26.6. bei 10.319 Quadratkilometer lag. Das war rund 1.000 Quadratkilometer weniger als der Median der Jahre 1981 bis 2010 für dieses Datum.
Damit liegt der Eisbedeckungsgrad derzeit nahe dem Allzeit-Minusrekord aus dem Jahre 2012, aber das sagt noch nicht viel über die weitere Entwicklung aus. (Die Satellitendaten reichen bis Ende der 1970er zurück, aber historische Aufzeichnungen gibt es seit ca. 1850 in größerer Zahl.) Es hat in den letzten Jahren zu dieser Zeit einige ähnlich niedrige Werte gegeben ohne dass letztlich neue Minusrekorde im September aufgestellt worden wären.
Vielmehr wird in den kommenden Wochen viel vom Wetter über der Arktis abhängen. Zum einen spielt natürlich die Bewölkung eine wichtige Rolle. Sorgen Hochdruckgebiete für viel blauen Himmel, so hat die Sonne lange Zeit, mit ihren Strahlen die Tauwasserpfützen auf dem Eis und das freie Meer zu erwärmen. Stürme könnten dann zum anderen das Zerstörungswerk fortsetzen, in dem sie das dünne Eis aufbrechen und zusammenschieben.
Wichtig wird zudem sein, wie viel Eis von den Winden aus der Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen hinausgetrieben wird. Betroffen ist davon meist dickes, mehrjähriges Eis aus den Gewässern nördlich von Grönland, das zu mächtig ist, um in einem einzigen arktischen Sommer aufzutauen. Schwimmt es jedoch auf den Nordatlantik hinaus, so löst es sich dort rasch auf und ist für den Eispanzer unwiederbringlich verloren.
In den letzten Wochen, und auch noch derzeit, sind die Winde entsprechend ungünstig gewesen, aber wie es in diesem Sommer weitergeht, ist natürlich offen. Wettervorhersagen reichen – ganz anders als Klimavorhersagen – nur maximal etwa zwei Wochen weit.
Langfristig ist aber offensichtlich, dass es einen starken Erwärmungstrend in der Arktis gibt. Die Region nördlich von 66 Grad Nord hat sich in den letzten Jahrzehnten mehr als doppelt so schnell wie der Rest des Planeten erwärmt.