Auch der Rap-Sänger Valtònyc wird nicht an Spanien ausgeliefert

Rap-Sänger Valtònyc (Mitte)

(Bild:  Òmnium Cultural / CC BY-SA 2.0 )

Belgien fällt auf die spanischen Tricks nicht herein und sieht seine Lieder von der Meinungsfreiheit gedeckt

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In Spanien soll Valtònyc für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis wegen angeblicher Terrorismusverherrlichung, Beleidigung der Monarchie und angebliche Drohungen. Der junge Mann aus Mallorca hatte sich dem Haftantritt durch Flucht nach Belgien entzogen. Wie erwartet, hat die belgische Justiz gestern auch diesen spanischen Auslieferungsantrag abgelehnt.

Das war vorhersehbar, nachdem das Gericht in Gent schon die automatische Auslieferung nach der Katalogstraftat "Terrorismus" abgewiesen hatte und sich deshalb intensiv mit dem Fall befassen musste.
Der Versuch, den Rapper über "Terrorismus" schnell und automatisch ausgeliefert zu bekommen, wurde zum Rohrkrepierer, da auch in Belgien längst die spanischen Winkelzüge und Tricks bekannt sind, mit denen versucht wird, den Europäischen Haftbefehl für illegale Auslieferungen zu missbrauchen.

Als "Terrorismus" bezeichnete es die spanische Justiz nämlich, dass Josep Miquel Arenas in seinen Liedern auch über längst aufgelöste bewaffnete Organisationen wie die kommunistische Grapo oder die baskische ETA gesungen hat. Das war klar missbräuchlich, was das belgische Gericht durchschaut hat.

Es stieg in die Materie ein, wie die deutschen Richter des Oberlandesgerichtes Schleswig im Fall von Carles Puigdemont und damit war eigentlich das Ergebnis klar. Jeder unabhängiger Geist musste sehen, dass von Terrorismus keine Spur ist und auch Terrorismusverherrlichung nicht vorliegt. Die Aussagen in den Liedern sind vielmehr von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt, wie das Gericht auch geurteilt hat.

Die Prüfung hat zudem ergeben, dass es im belgischen Recht kein Äquivalent zu den spanischen Gesetzen gibt, auf deren Grundlage Valtònyc in Spanien verurteilt worden war. Der linke Aktivist und Sänger erklärte dazu: "Es ist sehr traurig, dass man ins Ausland gehen muss, um Gerechtigkeit zu erfahren." Er wolle aus seinem Fall die “Fahne für die Meinungsfreiheit” machen.

Es ist bitter notwendig, Spanien endlich in Grundrechtsfragen auf die Füße zu treten, wenn Schauspieler verfolgt werden, weil sie angeblich "religiöse Gefühle" verletzt haben, wenn Aktivisten, Sänger und Twitterer wegen Meinungsäußerungenverurteilt werden. Und geändert hat sich auch nichts, obwohl Spanien sogar schon am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt wurde.

Junge Menschen schmoren sogar zum Teil lange Jahre hinter Schloss und Riegel für Meinungsäußerungen oder Bagatellen, die als Terrorismusverkauft werden. Auch spanische Medien kommen im Fall Valtonyc zum Urteil, dass es erneut ein schwerer Schlag für die spanische Justiz ist.

Bisher konnte der Richter Pablo Llarena, der selbst in Belgien vor Gericht steht, noch darauf verweisen, dass seine absurden Vorwürfe gegen Mitglieder der katalanischen Regierung in Belgien nur wegen eines Formfehlers abgelehnt wurden, also inhaltlich kein Urteil ergangen ist (anders als im Fall Puigdemont). Das ist nun anders.

Aber schon das zeigte die Qualität der spanischen Justiz an, in der ein Richter wie Llarena gegen alle Normen regelwidrig auf den Sessel im Obersten Gerichtshof gehoben wurde und dem ebenso abnorm die Fälle der katalanischen Politiker zugeschustert wurden, wie auch spanische Medien recherchiert haben.

Von seinem Sessel aus fabulierte Llarena für die postfaschistische Vorgängerregierung von einem "bewaffneten Aufstand" (Rebellion) der Katalanen, legte aber in Belgien nicht einmal einen spanischenHaftbefehl (trotz Nachfrage) dafür gegen drei Minister vor.

In Deutschland tat er das, doch die Richter konnten nicht einmal die nötige Gewalt von Seiten der Unabhängigkeitsbewegung für einen schnöden Landfriedensbruch erkennen, um vom Hochverrat nicht einmal zu sprechen.

Und auch die Schweiz und Großbritannien wollen katalanische Politiker nicht nach Spanien ausliefern. Trotz allem will Llarena den 12 Politikern, deren er habhaft wurde, im Herbst den Prozess wegen Rebellion machen, obwohl sie nur friedlich ein Referendum durchgeführt haben. Die Anklagen sind widersinnig, meinen nicht nur deren Verteidiger, sondern aus vielen Gründen auch führende Verfassungsrechtler.

Der andalusische Professor Javier Perez Royo nennt die Anklagen "grotesk". Aber wirklich schlimm ist nicht, dass ein einzelner Richter absurde Anklagen formuliert. Schlimm ist, dass es kein Korrektiv in einer politisierten Justiz gibt. Die Ansichten von Llarena werden zum Beispiel auch von der Berufungskammer geteilt, die eine "Rebellion ohne Waffen" für nicht "abwegig" hält.

Noch schlimmer ist, dass im Fall Valtonyc sogar das Verfassungsgericht die Beschneidung der Meinungsfreiheit abgesegnet hatte. Das tat es auch im Fall von zwei Katalanen, die für das Verbrennen von Königsbildern verurteilt wurden, wofür Spanien vom EMGR schließlich verurteilt wurde. Eine unabhängige Justiz auf demokratischer Grundlage sieht anders aus.

Mit dem Urteil im Fall von Valtònyc sind erneut der spanischen Justiz ihre Phantasien um die Ohren geflogen. Es wäre an der Zeit, wenn Spanien in Europa nicht bald wieder das Synonym für ein Unrechtsregime sein will, dass die neue sozialdemokratische Regierung über ihr Ministerium für Staatsanwaltschaft endlich die Notbremse zieht.

Es sollte die absurden Rebellionsvorwürfe zurückziehen und damit den Weg für die Freilassung der neun politischen Gefangenen ebnen. Das haben gerade wieder mehr als eine Million Menschen auf einer riesigen Demonstration gefordert, die "Freiheit für Katalonien" wollen.

Das wäre ein erster Schritt zu einem realen Dialog und nicht zu einer symbolischen Farce, wie sie Pedro Sánchez zunächst angestoßen und inzwischen wieder ausgesetzt hat. Als zweiter Schritt, zur Lösung der Krise, kann am Ende nur, nach Vorbild Schottland und Quebecs, ein demokratisches Referendum stehen, in dem die Katalanen entscheiden, ob sie ein unabhängiges Land werden oder nicht. Das fordern mehr als 80% der Bevölkerung.