Aufmerksam und Vergesslich
Mit einer Meditationsapp will Genentech den Büroalltag zum Aufmerksamkeitseldorado machen. Nette Idee, dabei geht es doch inzwischen nicht mehr ums Wahrnehmen, sondern ums Vergessen.
Headspace rollt den Markt auf. Das kommt so, weil eine Firma namens Genentech Angestellte hatte, die mit einer Meditationsapp und dessen Nutzung plötzlich ein kleines Glück auf Erden fand. Und deshalb bringt man mit der firmeneigenen App nun die 14.000 Angestrellten dazu, im Schnitt viermal pro Woche den Meditation-Button zu drücken und sich ins Glück, in Ruhe und Zufriedenheit zu bringen. Aufmerksamkeit ist das große Schlagwort.
Und weil man Glück teilen will, stellt Genentech die App auch für die Außenwelt zur Verfügung. Ganze Unternehmen sollen ihre Angestellten auch damit beglücken. 399,- USD kostet eine lebenslange Mitgliedschaft. Für die, die ihre Karriere ein wenig dynamischer planen, gibt es auch eine monatliche Mitgliedsgebühr von 12.99 USD. Mehr als 30 Millionen Nutzer, davon eine Million Premiumnutzer, hat die App bereits. Und Firmenaccounts könnten 60 Prozent Rabatt für die Gebühren erhalten.
So sieht Glück aus.
Wer also jetzt mit Headspace seine Aufmerksamkeitsspanne im eigenen Unternehmen erweitert hat, dem gratulieren wir schon einmal. Es ist eben nichts so schön, wie der tief in einem gespürten Gang zur Kaffeemaschine oder in ein intensiv wahrgenommenes Montagsmeeting Vertiefte. Allerdings schießt das ganze Unternehmen ein wenig am Alltag vorbei. Aufmerksamkeit ist vielleicht gar nicht so sehr das Problem in einer zunehmend älter werdenden Belegschaft.
Es geht vermutlich mehr um Vergesslichkeit (soweit ich mich hier erinnern kann). Aber dafür hat die IT-Abteilung ja sogar ein kostenloses Tool bereitgestellt, das einfach noch zu wenig genutzt wird. Zum Beispiel kann eine einfache Frage nach dem Passwort bei Siri die richtige Reaktion auslösen. Der Zugangscode für das eigene Telefon wird gezeigt, sobald man sich zum Beispiel mit einem Fingerabdruck authentifiziert hat. So geht nämlich moderne mitarbeitergestützte Zusammenarbeit von Mensch und Gerät.
Immer wenn Siri im Hintergrund merkt, dass sich das Herrchen oder Frauchen nicht mehr genau an einen Begriff erinnern kann, springt es ein und liefert diskret das Stichwort. So fällt die digitale Demenz nicht allzu sehr auf. Und weil das panische Starren aur ein Display immer noch peinlich sein könnte, hat Apple jetzt auch noch Akonia Holographics gekauft, um damit vielleicht endlich die Brillen auf den Markt zu bringen, die einem die kleinen Unterstützerlis diskret auf den Sichtkreis projezieren. So sieht dann Aufmerksamkeit aus:
Computer nimmt Demenz war, projiziert schnell den Namen des Chefs auf das Display, und der Angestellte liest ihn freundlich ab und baut damit weiter Sozialkredit auf.
... solange man den Aufrufnamen von diesem Dings nicht vergessen hat. Von diesem Dings in seinem Telefon, das immer antwortet. Na, sie wissen schon, das mit der Frauenstimme.