"Aus der Kanalisation ins Königreich Gottes zerren"
Die russische Regierung reagiert mit markiger Rhetorik auf die Terroranschläge
Nach den zwei Selbstmordanschlägen auf die U-Bahn in Moskau, die von zwei Frauen ausgeführt wurden und 39 Menschen das Leben kosteten, inszeniert sich Regierungschef Putin wieder einmal als Haudegen. Eine Rolle, die er bereits 1999 als Regierungschef einnahm und russische Truppen nach noch immer ungeklärten Terroranschlägen in Moskau in Tschetschenien einrücken ließ. Die militärische Lösung führte nicht zu einem Ende der Gewalt, sondern zu deren Stärkung, verschaffte Putin aber Anerkennung. Mittlerweile hat sich die Kampfzone in der Region ausgebreitet. Die Einsetzung von Kadyrow als Präsident von Tschetschenien auf Putins Gnaden hat das Land nicht wirklich befriedet, sondern nur unter eine neue Gewaltherrschaft gebracht.
Jetzt also kündigte er an, dass die Drahtzieher "aus den Tiefen der Kanalisation zum Königsreich Gottes" gezerrt werden. Das sei eine Sache der Ehre der Sicherheitskräfte, die seit den Anschlägen in Kritik geraten sind und damit auch die Position von Putin und Dmitrij Medwedew schwächen. Der Präsident übte sich in derselben Rhetorik wie Putin und sagte, als an der U-Bahn-Station Lubjanka Blumen niederlegte: "Das sind Unmenschen… Wir werden sie finden und vernichten."
Eine der U-Bahnen war auch mit Überwachungskameras ausgestattet. Putin sagte, er wisse, dass sie Anschläge nicht verhindern, aber den Sicherheitsbehörden dienlich sein könnten, Helfer und Hintermänner aufzuspüren. Gesucht wird nach einem möglicher Helfer und zwei weiteren Frauen, es gibt auch Gerüchte, dass weitere Selbstmordattentäterinnen – "Schwarze Witwen" - sich in der Stadt aufhalten sollen. Die beiden jungen Selbstmordattentäterinnen – Bilder ihrer Köpfe nach dem Anschlag wurden von Lifenews.ru veröffentlicht – sollen mit dem Bus nach Moskau gelangt sein. Angenommen wird, dass sie aus Tschetschenien oder anderen Provinzen im Nordkaukasus stammen, wo immer noch Krieg herrscht. Möglicherweise sollen sich bereits 19 weitere Selbstmorfdattentäterinnen in Moskau aufhalten.
Allerdings hat bislang keine Gruppe die Verantwortung für die Anschläge übernommen. Die von der mittlerweile islamistischen tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung betriebene Website Kavkaznews hat auch noch kein Bekennerschreiben veröffentlicht, bemüht sich aber darum, die Anschläge Putin bzw. dem russischen Geheimdienst in die Schuhe zu schieben, verweist aber auch auf Verschwörungstheorien in Russland, die die britischen oder amerikanischen Geheimdienste dahinter sehen wollen. Der russische Außenminister Lawrow sieht die Drahtzieher hingegen bei den al-Qaida Terroristen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet.
Da die Anschläge aber die Regierung nicht direkt gefährden, geht man bei der Moscow Times davon aus, dass nach der Rhetorik nicht viel passieren wird. Allerdings hatte die russische Regierung letztes Jahr das Ende des Tschetschenienkriegs erklärt.