BBC, ITV und Sky prognostizieren "Hung Parliament" in Großbritannien
Der aus einer Befragung von 17.607 Wählern ermittelten Vorhersage nach liegen die Konservativen deutlich vor Labour
Gestern um 23 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit sollten in Großbritannien die Wahllokale schließen. An mehreren Orten gab es zu diesem Zeitpunkt allerdings noch lange Wählerschlangen, die nur teilweise abgearbeitet, teilweise aber auch unter Protest abgewiesen wurden. Einer von den Fernsehsendern BBC, ITV und Sky durchgeführten Befragung von 17.607 Wählern nach zeichnet sich ab, dass weder Labour noch die Tories die für eine absolute Mehrheit notwendigen 326 Mandate erreichen. Danach hätten die Konservativen gut 100 Sitze hinzugewonnen und kämen auf 305, während Labour in etwa die selbe Zahl an Mandaten verliert und bei 255 landet.
Die große Überraschung bei diesen nach dem Abstimmen ermittelten Zahlen liegt aber im Abschneiden der Liberaldemokraten: Sie würden nicht, wie erwartet, ein Drittel an Mandaten hinzugewinnen, sondern mit insgesamt 61 sogar einen Sitz verlieren. Die Regionalparteien kämen dieser Prognose nach zusammen auf 29 Sitze. Politiker der Liberaldemokraten zeigten sich in ersten Reaktionen skeptisch und wiesen darauf hin, dass das Fernsehen mit früheren Vorhersagen vor allem dann daneben lag, wenn es knappe Ergebnisse gab. Kurz vor der Wahl hatten Detailanalysen, die Umfragen aus jedem der insgesamt 650 Wahlkreise zusammenfassten, zwischen 285 und 294 Sitze für die Tories, zwischen 248 und 258 für Labour, etwa 80 für die Liberaldemokraten, knappe 30 für die Regionalparteien und einen für die Antikriegspartei Respect ermittelt.
Bestätigen sich die Prognosen, dann wäre das Ergebnis ein "Hung Parliament" mit der Option einer Minderheits- oder einer Koalitionsregierung. Da den Tories der Prognose nach 21 Sitze zu einer absoluten Mehrheit fehlen, würden die erwarteten etwa 10 Stimmen der nordirischen Protestantenpartei DUP nicht für eine Koalition oder eine Duldung ausreichen, so dass die Konservativen sich wahrscheinlich an die Liberaldemokraten wenden würden. Auch Labour könnte in diesem Fall theoretisch weiterregieren, müsste allerdings neben der LDP auch noch die nordirische Katholikenpartei SDLP, die Scottish National Party und eventuell die walisische Plaid Cymru ins Boot holen. Der BBC-Kommentator Mark Devenport brachte sogar ein "Regenbogenbündnis" aus Tories, DUP, SNP und Plaid Cymru ins Spiel.
Das amtliche Endergebnis wird frühestens für den Nachmittag erwartet – auch deshalb, weil die Zählung in rund 20 Wahlbezirken erst um 9 Uhr beginnt. Als möglich gilt, dass der eine oder andere Kandidat, der in einem Wahlkreis mit abgewiesenen Wählern nur knapp verliert, das Ergebnis anficht. Von Thirsk and Malton ist bereits jetzt sicher, dass die Entscheidung noch länger auf sich warten lassen wird: In dem als konservativ geltenden Bezirk findet aufgrund eines Todesfalls erst am 27 Mai eine Nachwahl statt.