Beschneidungsdebatte erreicht Österreich
Cahit Kaya vom Zentralrat der Ex-Muslime lässt den Fall seiner eigenen als traumatisierend empfundenen Vorhautentfernung im Grundschulalter durch eine prominente Anwältin prüfen, die eine Klage gegen den Staat erwägt
Der österreichische Religionskritiker Niko Alm wurde im letzten Jahr international bekannt, als er durchsetzte, dass er für sein Führerschein ein Nudelsieb als verbindliche Kopfbedeckung der Pastafari-Parodiereligion aufsetzen darf, wie andere Religiöse ein Kopftuch. Nach einer amtsärztlichen Untersuchung vom Alms Geisteszustand und einer längeren Wartezeit akzeptierte die Wiener Bundespolizeidirektion das Foto schließlich – aber nicht als religiöse Ausnahme, sondern deshalb, weil "das Gesicht frei erkennbar" ist.
Nun bringt Alm mit seiner Initiative gegen Kirchenprivilegien die seit einem Urteil des Landegerichts Köln in Deutschland ausgebrochene Debatte über religiöse Beschneidungen in die Alpenrepublik. Dazu hielt er gestern eine Pressekonferenz ab, bei der fünf Beschneidungskritiker – wie der ORF es formulierte – "aus verschiedenen Perspektiven gegen das religiöse Ritual Stellung bezogen". Österreichische Medien scheinen das Thema, mit dem in Deutschland Klickrekorde gebrochen werden, dankbar aufzunehmen.
Unter den von Alm aufgebotenen Sprechern fanden sich auch der jüdische Anti-Beschneidungs-Aktivist Amen Ronald Oberhollenzer, der religiös gegen eine Vorhautentfernung bei Kindern argumentiert, und Cahit Kaya von der Initiative Ex-Muslime, der seine eigene Beschneidung im Grundschulalter als traumatisches Erlebnis schildert. Kaya lässt seinen Fall derzeit von der prominenten Rechtsanwältin Eva Plaz untersuchen, die prüft, ob der Grafiker aus Vorarlberg die Republik Österreich verklagen kann. Unabhängig davon glaubt sie aber, dass die Beschneidungsfrage über kurz oder lang ohnehin vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg landen wird. Der Rechtsanwältin zufolge können Eltern zwar grundsätzlich Entscheidungen für ihre Kinder treffen – aber ausschließlich solche, die das körperliche und seelische Wohl ihrer Schutzbefohlenen nicht beeinträchtigen.