Bis an die Zähne bewaffnet
Während ein neues Waffengesetz im Raum steht, kaufen die US-Amerikaner so viele Waffen wie nie zuvor. Und auch die US-Behörden rüsten kräftig auf und bunkern zig Millionen Waffen und Munition
US-Präsident Barack Obama hat striktere Waffengesetze angekündigt – und wie reagieren die Amerikaner? Sie kaufen neue Schusswaffen, haufenweise. Seit Obama der Waffenlobby den Kampf angesagt hat, nahm die Zahl der Hamsterkäufe massiv zu. Das FBI führt eine genaue Statistik darüber, wie viele staatlichen Überprüfungen die Amerikaner jeden Monat vornehmen lassen, bevor sie legal eine Waffe erwerben dürfen: Bevor man in den USA eine Waffe kauft, durchläuft man das sogenannte "National Instant Criminal Background Check System" (NICS), bei dem das FBI abklopft, ob der potentielle Käufer beispielsweise als geisteskrank gilt oder zuvor kriminell tätig war.
Die Statistik gilt als zuverlässiger Indikator für die Anzahl der legal verkauften Schusswaffen – und die Zahlen sprechen Bände: Im Dezember 2012, dem Monat des Amoklaufs an der Sandy Hook Elementary School in der US-Kleinstadt Newtown, fanden 2.783.765 solcher Überprüfungen statt. Das ist der höchste jemals ermittelte Wert seit Beginn der Statistik im Jahr 1998. Im Januar 2013 betrug die Zahl 2.495.440, der zweithöchste Wert – zum Vergleich: Im Januar 2012 waren es 1.377.301. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, den Verkäufe von Privat zu Privat werden durch die NICS nicht erfasst – und Privatverkäufe machen in den USA knapp 40 Prozent des Waffenhandels aus.
Während die Amerikaner fleißig Waffen horten, lassen sich auch die offiziellen US-Behörden nicht lumpen: Das Department of Homeland Security (DHS) war jüngst auf Shopping-Tour und hat 7.000 Sturmgewehre geordert. Zudem will das DHS weitere 21,6 Millionen Patronen erwerben, nachdem die Behörde in den letzten zehn Monaten bereits 1,6 Milliarden gekauft hatte. Ein Vergleichswert zeigt, in welch drastischem Ausmaß die US-Behörden derzeit Munition bunkern: Während des Irak-Kriegs verschossen die US-Soldaten rund 5,5 Millionen Schuss Munition pro Monat.
Warum sich das DHS bis an die Zähne bewaffnet bleibt unklar, da eine offizielle Stellungnahme bislang auf sich warten lässt. Manche vermuten, dass sich die Behörde für soziale Unruhen rüsten will, die wegen der Finanzkrise oder wegen Naturkatastrophen entflammen könnten. Die U.S. Social Security Administration, eine andere, ebenfalls der US-Regierung zugeteilte Behörde, ist in dieser Frage zumindest etwas konkreter. Im August 2012 erklärte sie ihren Ankauf von neuer Munition auf ihrem offiziellen Blog wie folgt: "Unsere Spezialagenten verwenden die Munition während ihrer obligatorischen, vierteljährlichen Schießübungen und während anderer Trainingseinheiten, um die Sicherheit der Agenten und der Öffentlichkeit zu gewährleisten."
Das Weiße Haus hat am 1. Februar 2013 ein Foto hochgeladen, das Barack Obama beim Tontaubenschießen zeigt. Das Bild soll schießwütige Republikaner milde stimmen und ihnen verklickern, dass der Präsident dem Schießen – trotz aller geplanten Gesetze – nicht vollends abgeneigt ist. Das unterstreichen auch recht eindeutige Worte, die Obama kurz nach seinem Amtsantritt als Präsident fand: "Wir können uns nicht weiterhin nur auf unser Militär verlassen, um die nationalen Sicherheitsstandards zu erreichen, die wir festgesetzt haben. Wir müssen nationale, zivile Einsatzkräfte haben, die ebenso mächtig, stark und finanziell ausgestattet sind."
Die US-Bevölkerung jedenfalls ist bereits bis an die Zähne bewaffnet: Auf 100 Einwohner kommen im Schnitt 88,8 Waffen in Privatbesitz. Und als Sahnehäubchen rüsten findige Obama-Gegner weiter auf: Eric Lowry, Besitzer eines Waffenladens in Pittsburgh, verschenkt derzeit über seine Facebook-Seite 1000 Schuss Munition und ein AR-15-Sturmgewehr – mit einem vergleichbaren Modell richtete der Amokläufer von Newtown ein Blutbad an. Lowry berichtet, dass er zwei Tage nach dem Amoklauf 95 Prozent seines Lagerbestands verkauft hätte – was die Zahlen des FBI bestätigen dürfte. Gefragt nach den Beweggründen für seine merkwürdige Verschenkaktion antwortete der Waffenhändler:
"Die Bürger sollten ausreichend bewaffnet sein, um sich gegen eine tyrannische Regierung wehren zu können: Sie sollten in der Lage sein, die gleichen Handfeuerwaffen zu besitzen, wie sie jeder Soldat in seinen Händen halten darf."
Immerhin, bei Panzern und Atomwaffen zieht Lowry einen Grenzstrich. Aber die sind in den Händen der US-Regierung vermutlich nicht gerade viel besser aufgehoben.